Idealistinnen am laufenden Band

Da­gny Beid­ler (2. von links) und Eva Rie­ger (2. von rechts) sind am 5. April un­se­re nächs­ten Re­fe­ren­tin­nen . Un­ser Foto zeigt ins­ge­samt vier Wag­ner-Ur­en­ke­lin­nen im Som­mer 2012 bei der Buch-Prä­sen­ta­ti­on von Eva Rie­gers Bio­gra­fie über de­ren Tan­te Frie­de­lind vor dem Haus Wahn­fried (von links): Daph­ne Wag­ner, Da­gny Beid­ler, Nike Wag­ner, Eva Rie­ger und die 2014 ver­stor­be­ne Iris Wag­ner. Foto: Karl­heinz Beer 

Wag­ner-Ur­en­ke­lin Da­gny Beid­ler und die fe­mi­nis­ti­sche Wag­ner­au­torin Eva Rie­ger spre­chen am 5. April über die in vie­ler­lei Hin­sicht aus dem Rah­men fal­len­de Wag­ne­ria­ne­rin Mal­wi­da von Meysenbug.

Schon wie­der wird erst­mals eine Wag­ner-Ur­en­ke­lin in Bam­berg zu er­le­ben sein: Nach Nike Wag­ner im Fe­bru­ar kommt am 5. April 2016 Da­gny Beid­ler zu uns, die En­ke­lin von Isol­de Beid­ler, der un­ehe­li­chen und aus Erb­fol­ge­grün­den zu­guns­ten Sieg­fried Wag­ners auch spä­ter nicht le­gi­ti­mier­ten ers­ten Toch­ter von Ri­chard und Co­si­ma Wag­ner. Ge­mein­sam mit der Mu­sik­wis­sen­schaft­le­rin, Wag­ner­au­torin und Fe­mi­nis­tin Prof. Dr. Eva Rie­ger spricht sie um 19.30 Uhr im Saal der Stadt­bü­che­rei Bam­berg (Obe­re Kö­nig­stra­ße 4a) über Mal­wi­da von Mey­sen­bug, Wag­ner und sei­ner Familie.

Die durch­aus enge Be­zie­hung zwi­schen der Schrift­stel­le­rin Mal­wi­da von Mey­sen­bug (1816–1903) und der Fa­mi­lie Wag­ner ist bis­lang kaum auf­ge­ar­bei­tet wor­den. Schließ­lich leb­te Mal­wi­da, die be­kannt wur­de durch ihre erst­mals 1869 an­onym auf Fran­zö­sisch er­schie­ne­nen und spä­ter im­mer wie­der auf­ge­leg­ten au­to­bio­gra­phi­schen Me­moi­ren ei­ner Idea­lis­tin, zeit­wei­lig so­gar auf Wunsch von Co­si­ma und Ri­chard Wag­ner in Wahn­fried mit der gan­zen Fa­mi­lie zusammen.

Wer war Mal­wi­da von Mey­sen­bug über­haupt? Auf je­den Fall kei­ne Frau, die Wag­ners Vor­stel­lun­gen ent­sprach, denn er moch­te kei­ne ge­bil­de­ten Frau­en und sprach von Blau­strümp­fen. Sie stell­te sich schon in ih­rer Ju­gend ge­gen ihre kon­ser­va­tiv-aris­to­kra­ti­sche Fa­mi­lie und kämpf­te für das Recht auf Bil­dung für Frau­en und war auf Sei­ten der Re­vo­lu­ti­on. Sie dach­te zeit­le­bens de­mo­kra­tisch-li­be­ral im Ge­gen­satz zu Wag­ner, der sich un­ter Lud­wig II. der Mon­ar­chie ver­schrie­ben hat­te. Ihr Mot­to war: „Von we­ni­gen ge­liebt, von al­len geachtet.“

Ri­chard Wag­ners ers­tes Tref­fen mit ihr ver­lief denk­bar schlecht. Er merk­te je­doch – und das schmei­chel­te ihm auch –, dass sie sei­ne Schrif­ten ge­nau ge­le­sen hat­te und von sei­ner Idee ei­ner För­de­rung der Be­völ­ke­rung durch „ge­ho­be­nen kul­tu­rel­len“ Ge­nuss be­geis­tert war. „In den Schrif­ten Wag­ners hat­te ich die voll­ende­te Theo­rie des­sen ge­fun­den, was ich in un­be­stimm­ten Zü­gen emp­fun­den und ge­ahnt hat­te“, schrieb sie. Bis da­hin hat­te sie noch kei­ne Note sei­ner Mu­sik gehört.

Sie nahm an der Grund­stein­le­gung in Bay­reuth ge­nau­so teil wie an der Er­öff­nung der Fest­spie­le 1876 – und ihre Be­rich­te wer­den Ge­gen­stand des Vor­trags sein. Die Wag­ner- und Co­si­ma-Kin­der lieb­ten sie ab­göt­tisch und nann­ten sie „Mut­ter“. Sie küm­mer­te sich sehr um Sieg­fried und ver­such­te, ihn von sei­nem An­ti­se­mi­tis­mus ab­zu­brin­gen. Für sie wa­ren alle Völ­ker gleich, da­durch un­ter­schied sie sich auch von der Fa­mi­lie Wag­ner. Den­noch ver­trug man sich und die leb­haf­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen führ­ten nie zu ei­nem Ab­bruch der Freundschaft.

