Peter Emmerich, der langjährige Pressesprecher der Bayreuther Festspiele, ist plötzlich und unerwartet im Alter von 61 Jahren gestorben.
Im letzten Festspielsommer war er noch ganz aufgeräumt unter anderem beim Wolfgang-Wagner-Symposium in der Villa Wahnfried zugange: Peter Emmerich, der drei Jahrzehnte lang der Ansprechpartner war für die Journalisten und Kritiker aus aller Welt, die über die Festspiele schreiben wollten. Am 11. Dezember ist er überraschend im Alter von 61 Jahren gestorben.
Natürlich hat Peter Emmerich getan, was Pressesprecher überall auf der Welt tun: Er hat im Zweifelsfall stets nur das gesagt und gemacht, was dem Haus zuträglich war – beziehungsweise seinem obersten Chef Wolfgang Wagner und dessen Nachfolgerinnen Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner. Für Journalisten war das zwangsläufig hin und wieder schwierig, denn die offizielle Sicht der Bayreuther Festspiele war und ist nicht immer deckungsgleich mit den Gegebenheiten. Zumal die Festspiele zumindest zu Lebzeiten Wolfgang Wagners (1919–2010) nichts anderes waren als ein auch mit öffentlichen Mitteln, aber überwiegend sich selbst finanzierender Familienbetrieb, in dem, wie die inzwischen 143-jährige Festspielgeschichte uns gelehrt hat, die Interessen von Teilen der Familie offensiv, um nicht zu sagen unnachgiebig verfolgt wurden. Dazu gehörten schon immer Versuche, kritische Journalisten in ihrer Arbeit zu behindern. Dass das in der Ära von Peter Emmerich auch mir passiert ist, konnte man unter anderem 2013 in dem Blog „Mein Wagner-Jahr“ auf www.infranken.de nachlesen, unter dem Titel „Heute ausnahmsweise in eigener Sache“.
Peter Emmerich stammte aus Dresden, wo auch seine berufliche Laufbahn begann. An der Semperoper, der damaligen Staatsoper Dresden, war er Regieassistent und lernte dort Festspielleiter Wolfgang Wagner kennen, der 1985 seine Bayreuther „Meistersinger“-Inszenierung mit der Tanz-Linde auf die Dresdener Bühne übertrug. Als 1988 eine „Holländer“-Neuinszenierung folgte, wurde Emmerich Regieassistent des Wagner-Enkels und wenig später – mit Genehmigung des zuständigen DDR-Ministeriums für Kultur – nach Bayreuth beurlaubt. In seiner Autobiografie „Lebens-Akte“ erinnerte sich Wolfgang Wagner, der dank seiner erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Dresdener Intendanten Gerd Schönfelder endlich neben Dirigenten und Gesangssolisten auch wieder Musiker, Inspizienten und Assistenten aus der DDR nach Bayreuth engagieren konnte, wie folgt:
„Für Peter Emmerich konnten wir im Frühjahr 1989 das Unikum erreichen, dass er für drei Jahre durch die hierfür zuständigen staatlichen Stellen der DDR von der Staatsoper Dresden beurlaubt wurde, um jenseits der Grenze, im seinerzeit ‚kapitalistischen‘ Ausland‘, an einer so wichtigen Stelle wie der des Bayreuther Pressebüros arbeiten zu können. […] Dass die veränderten politischen Verhältnisse es nach dem 9. November 1989 mit sich brachten, sein verlängertes Bleiben in Bayreuth nicht eines Tages zur ‚Republikflucht‘ werden zu lassen, stand damals noch nicht einmal in den Sternen zu lesen.“
