Endlich staatstragend?

Sze­nen­bild der „Tristan“-Inszenierung der Bay­reu­ther Fest­spie­le: 3. Auf­zug: Eve­lyn Her­litzi­us (Isol­de), Ste­phen Gould (Tris­tan), Chris­ta May­er (Bran­gä­ne). Foto: Bay­reu­ther Fest­spie­le / En­ri­co Nawrath

 Wer über „Wan­del und Wech­sel“ in Bay­reuth nach­denkt, zi­tiert da­mit nicht nur Göt­ter­va­ter Wo­tan aus Ri­chard Wag­ners „Ring des Ni­be­lun­gen“. Son­dern lan­det bei­na­he zwangs­läu­fig bei Giu­sep­pe To­ma­si di Lam­pe­du­sa (1886–1957), der sei­nen li­te­ra­ri­schen Welt­ruhm der Fa­mi­li­en­sa­ga „Der Leo­pard“ (Il gat­to­par­do) ver­dankt, de­ren zen­tra­ler Satz lau­tet: „Wenn wir wol­len, dass al­les bleibt, wie es ist, dann ist es nö­tig, dass al­les sich ver­än­dert.“ Wie es scheint, ist das nicht nur das Mot­to des Ro­man­hel­den Tancre­di, son­dern auch der Ära von Neu­neu­bay­reuth. Be­zie­hungs­wei­se von Ka­tha­ri­na Wagner.

Die Nach­fol­ge von Wag­ner-En­kel Wolf­gang (1919–2010), der das 1973 in die Ri­chard-Wag­ner-Stif­tung ein­ge­gan­ge­ne Fa­mi­li­en-Un­ter­neh­men un­glaub­li­che 57 Jah­re ge­lei­tet hat­te, lief von vorn­her­ein und mit Ein­ver­ständ­nis von Bun­des-, Lan­des- und Lo­kal­po­li­tik auf sie hin­aus. Plan­voll wur­de 2007 die da­ma­li­ge Jung-Re­gis­seu­rin von den El­tern für ihr Hü­gel-De­büt mit den „Meis­ter­sin­gern“ en­ga­giert und in­sze­nier­te sich selbst da­bei als Me­di­en­dar­ling, plan­voll setz­te der schon grei­se Fest­spiel­chef noch sei­ne Un­ter­schrift un­ter den nächs­ten Bay­reuth-Re­gie­auf­trag für 2015, be­vor – nicht ganz so ge­plant – sei­ne zwei Töch­ter aus zwei Ehen ihn 2008 als Fest­spiel­in­ten­dant be­erb­ten. Da­zwi­schen lie­gen sie­ben Jah­re Ver­än­de­rung so­wohl in Hin­blick auf die Fest­spie­le ins­ge­samt als auch auf Ka­tha­ri­na Wag­ner als Re­gis­seu­rin und als jet­zi­ge Solo-Chefin.

Zwar ist es schon zehn Jah­re her, als mit Chris­toph Schlin­gen­siefs „Parsifal“-Inszenierung erst­mals die Ber­li­ner Volks­büh­nen-Äs­the­tik ins Fest­spiel­haus ein­zog und vie­le Wag­ne­ria­ner scho­ckier­te. Aber das Bay­reuth-De­büt der Wag­ner-Ur­en­ke­lin 2007 po­la­ri­sier­te letzt­lich noch mehr. Wie konn­te ein wasch­ech­ter Wag­ner­nach­kom­me aus­ge­rech­net die als Fest­oper von je her be­lieb­ten „Meis­ter­sin­gern“ so wüst auf den Kopf stel­len? Wür­de, so die ban­ge Fra­ge 2015, Ka­tha­ri­na wei­ter­ma­chen als Pu­bli­kums­schreck und „Tris­tan und Isol­de“ mit den hin­läng­lich be­kann­ten Zu­ta­ten des deut­schen De­kon­struk­ti­ons­thea­ters auf die Büh­ne des Fest­spiel­hau­ses werfen?