Zwi­schen Co­si­ma und Mal­wi­da ent­wi­ckel­te sich eine gro­ße Ver­bun­den­heit. Es war wohl Mal­wi­das Fein­ge­fühl und ihre aris­to­kra­ti­sche Kind­heit, die ihr den Zu­gang zu und den Um­gang mit Co­si­ma er­leich­ter­te. Frei­lich tra­fen sich die zwei doch sehr un­ter­schied­li­chen Frau­en in ei­ni­gen Punk­ten, und die­se wa­ren ih­nen wich­tig ge­nug, um an ih­rer Freund­schaft fest­zu­hal­ten: den Kom­po­nis­ten, Ri­chard Wag­ner, in sei­ner Schaf­fens­kraft um je­den Preis zu un­ter­stüt­zen und die Idee ei­nes Fest­spiel­or­tes für sei­ne Wer­ke zu realisieren.

Zur Person/​Die Referentinnen
Da­gny Ri­car­da Beid­ler, ge­bo­ren in Zü­rich 1942, Aus­bil­dung zur Pri­mar­leh­re­rin, an­schlies­send Stu­di­um der eng­li­schen Spra­che und Ge­schich­te. Stu­di­en­auf­ent­hal­te in Gross­bri­tan­ni­en und den USA. Lauf­bahn als Stu­di­en­rä­tin MBA an Gym­na­si­um in Zü­rich bis zur Pen­sio­nie­rung 2004. In­ten­si­ve Be­schäf­ti­gung mit der Fa­mi­lie ih­rer Groß­mutter Isol­de und der Fa­mi­lie Beid­ler. Ver­öf­fent­lich­te ei­nen Bei­trag zur Freund­schaft ih­res Va­ters, Franz W. Beid­ler, mit Tho­mas Mann für den Aus­stel­lungs­ka­ta­log in Lü­beck über Tho­mas Mann und Wag­ner und ein Buch über Isol­des Il­lus­tra­tio­nen zu Wag­ners 67. Ge­burts­tag: Für Ri­chard Wag­ner! Die »Ro­sen­stö­cke-Bil­der« sei­ner Toch­ter Isol­de. Köln et al.: Böhlau 2013. Wei­te­re re­di­gie­ren­de und re­cher­chie­ren­de Ar­beit an di­ver­sen wis­sen­schaft­li­chen Ar­bei­ten. Sie lebt mit ih­rem Mann in Win­ter­thur, Schweiz.

Eva Rie­ger, ge­bo­ren auf der In­sel Man 1940, stu­dier­te Mu­sik­päd­ago­gik, Mu­sik­wis­sen­schaft und An­glis­tik in Ber­lin. Sie war als Aka­de­mi­sche Rä­tin an den Uni­ver­si­tä­ten Göt­tin­gen und Hil­des­heim tä­tig, 1990 Er­nen­nung zur Pro­fes­so­rin für So­zi­al­ge­schich­te der Mu­sik an der Uni­ver­si­tät Bre­men. Sie hat ei­ni­ge Bü­cher zu Ri­chard Wag­ner und des­sen Um­feld ver­öf­fent­licht, u.a. Min­na und Ri­chard Wag­ner. Sta­tio­nen ei­ner Lie­be. Düs­sel­dorf: Ar­te­mis & Wink­ler 2003, Ta­schen­buch-Aus­ga­be 2007, zwei­te, über­ar­bei­te­te Auf­la­ge in Vor­be­rei­tung; Leuch­ten­de Lie­be, la­chen­der Tod. Ri­chard Wag­ners Bild der Frau im Spie­gel sei­ner Mu­sik. Düs­sel­dorf: Ar­te­mis & Wink­ler 2009 (engl. Über­set­zung Boy­dell 2011); zus. mit Hil­trud Schroe­der: Ein Platz für Göt­ter. Ri­chard Wag­ners Wan­de­run­gen in der Schweiz. Köln: Böhlau 2009; Frie­de­lind Wag­ner. Die re­bel­li­sche En­ke­lin Ri­chard Wag­ners. Mün­chen: Pi­per 2012 (engl. Über­set­zung Boy­dell 2013). Im Juli er­scheint ihre Bio­gra­phie der Sän­ge­rin Fri­da Lei­der, die in der NS-Zeit als „jü­disch Ver­sipp­te“ in Bay­reuth sang, aber dann ent­fernt wur­de: Fri­da Lei­der – Sän­ge­rin im Zwie­spalt ih­rer Zeit. Hil­des­heim: Olms 2016.

Die Ver­an­stal­tung in Zu­sam­men­ar­beit mit der Stadt­bü­che­rei Bam­berg am 5. April im Saal der Stadt­bü­che­rei im Dach­ge­schoss be­ginnt um 19.30 Uhr; der Ein­lass ist um 19 Uhr, es gibt eine klei­ne Aus­wahl an Ge­trän­ken. Im An­schluss an den Vor­trag be­steht die Mög­lich­keit zum un­ge­zwun­ge­nen Mei­nungs­aus­tausch auch mit den bei­den Re­fe­ren­tin­nen; ei­ni­ge Bü­cher mit Au­to­gram­men der Au­torin­nen gibt es auch zu kau­fen. Der Ein­tritt ist frei, Nicht-Mit­glie­der sind willkommen.