Fast zwanzig Jahre später sollte sich herausstellen, dass die Freistellung des damaligen DDR-Bürgers für eine prominente Position im Kulturleben der BRD einen bitteren Beigeschmack hatte. Anfang 2010 berichtete die „Fränkische Zeitung“, ein Bayreuther Wochenblatt, erstmals darüber, dass Peter Emmerich ab 1977, also noch vor seiner Militärzeit bei der NVA, für einige Jahre unter dem Namen Frank Weber ein inoffizieller Stasi-Mitarbeiter war. Autor dieses Artikels war übrigens Thomas Erbe, der Ehemann der späteren Bayreuther Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe. Emmerich distanzierte sich deutlich: „Wer innerhalb des DDR-Systems und -Regimes aufgewachsen ist und gelebt hat, konnte rasch in Situationen geraten, die eine Zwangslage darstellten. Und nicht immer war der Mut vorhanden, sich ‚richtig‘ zu verhalten. Schuldzuweisungen sind im nachhinein oft allzu leicht. Was mich bewog, meine Unterschrift zu geben, weiß ich heute nicht mehr, bedaure es aber außerordentlich. Gleichwohl steht fest, dass die Vorgänge jener Zeit nicht im Geringsten irgendetwas mit meiner Tätigkeit bei den Bayreuther Festspielen oder diesen selbst zu tun haben. Auch ich wurde im Zuge meines Wechsels von Dresden nach Bayreuth intensiv bespitzelt und ausgeforscht. Als ich 1989 in Bayreuth ankam, hatte ich längst mit der DDR innerlich gebrochen und abgeschlossen. Heute nun stehe ich seit Jahrzehnten fest auf dem Boden des Grundgesetzes und bin voller Scham für einstige Verfehlungen.“
Die Stasi-Enthüllung hatte keine weiteren Folgen für Emmerich. Katharina Wagner, die zusammen mit ihrer Halbschwester erst ein gutes Jahr als Festspielleiterin fungierte, stellte sich hinter ihn. Emmerich war als „persönlicher künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter der Festspielleitung mit Schwerpunktbereich Medien und Programmheftredaktion“, wie seine Tätigkeit bei der Einstellung beschrieben wurde, längst zu einer Instanz geworden, auf die man nicht verzichten konnte. Er war, wenn es sein musste, die intellektuelle Speerspitze der Festspielleitung. Im Nachruf der Bayreuther Festspiele heißt es denn auch: „Gerade auch in heiklen Situationen verstand er es stets, den richtigen Tonfall und die angemessene Wortwahl zu finden, ohne seine überragende Bildung und Belesenheit zu Markte tragen zu müssen. Immer mit Freundlichkeit und Humor, aber wenn es sein musste auch mit überzeugendem Nachdruck hat er die Bayreuther Festspiele nach außen vertreten und alle, die ihn kannten, spüren lassen, dass die Seele dieses Unternehmens jene condition humana war und ist, aus denen auch die Werke Richard Wagners leben.“
Mein letzter, für ihn typischer E-Mail-Wechsel fand nach der „Meistersinger“-Wiederaufnahmepremiere 2019 statt:
Lieber Herr Emmerich, bitte informieren Sie mich, was mit dem Nachtwächter los war. Für eine Antwort bis 12 Uhr wäre ich dankbar.
Am 28.07.2019 um 09:30 schrieb Pressesprecher - Bayreuther Festspiele GmbH: Liebe Frau Beer, offenbar gab es ein akutes technisches Problem beim Einruf, d.h. in der betreffenden Garderobe kam der Einruf nicht an. Als man es bemerkte, war es zu spät für „zehne geschlagen“.
Danke. Blieb deshalb auch der Vorhang nach dem 2. Akt geschlossen?
Am 28.07.2019 um 10:36 schrieb Pressesprecher - Bayreuther Festspiele GmbH: Nein, da gibt es keinen Zusammenhang, zumal der Nachtwächter ja ohnehin nicht auftritt. Vielmehr hält Barrie Kosky einen Applaus-Vorhang nach dem 2. Aufzug aus gewiss nachvollziehbaren Gründen für unpassend.
Jetzt hat sich der Vorhang für Peter Emmerich auf immer geschlossen. Ein letztes ausführliches Interview mit ihm sendete der MDR erstmals am 27. Juli 2019.
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