Kri­tik und Pu­bli­kum re­agie­ren wohlwollend

Die gute Nach­richt ist ein kla­res Jein, die schlech­te Nach­richt eben­so. Nein, die im Vor­feld von et­li­chen Me­di­en be­deu­tungs­schwan­ger als re­gie­li­che Meis­ter­prü­fung aus­ge­ru­fe­ne „Tristan“-Inszenierung wur­de vom Pu­bli­kum und vie­len Kri­ti­kern er­staun­lich wohl­wol­lend auf­ge­nom­men. So als ob die un­ge­wöhn­lich lan­ge Vor­be­rei­tungs­zeit – die letz­te In­sze­nie­rung Ka­tha­ri­na Wag­ners war 2011 „Tief­land“ in Mainz, nur noch ge­folgt vom vor­zei­ti­gen Aus­stieg aus dem frag­wür­di­gen „Ring“-Projekt in Bue­nos Ai­res – auch ein ent­spre­chend in­ten­si­ves Er­geb­nis ge­zei­tigt hät­te. Da­von kann lei­der nicht die Rede sein.

Denn ers­tens schei­tert die In­sze­na­to­rin über wei­te Stre­cken dar­in, durch ent­spre­chen­de Fi­gu­ren­zeich­nung al­len Prot­ago­nis­ten ein schlüs­si­ges und die Zu­schau­er be­rüh­ren­des Pro­fil zu ge­ben. Dass ein Büh­nen­tier wie Eve­lyn Her­litzi­us schau­spie­le­risch eine pa­cken­de Isol­de ab­ge­ben wür­de, war von vorn­her­ein klar, hat aber hand­werk­lich kaum et­was mit der Per­so­nen­füh­rung zu tun, die zwar für Be­we­gung sorgt, aber Still­stand pro­du­ziert. Was sich un­schwer an dem so­li­de sin­gen­den, aber eher brä­sig wir­ken­den Tris­tan von Ste­phen Gould ab­le­sen lässt. Erst recht an Ge­org Zep­pe­n­feld als Kö­nig Mar­ke, den die Wi­der­sprü­che zwi­schen dem, was er zu sin­gen und zu spie­len hat, ei­gent­lich zer­rei­ßen müss­ten. Oder an der pro­ba­ten Sän­ger­dar­stel­le­rin Chris­ta May­er, die als Bran­gä­ne ein­glei­sig dazu ver­dammt ist, eine ru­he­los her­um­wu­seln­de, stän­dig am Rock­band nes­teln­de Sub­al­ter­ne zu sein. Und an Iain Pa­ter­son, der als Kur­we­nal im Kampf mit den un­er­bitt­li­chen Ge­fäng­nis­büh­nen­bil­dern nur ein mü­der Ab­klatsch sei­ner Kol­le­gen aus dem vo­ri­gen Bay­reu­ther „Tris­tan“ von Chris­toph Mar­tha­ler ist.

Die Re­gie be­haup­tet nur und sagt nichts

Zwei­tens setzt Ka­tha­ri­na Wag­ner nach wie vor, jetzt aber nur mehr halb­her­zig ein die Ge­ge­ben­hei­ten der Oper um­stül­pen­des Kon­zept um, das nur be­haup­tet und nichts be­glau­bigt. Zwar hat schon Tho­mas Mann kon­sta­tiert, dass es den Lie­bes­trank gar nicht bräuch­te, nur müss­te das sze­nisch plau­si­bel un­ter­mau­ert wer­den (was üb­ri­gens auch dem re­gie­hand­werk­lich über Zwei­fel er­ha­be­nen Pe­ter Kon­wit­sch­ny in sei­ner Münch­ner „Tristan“-Inszenierung nicht ge­lun­gen ist). Es reicht eben nicht, dass Tris­tan und Isol­de im Trep­pen-La­by­rinth à la Pi­ra­ne­si und M.C. Escher des 1. Akts ma­gne­tisch auf­ein­an­der zu­ra­sen, den Braut­schlei­er zer­rei­ßen und den Trank ver­schüt­ten, in der Fol­ter­kam­mer des 2. Akts un­ter Such­schein­wer­fern ihr pro­vi­so­ri­sches Lie­bes­nest mit Leucht­ster­nen be­hän­gen und spä­ter Selbst­mord in ei­nem Thea­ter­blut spen­den­den, mul­ti­funk­tio­na­len Fahr­rad­stän­der be­ge­hen wollen.

