Richard Wagner – Die Inszenierung eines Lebens heißt die neue Biografie, in der der Musiker, Musikschriftsteller und Musik-Antiquar Dr. Ulrich Drüner aus Stuttgart Wagner in all seinen gegensätzlichen Facetten zeigt. Und zwar ohne die sonst gerne üblichen Beschönigungen oder Verteufelungen, was der Biografie auch prompt die Auszeichnung Buch des Jahres bei der internationalen Fachzeitschrift Opernwelt einbrachte. Ulrich Drüner (Foto: privat) stellt seine Sicht auf Wagners Leben am 21. Februar 2017 um 19.30 Uhr im Hotel Bamberger Hof vor. veröffentlicht wurde.
Postfaktische Techniken schreibt man heute natürlich dem amerikanischen Präsidenten zu. Aber Richard Wagner? Der Stuttgarter Antiquar, Bratscher und Musikwissenschaftler Ulrich Drüner hat genau das getan, allerdings nicht mit diesem Ausdruck, denn der kam erst so richtig auf, als seine neue und tatsächlich auch mit Neuem aufwartende Biografie Richard Wagner. Die Inszenierung eines Lebens (Blessing Verlag, 832 S., mit 123 Abbildungen) schon auf dem Markt war. Aber immerhin ein Journalist schrieb daraufhin, dass Wagner unter anderem „ein Virtuose in der Handhabung postfaktischer Techniken“ und somit gewissermaßen „trumpistisch“ gewesen sei.
Bevor jetzt alles durcheinander geht, besser der Reihe nach: Es ist nichts Neues, dass der Faktencheck nicht nur im Notfall ergibt, dass Richard Wagner immer wieder und auch bis zur Selbstverleugnung gelogen und Tatsachen so umgebogen hat, wie es ihm aktuell und vor allem nachträglich in den Kram passte. Beziehungsweise in seine Selbstinszenierung, die darauf abzielte, aus dem eigenen Leben einen Mythos zu formen. Was man mit offenen Augen in seinen Schriften nachlesen kann, zum Beispiel in seiner Autobiografie Mein Leben, die er von 1865 bis 1880 seiner zweiten Frau Cosima diktierte. Und nicht nur dort.
Ulrich Drüner deckt unter anderem auf, dass die sogenannten Hungerjahre in Paris so harmvoll gar nicht gewesen sein können, weil Wagner 1842 allein an den Opernbearbeitungen für Maurice Schlesinger das Jahresgehalt eines Musikers verdiente. Der Autor zielt mit seinen deutlichen Klarstellungen auch, was den von manchen Biografen immer noch verharmlosten Antisemitismus betrifft, aber nicht darauf ab, Wagner zu demontieren. Sondern er versucht, dessen ideologisch stets nach der einen oder anderen Seite verzerrtes Bild zurecht zu rücken.
Ob und wie ihm das gelingt, dürfen hiesige Musikfreunde am 21. Februar um 19.30 Uhr in einer Veranstaltung des Richard-Wagner-Verbands Bamberg im Hotel Bamberger Hof erfahren. Ulrich Drüner wird über seine Biografie, seinen Zugang zu und seine Auseinandersetzung mit Wagner berichten. Als Mensch sieht er ihn in einigen bisher so noch nicht wahrgenommenen Facetten. Und als Musiker sieht der Musiker Drüner ihn so, dass niemand Wagner politisch zu verurteilen, zu beschönigen oder zu verteidigen brauche, denn „die Werte schöpfende Wirkung seiner Kunst kann ihm niemand nehmen.“
Weil ihm als Musikantiquar nicht nur faktisch erstaunliche Funde gelingen, zeigt er im Buch und in Bamberg unter anderem eine bisher unbekannte und treffliche Karikatur des »hohen Paares«, die der Wagner- und Cosima-Porträtist Franz von Lenbach auf die Rückseite eines nicht ausgefüllten Bayreuther Patronats-Scheines bannte, dessen Großbuchstabentexte bei dem sehr dünnen Papier etwas durchscheinen.
Dass Drüner im Buch noch mutmaßt, Lenbach habe bei den Wagners nur gerne kassiert und nichts gegeben, hat er inzwischen revidiert: Wie er von Wagnerforscher Egon Voss erfuhr, ist Lenbach „zu einem späteren Zeitpunkt doch noch Subskribent der Firma Bayreuth geworden. Das als Ergänzung der Bildlegende S. 637; bei Abfassung derselben wusste ich das noch nicht“, schreibt er uns nach Bamberg. Womit postfaktisch alles perfekt ist, oder?
Lesenswerte Kritiken und Artikel zu Ulrich Drüners Wagner-Biographie haben Alexander Dick in der Badischen Zeitung, Robert Jungwirth in der Neuen Zürcher Zeitung und Mirko Weber in der Stuttgarter Zeitung geschrieben.
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