Festspielmagazin der Festspiele

Die Bay­reu­ther Fest­spie­le ha­ben pünkt­lich zum Be­ginn des Vor­ver­kaufs ein di­gi­ta­les Fest­spiel­ma­ga­zin her­aus­ge­ge­ben – eine Mar­ke­ting­maß­nah­me, die es jahr­zehn­te­lang nicht mehr gab.

Ti­tel­blatt der di­gi­ta­len Bro­schü­re –Vor­la­ge: Bay­reu­ther Festspiele

Er­in­nert sich noch je­mand an die Jah­res­hef­te der Bay­reu­ther Fest­spie­le? Sie ka­men nach Aus­kunft von Wag­ner­an­ti­quar Rai­ner Schlicht ab 1954 her­aus, ab 1969 je­weils im De­zem­ber de­zi­diert als Rück­blick auf die ver­gan­ge­ne und Vor­schau auf die neue Sai­son. Das Heft, für das zu­letzt im­mer­hin 23 DM in­klu­si­ve Ver­sand­kos­ten zu be­rap­pen wa­ren, ent­hielt un­ter an­de­rem Por­träts der künf­ti­gen Fest­spiels­o­lis­ten und war da­mals qua­si die ers­te Mög­lich­keit, sich noch ohne kon­kre­te Rol­len­an­ga­ben über das Sän­ger­ensem­ble im kom­men­den Som­mer zu in­for­mie­ren. Bis ein­schließ­lich 1993 er­schien das Jah­res­heft. Da­nach wur­de die reich be­bil­der­te Bro­schü­re mit Aus­zü­gen aus in­ter­na­tio­na­len Pre­mie­ren­kri­ti­ken und we­nigs­tens ei­nem aus­führ­li­chen Auf­satz zur nächs­ten Neu­in­sze­nie­rung als un­nö­ti­ge Mar­ke­ting­maß­nah­me für das aus­ver­kauf­te Haus er­satz­los ge­stri­chen. Und nicht nur das: An­stel­le der ein­zel­nen Pro­gramm­hef­te zu den Pro­duk­tio­nen ei­ner Sai­son gab es plötz­lich nur noch das nicht nur in­halts­schwe­re, sehr wer­tig ge­druck­te, für Thea­ter­be­su­cher aber ex­trem un­hand­li­che Pro­gramm­buch – ein For­mat, wie es et­was klei­ner seit 2010 die Ge­sell­schaft der Freun­de von Bay­reuth mit ih­rem Al­ma­nach pflegt. Zu­min­dest die be­lieb­te­ren Ein­zel­pro­gramm­hef­te kehr­ten be­reits im Fest­spiel­som­mer 2009, zur ers­ten Spiel­zeit der neu­en Fest­spiel­lei­te­rin­nen Ka­tha­ri­na Wag­ner und Eva Wag­ner-Pas­quier, zu­rück – al­ler­dings in je­der Hin­sicht deut­lich ab­ge­speckt. Jetzt ist in zeit­ge­mä­ßer Form auch das Jah­res­heft wie­der da, di­gi­tal und we­ni­ger um­fang­reich, da­für kos­ten­los, im Kun­den-Mai­ling aus­ge­wie­sen als Be­stell­borschü­re be­zie­hungs­wei­se Fest­spiel­ma­ga­zin 2025 der Bay­reu­ther Festspiele.