Wozu dann noch der 3. Akt? Da­mit Lars von Triers Kon­zept der „be­rei­chern­den Dun­kel­heit“ an­satz­wei­se doch noch auf der Fest­spiel­haus­büh­ne rea­li­siert wer­den kann? Da­mit Tris­tan in sei­nem Fie­ber- oder Ster­be­wahn in ma­gi­schen Drei­ecken im­mer wie­der Isol­den sieht, die mal steif winkt wie eine So­lar-Queen, mal den Kopf ver­liert, mal blu­tet, mal den Braut-, dann den Wit­wen­schlei­er trägt und sich ins Nichts auf­löst, wenn er sie um­ar­men will? Da­mit Ka­tha­ri­na Wag­ner, weil das so eben­falls noch nicht zu se­hen war, mir nichts, dir nichts aus Mar­ke ei­nen Bö­se­wicht in Senf­gelb und mit Schnapp­mes­ser ma­chen kann, der mit der Fi­gur, wie sie im Li­bret­to steht und kom­po­niert ist, rein gar nichts mehr am Hut hat?

Na­tür­lich hat die Wag­ner-Ur­en­ke­lin von klein auf jede Men­ge gute, wirk­sa­me, ja ge­nia­le Thea­ter­bil­der ge­se­hen und ver­in­ner­licht, de­rer sie sich auf ihre Wei­se be­dient. Dar­aus und aus ein paar neu­en Ideen mischt sie ihre „In­sze­nie­rung“, die, wenn man ge­nau­er hin­sieht, kaum ei­nen re­gie­hand­werk­li­chen Feh­ler aus­lässt und den künst­le­ri­schen Wil­len, das künst­le­ri­sche Kön­nen ver­mis­sen lässt, dar­aus ein schlüs­si­ges Gan­zes zu ma­chen. Sie hat letzt­lich kei­ne ei­ge­ne Hand­schrift. Kon­zep­tu­ell wa­ren nur ihre ers­ten fünf, noch von dem Dra­ma­tur­gen Ro­bert Sol­lich ge­form­ten Re­gie­ar­bei­ten zu­min­dest dis­kus­si­ons­wür­dig. Mit ih­ren jetzt sehr un­ter­schied­lich be­gab­ten Aus­stat­tern, Dra­ma­tur­gen und As­sis­ten­ten er­reicht sie – un­ter gro­ßem büh­nen­tech­ni­schen und fi­nan­zi­el­lem Auf­wand – bes­ten­falls ge­ho­be­nes Stadttheaterniveau.

Das Pu­bli­kum sieht über die­se Mit­tel­mä­ßig­keit gern hin­weg, weil die mu­si­ka­li­sche Um­set­zung teil­wei­se noch je­nen Aus­nah­merang er­reicht, den man von der Mut­ter al­ler Fest­spie­le er­war­tet. Nicht zu ver­ges­sen die be­son­de­re Aura des Fest­spiel­hau­ses, in des­sen Au­di­to­ri­um vie­le schon des­halb ju­beln, weil sie es ge­schafft ha­ben, über­haupt dort zu sein (was al­ler­dings heut­zu­ta­ge gar nicht mehr schwie­rig ist, denn Kar­ten sind kei­ne Man­gel­wa­re mehr). Und na­tür­lich gibt es auch in Ka­tha­ri­na Wag­ners „Tristan“-Inszenierung im­mer wie­der Pas­sa­gen – meist sind es die eher ru­hi­gen, sta­ti­schen, um nicht zu sa­gen lang­wei­li­gen –, die es dem kun­di­gen Zu­schau­er er­mög­li­chen, den De­kon­struk­ti­ons­ham­mer zu ver­drän­gen und auf der ge­ge­be­nen Ober­flä­che in an­de­re, ei­ge­ne „Tristan“-Welten ein­zu­tau­chen, was, selbst­re­dend un­ter an­de­ren Vor­zei­chen, schon bei den Re­gie­ar­bei­ten ih­res Va­ters pri­ma funk­tio­niert hat. Zu­mal sie sich dies­mal ei­ner zeit­los-abs­trak­ten Aus­stat­tungs­äs­the­tik be­dient, die zwar in sich nicht schlüs­sig ist und funk­tio­nell zu­wei­len ge­ra­de­zu be­lei­di­gend hakt, da­für aber sän­ger­freund­lich ge­baut und eine Fo­lie für schö­ne Mo­ment­auf­nah­men ist (Büh­ne: Frank Phil­ipp Schlöß­mann, Mat­thi­as Lip­pert; Kos­tü­me: Tho­mas Kai­ser, Licht: Rein­hard Traub).

