Ein Blaustrumpf als Bildungslücke

Die fe­mi­nis­ti­sche Mu­si­ko­lo­gin Eva Rie­ger (links), Wag­ner-Ur­en­ke­lin Da­gny Beid­ler (rechts) und im Hin­ter­grund ein Bild­nis von Mal­wi­da von Mey­sen­bug Foto: Anja Hartmann

Dass Ri­chard Wag­ner die un­ter­schied­lichs­ten Men­schen in sei­nen Bann zie­hen konn­te, ist be­kannt. Für vie­le eine Bil­dungs­lü­cke schloss sich am 5. April mit dem ge­mein­sa­men Vor­trag von Wag­ner-Ur­en­ke­lin Da­gny Beid­ler aus dem schwei­ze­ri­schen Win­ter­thur und der fe­mi­nis­ti­schen Mu­si­ko­lo­gin Eva Rie­ger aus Va­duz in Liech­ten­stein über Mal­wi­da von Mey­sen­bug (1816–1903). Die aus Kas­sel stam­men­de Schrift­stel­le­rin war nicht nur eine sehr er­folg­rei­che Au­torin, de­ren Me­moi­ren ei­ner Idea­lis­tin sich zum Miss­fal­len Wag­ners bes­ser ver­kauf­ten als des­sen Au­to­bio­gra­fie, son­dern war eine po­li­tisch auf­ge­klär­te, de­mo­kra­tisch und li­be­ral ge­sinn­te Frau, die aus gu­tem Grund als eine Vor­läu­fe­rin der Frau­en­eman­zi­pa­ti­on gilt. Dass sie eine Idea­lis­tin war, lässt sich schon dar­an ab­le­sen, dass sie sich trotz ih­rer ade­li­gen Her­kunft mit Herz und Hirn der 1848er Re­vo­lu­ti­on ver­schrieb und als un­ver­hei­ra­te­tes Fräu­lein zeit­le­bens für das Recht der Frau­en auf Bil­dung und Ar­beit kämp­fen sollte.

„Noch sah ich mei­nen Weg nicht klar“, schrieb sie in ih­ren Er­in­ne­run­gen über ihre jun­gen Jah­re, „wuss­te noch nicht, wie ich ver­wirk­li­chen soll­te, was sich in mei­nen Ge­dan­ken be­weg­te, aber ich fühl­te, dass das Ziel mei­nes Le­bens hin­fort sein wer­de, an der Eman­zi­pa­ti­on der Frau­en von den en­gen Gren­zen, wel­che die Ge­sell­schaft ih­rer Ent­wick­lung ge­steckt hat, und von den Klein­lich­kei­ten und der Un­wis­sen­heit, wel­che die Fol­gen da­von wa­ren, ar­bei­ten zu hel­fen.“ Was das kon­kret im 19. Jahr­hun­dert be­deu­te­te, schil­der­ten die Re­fe­ren­tin­nen ein­präg­sam am Bei­spiel von Mal­wi­das Brot­be­ruf in ih­rem bri­ti­schen Exil als Haus­leh­re­rin und Gouvernante.

Er­staun­li­cher­wei­se war sie schon auf­grund ei­ni­ger theo­re­ti­scher Schrif­ten und noch in Un­kennt­nis der Mu­sik eine Wag­ne­ria­ne­rin. Auf das ers­te, noch küh­le Tref­fen der bei­den in Lon­don, wo Mal­wi­da zeit­wei­se leb­te, folg­ten vie­le wei­te­re, dar­un­ter zur aus­ge­pfif­fe­nen Tann­häu­ser-Ur­auf­füh­rung in Pa­ris und den ers­ten Fest­spiel-Auf­füh­run­gen in Bay­reuth. Sie fand Auf­nah­me in den engs­ten Freun­des- und Fa­mi­li­en­kreis, ob­wohl Wag­ner ge­bil­de­te und eman­zi­pier­te Frau­en wie sie sonst ger­ne als Blau­strümp­fe be­zeich­ne­te, war in Wahn­fried eben­so ger­ne ge­se­hen wie bei di­ver­sen Auf­ent­hal­ten der Wag­ners in Ita­li­en, wo Mal­wi­da sich zu­letzt niederließ.

Der in­for­ma­ti­ve und in­spi­rie­ren­de Vor­trag ge­wann sei­ne Le­ben­dig­keit auch durch die ab­wech­selnd, mit un­ter­schied­li­chen Stimm- und Dia­lekt­far­ben spre­chen­den Re­fe­ren­tin­nen, die an­schlie­ßend ei­ni­ge ih­rer Bü­cher si­gnier­ten und sich mit den Be­su­chern, die in den schö­nen Dach­ge­schoss-Saal der Stadt­bü­che­rei ge­kom­men wa­ren, noch län­ger an­ge­regt aus­tausch­ten. Beid­ler und Rie­ger wa­ren üb­ri­gens schon tags zu­vor ge­kom­men und konn­ten un­ter an­de­rem auf Ein­la­dung der Bam­ber­ger Sym­pho­ni­ker das le­gen­dä­re Du­til­leux- und Mahler­kon­zert mit der So­pra­nis­tin Bar­ba­ra Han­nig­an und der Al­tis­tin Ger­hild Rom­ber­ger un­ter Jo­na­than Nott er­le­ben, was die nicht erst seit dem halb­kon­zer­tan­ten Ring in Lu­zern schon vor­han­de­ne Be­geis­te­rung der bei­den für un­ser Or­ches­ter nur noch grö­ßer mach­te. Apro­pos Lu­zern: In Bam­berg fand die Pre­mie­re ih­res Mey­sen­bug-Vor­trags statt, die nächs­te Sta­ti­on wird im No­vem­ber die Wag­ner­vil­la in Trib­schen sein.

Da­gny Beid­ler (rechts), Eva Rie­ger (links) und RWV-Vor­sit­zen­de Ja­sen­ka Roth nach dem Mey­sen­bug-Vor­trag in Saal der Stadt­bü­che­rei Foto: Anja Hartmann