Auf ins­ge­samt 36 Sei­ten wird in Text und Bild ge­zeigt, was Stamm­pu­bli­kum und Neu­lin­ge im Som­mer 2025 er­war­tet und wie man an wel­che Kar­ten kommt. Nach dem Gruß­wort von Fest­spiel­lei­te­rin Ka­tha­ri­na Wag­ner sind für Erst­be­su­cher die Al­lein­stel­lungs­merk­ma­le und Be­son­der­hei­ten des Fest­spiel­hau­ses in den Blick­punkt ge­rückt. Für die an­de­ren, die den „mys­ti­schen Ab­grund“, den Bay­reu­ther Misch­klang und die kar­ge Be­stuh­lung schon ken­nen, geht es mehr ums Künst­le­ri­sche. So gibt Re­gis­seur Mat­thi­as Da­vids auf die Fra­ge, in wel­cher Zeit er die „Meistersinger“-Neuinszenierung an­sie­delt, un­ter an­de­rem fol­gen­de Ant­wort: „Ich bin da­ge­gen, ein sol­ches Stück kom­plett ins Heu­te zu zie­hen und etwa alle Meis­ter mit Han­dys auf­mar­schie­ren zu las­sen. Ich habe auch kei­ne Lust auf Uni­for­mie­rung, ich möch­te Bunt­heit und Schau­lust, vom Mo­ment, in dem das Volk aus der Kir­che strömt, bis zur fi­na­len Fest­wie­se. Bei den Meis­tern ha­ben wir es tat­säch­lich mit Hand­wer­kern zu tun – die gibt es heu­te noch, ein Maß­schus­ter ge­nießt ho­hes An­se­hen –, und je­der soll sein in­di­vi­du­el­les Pro­fil er­hal­ten. Das ist al­ler­dings nicht nur eine Kos­tüm­fra­ge, das kann ich erst mit den Dar­stel­lern er­ar­bei­ten.“ Und sein Dra­ma­turg Chris­toph Wag­ner-Trenk­witz, der ei­nem grö­ße­ren TV-Pu­bli­kum als lau­ni­ger Kom­men­ta­tor bei den Über­tra­gun­gen des Wie­ner Opern­balls ein Be­griff sein dürf­te, frägt gar: „Lässt sich die im Fi­na­le ge­prie­se­ne ‚deut­scher Meis­ter Ehr‘ wirk­lich nur als Ver­dam­mung von al­lem ver­ste­hen, was nicht ‚deutsch und echt‘ ist? Könn­ten wir nicht alle Meis­ter (und Meis­te­rin­nen) wer­den, wenn wir den ‚al­ten Wahn‘, den Sachs grüb­le­risch be­singt, be­zäh­men würden?“

Nürn­berg-An­sicht des Büh­nen­bild­ners der „Meistersinger“-Neuinszenierung An­drew D. Ed­wards – Vor­la­ge: Bay­reu­ther Festspiele

Ver­ständ­nis­för­dernd die Kurz­tex­te zu den Wie­der­auf­nah­men, ein­drück­lich die In­sze­nie­rungs­fo­tos von En­ri­co Nawrath wie zum Bei­spiel das „Ring“-Auftaktfoto mit gleich zwei Ring-Kin­dern und das im­mer wie­der be­rüh­ren­de Bild vom ein­sams­ten Wo­tan der Welt. Scha­de nur, dass „Sieg­fried“ ohne sei­nen Ti­tel­hel­den aus­kom­men muss, aber Al­be­rich darf als Schlüs­sel­fi­gur ja hier auch nicht feh­len. Ein paar Fra­ge­zei­chen tun sich auf der Dop­pel­sei­te mit di­ver­sen Tipps un­ter dem Ti­tel „It’s a Vibe!“ auf. Da die An­zahl von mög­li­chen Fest­spiel­kar­ten­käu­fern un­ter den Fans des Rap­pers 2 Chainz eher klein sein dürf­te, könn­te das der Ver­such sein zu do­ku­men­tie­ren, dass man die For­de­run­gen von Kul­tur­staats­mi­nis­te­rin Clau­dia Roth, wo­nach die Fest­spie­le „di­ver­ser, bun­ter und jün­ger“ wer­den soll­ten, ernst nimmt. Ge­hört dazu auch der Kurz­bei­trag über Da­vid Hock­ney? Ist der ein­fach nur hip (was die Ju­gend­spra­che der Mi­nis­te­rin sein könn­te) oder wird die­ser Alt­meis­ter der nächs­te pro­mi­nen­te Ma­ler­künst­ler am Grü­nen Hü­gel sein? Dass die Tip Ber­lin Me­dia Group GmbH, die das Gan­ze kon­zi­piert und ge­stal­tet hat, sich un­be­dingt mal an der Nase fas­sen soll­te, il­lus­trie­ren un­über­seh­bar die als Brat­würs­te ti­tu­lier­ten, wenn­gleich noch sau­cen­lo­sen, aber sicht­bar ein­ge­kerb­ten Cur­ry­würs­te. Liest und schaut denn kei­ner mehr Kor­rek­tur? Schön wäre, wenn es den De­si­gnern beim nächs­ten Mal ge­lingt, bei der Um­schlag­ge­stal­tung auf das vor­neh­me Schwarz zu ver­zich­ten. So dun­kel ist die Zu­kunft der Fest­spie­le si­cher nicht!