Nur ein Hauch von Metaphysischem

Die wohl schöns­te und längs­te Mo­ment­auf­nah­me lie­fert der 2. Akt, wenn Tris­tan und Isol­de Hand in Hand, mit dem Rü­cken zum Pu­bli­kum, die her­nie­der­sin­ken­de Lie­bes­nacht be­sin­gen und sich ge­spie­gelt in ei­ner Vi­deo­pro­jek­ti­on lang­sam und von­ein­an­der ge­trennt ent­fer­nen. Hier ver­bin­den sich Sze­ne und Mu­sik am stärks­ten, lei­der nur hier streift die Pro­duk­ti­on das Me­ta­phy­si­sche – ein Kern die­ses Wag­ner­werks, was die In­sze­na­to­rin laut In­ter­view mit dem Baye­ri­schen Rund­funk al­ler­dings nicht son­der­lich interessiert.

Zum Ende hin ist na­tür­lich noch­mals al­les an­ders. Wenn Isol­de am To­ten­bett Tris­tans in grel­lem Licht ihr ver­klär­tes „un­be­wusst –, höchs­te Lust!“ ver­haucht hat, muss der Di­ri­gent die letz­ten Tak­te schwer aus­deh­nen, da­mit der an­geb­lich ma­fiö­se Macht­mensch Mar­ke Isol­de an sich rei­ßen und wie ein Beu­te­tier ab­schlep­pen kann ins künf­ti­ge Ehe­le­ben. Was ler­nen wir dar­aus? Bes­ten­falls, dass ein an­de­rer Blick­win­kel kei­ne neu­en Er­kennt­nis­se bringt, wenn er am We­sent­li­chen vorbeigeht.

War­um die bru­ta­le Schluss­lö­sung nicht aus­ge­buht wur­de – ha­sen­her­zig stell­te sich die Re­gis­seu­rin bei der Pre­mie­re nur im Team und nur Se­kun­den dem Pu­bli­kum –, liegt un­ter an­de­rem am bril­lan­ten Fest­spiel­or­ches­ter und dem sou­ve­rän, frisch und ana­ly­ti­scher als frü­her ans Werk ge­hen­den Di­ri­gen­ten Chris­ti­an Thie­le­mann. Die lan­ge „Tristan“-Pause hat dem Wag­ner- und Bay­reuth-Spe­zia­lis­ten hör­bar gut ge­tan. Was er aus den In­stru­men­ta­lis­ten an Fein­hei­ten her­aus­holt, wie er mit ih­nen die Par­ti­tur mal über­ra­schend schnell aus­legt, dann wie­der ei­nen fast zeit­los schei­nen­den Schwe­be­zu­stand er­reicht, ist großartig.

Ein gro­ßer Sän­ger-Di­ri­gent ist er aber nicht. Zwar ab­sor­biert er de­ren Auf­merk­sam­keit – kei­ne Blick­ver­bin­dung zwi­schen den Fi­gu­ren auf der Büh­ne hält, weil alle So­lis­ten im­mer wie­der nach un­ten zu Thie­le­mann in den Or­ches­ter­gra­ben schau­en –, aber wer so vie­le Un­ge­nau­ig­kei­ten in In­to­na­ti­on, Rhyth­mik und Dy­na­mik durch­ge­hen lässt, hat als frisch­ge­ba­cke­ner Mu­sik­di­rek­tor et­was falsch ge­macht. Sän­ge­risch her­aus­ra­gend war bei der be­such­ten zwei­ten Vor­stel­lung nur Ge­org Zep­pe­n­felds Kö­nig Mar­ke, gut bis be­frie­di­gend die wei­te­ren So­lis­ten – stimm­lich et­was au­ßer Kon­kur­renz die in­mit­ten an­stren­gen­der Elek­tra-En­ga­ge­ments ohne viel Pro­ben­zeit ein­ge­sprun­ge­ne Eve­lyn Her­litzi­us, die aber als ein­zi­ge eine über­zeu­gen­de, rol­len­ge­recht sich ent­äu­ßern­de Fi­gur gestaltet.

Die neue Che­fin als „star­ke Frau“

Auch die Wie­der­auf­nah­me­pre­mie­ren im Fest­spiel­haus wur­den über­wie­gend be­ju­belt. Was bei der heu­er letzt­ma­lig ge­ge­be­nen, in­tel­li­gen­ten, hin­rei­ßend zwi­schen Er­ha­ben­heit, bö­sem Hin­ter­sinn und Lä­cher­li­chem chan­gie­ren­den und so­lis­tisch her­vor­ra­gend be­setz­ten „Lohengrin“-Inszenierung von Hans Neu­en­fels kein Wun­der ist. Eher schon bei Jan Phil­ipp Glo­gers „Holländer“-Version, die zwar wie alle Fest­spiel­auf­füh­run­gen of­fi­zi­ell aus­ver­kauft war, aber schon in der Pre­mie­re vor nicht voll­be­setz­ten Zu­schau­er­rei­hen ab­lief. Wer in­ter­es­siert sich schon, wie selbst der lo­ka­le Kri­ti­ker schrieb, für blas­se Repertoire-Vorstellungen?

Bay­reuths Buh­mann Num­mer 1 darf mit sei­nen in­zwi­schen vier „Siegfried“-Krokodilen nach wie vor Frank Cas­torf sein, selbst wenn der Pro­test ge­gen sei­ne zy­ni­sche „Ring“-Sicht nur noch ein Pro­test­lein ist. Dass der lei­der schei­den­de, phä­no­me­na­le „Ring“-Dirigent Ki­rill Pe­tren­ko noch­mals Be­geis­te­rungs­stür­me aus­lö­sen wür­de, war klar. Umso be­schä­men­der, dass er nach sei­ner letz­ten „Göt­ter­däm­me­rung“ kei­nen Ab­schieds­vor­hang mit dem Or­ches­ter auf der Büh­ne be­kam. Wie un­sou­ve­rän, un­künst­le­risch und klein­geis­tig müs­sen die Fest­spiel­lei­tung und ihr Mu­sik­di­rek­tor sein, dass sie dem von Kri­tik und Pu­bli­kum ein­hel­lig ge­fei­er­ten, stets be­schei­den den Ap­plaus ans Or­ches­ter wei­ter­ge­ben­den Meis­ter Pe­tren­ko ver­wehrt ha­ben, was in Bay­reuth jahr­zehn­te­lang ein gu­ter und vom Pu­bli­kum er­war­te­ter Brauch war.

Vor und nach dem Pre­mie­ren­rei­gen ver­brei­te­ten et­li­che Me­di­en üb­ri­gens fast wie be­stellt ein we­nig rea­lis­ti­sches, da­für umso mehr idea­li­sie­ren­des Bild von Ka­tha­ri­na Wag­ner als „star­ker Frau“. Es sieht also so aus, als könn­te die 37-Jäh­ri­ge ge­las­sen in die Zu­kunft bli­cken. Ihr Name steht nach au­ßen hin jetzt für eine Re­gie, die ge­wis­ser­ma­ßen als staats­tra­gend an­kommt. Was den gu­ten Wil­len all je­ner Bay­reuth-Be­su­cher il­lus­triert, die in ihr – dank ent­spre­chen­der Gene – eine be­deu­ten­de Wag­ner­re­gis­seu­rin se­hen, die sie mit­nich­ten ist. Im Grun­de funk­tio­niert Bay­reuth jetzt wie der Hof­staat des nack­ten Kai­sers, der des­sen nicht vor­han­de­ne Klei­dung be­ju­belt. Fehl­te nur noch, dass sie sich ent­ge­gen an­ders­lau­ten­der Aus­sa­gen am Ende doch noch selbst be­auf­tragt, 2020 den nächs­ten „Ring“ zu inszenieren.

Kein Ende der Macht­kämp­fe in Sicht

Ka­tha­ri­na Wag­ners Name steht na­tür­lich auch für die Neue­run­gen, Um­struk­tu­rie­run­gen und Ver­än­de­run­gen der letz­ten sie­ben Jah­re bei den Fest­spie­len. Mit Kin­der-Oper, Pu­blic-Vie­w­ing, Kino- und Fern­seh­über­tra­gun­gen und On­line-Kar­ten­ver­kauf hat sie für Schlag­zei­len ge­sorgt – und erst recht mit Plei­ten, Pech, Pan­nen und Pein­lich­kei­ten al­ler Art. Es fällt auf, dass sie sich in­zwi­schen al­len öf­fent­li­chen und re­prä­sen­ta­ti­ven Auf­trit­ten ent­zieht, was un­kri­ti­sche Me­di­en im­mer noch mit ih­ren ver­al­te­ten Mo­del-Fo­tos ka­schie­ren. Zur Pres­se­kon­fe­renz er­schie­nen we­der sie noch ihre Halb­schwes­ter noch der neue Mu­sik­di­rek­tor, selbst zur Eh­rung lang­jäh­ri­ger Mit­wir­ken­der durch die Stadt Bay­reuth kam sie nicht, ob­wohl sie selbst auch aus­ge­zeich­net wer­den soll­te. In­ter­views gibt sie so­wie­so nur noch hand­ver­le­se­nen Jour­na­lis­ten, zum Sai­son­ab­schluss gab sie der Lo­kal­zei­tung gnä­dig nur schrift­lich Ant­wor­ten, de­nen selbst­ver­ständ­lich zu ent­neh­men war, dass al­les bes­tens sei. So viel zur neu­en Of­fen­heit und Transparenz.

Wie auch im­mer: Der vor­mals pa­tri­ar­cha­lisch ge­führ­te Fa­mi­li­en­be­trieb wur­de in ih­rer ers­ten Amts­zeit, die sie bis Fest­spie­len­de noch mit ih­rer Halb­schwes­ter Eva Wag­ner-Pas­quier teil­te, in sicht­lich nur schwer zu len­ken­de Staats­fest­spie­le um­ge­baut, bei de­nen als Ge­sell­schaf­ter der Fest­spiel-GmbH in ers­ter Li­nie Po­li­ti­ker, Be­am­te und Ver­eins­ho­no­ra­tio­ren das Sa­gen ha­ben. Aber selbst wenn die neue Che­fin am Grü­nen Hü­gel in ih­ren Ent­schei­dun­gen nur noch sel­ten frei ist, ging und geht es letzt­lich im­mer auch dar­um, den ei­ge­nen Be­sitz­stand, die ei­ge­ne Macht zu si­chern – wie beim ein­gangs er­wähn­ten „Gat­to­par­do“ und bei Wo­tan in Wag­ners un­ver­gleich­li­chem „Ring“, des­sen Bot­schaft auch für Wag­ner-Ur­en­ke­lin­nen lehr­reich sein dürf­te, ob sie nun Amé­lie, Da­gny, Daph­ne, Eva, Ka­tha­ri­na, Nike, Ve­re­na oder Wi­nif­red heißen.

Pre­mie­re am 25. Juli 2015, be­such­te zwei­te Vor­stel­lung am 2. August.