Während im letzten Jahrzehnt oben im Festspielhaus kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist, werden am Rande des Hügels, unten in der Stadt, Traditionen gepflegt. Seit bald vierzig Jahren gibt es im Hoftheater der Klavierfabrik Steingraeber mit dem Studiobühnen-Wagner gewissermaßen ein Gegenprogramm. Ob man die Stücke als Parodie, Persiflage, Satire, Travestie oder einfach als Wagner-Adaption klassifiziert: Sie sind in jedem Fall herzerfrischend komisch, geistreich, bissig und garantiert auch ein bisschen tief.
Das jüngste Werk von Autor und Regisseur Uwe Hoppe heißt „Heda! Heda! Hedo!“ – wie die einprägsamen Rufe von Gott Donner im „Rheingold“, welche Kaiser Wilhelm II. so sehr gefielen, dass er sie für die Hupe seiner Limousine umsetzen ließ. Heutzutage wäre das ein Handy-Klingelton, womit wir auch schon mittendrin sind im Plot. Denn die im Untertitel fixierte Frage „What the fuck is Wagner?“ kommt von noch ahnungslosen Digital Natives, die aus ihrem Drachenjagd-Handy-Spiel aus- und in die Handlung von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ einsteigen.
Wobei es keine Rolle spielt, ob die Zuschauer Vorkenntnisse mitbringen oder nicht. Denn so, wie die sechs Darsteller in ihren Mehrfachrollen die Tetralogie umsetzen, verstehen selbst blutige Anfänger, worum es geht. Und für alle anderen hat Uwe Hoppe in Text und Inszenierung zusätzlich eine Fülle an verblüffenden Anspielungen an die Originalwerke eingebaut und lässt im gut funktionierenden Bühnenbild von Michael Bachmann und den vielsagenden Kostümen von Heike Betz immer wieder auch Festspielgeschichte Revue passieren.
Bei der Uraufführung im letzten Jahr dauerte das Stück mit Pause noch drei Stunden und hatte einige Längen, die bei der Wiederaufnahme allesamt verschwunden sind. Jetzt, ohne die zwar faszinierende, aber aufgepappt wirkende Pocketversion von „Parsifal“ und dank weiterer mutiger Kürzungen, wirkt das temporeiche Stück wie aus einem Guss. Was auch daran liegt, dass die sechs Studiobühnen-Akteure, die keine professionellen Schauspieler sind, bravourös in ihre ständig wechselnden Rollen hineingewachsen sind – stimmlich ebenso wie in ihrer Körpersprache.
Die saftige Kritik der beiden alten Hüter des Wagnerhorts Max (Frank Joseph Maisel) und Esche (Conny Trapper) hat es in sich, die deftige Sprache der werdenden vier Jung-Wagnerianer Wilhelm (Lukas Stühle), Roswitha (Anja Kraus), Caspar (Finn Leible) und Hedwig (Annete Lauckner) auch. Der Stabreim feiert mit neuen Umsetzungen wie „dünnblütige Dummerjane“ und „geiler Gackel“ fröhliche Urständ, der Jugend-Slang ist, wie schon der Untertitel verheißt, überrumpelnd direkt.
Die Rheintöchter sind natürlich ein Travestie-Hit, die Riesen in ihrer Einfalt kaum zu übertreffen. Siegfried ist schon in seiner körperlichen Beweglichkeit ein unvergesslicher Held und dürfte das abrupte Hinfallen bis zur Schmerzgrenze geprobt haben. Apropos: Gunther und Gutrune, genannt Trune, sind so doof, dass es fast schon weh tut. Aber eben durch derlei Überzeichnungen erscheinen die Hauptfiguren umso wahrhaftiger. Und Brünnhildes Schluss-Monolog lässt einen in seiner Aktualität schlichtweg erschauern. Großer Jubel bei der Wiederaufnahme-Premiere am Samstag.
Übrigens: Nicht nur das Steingraeber’sche Hoftheater ist eine besondere Location, die von der Studiobühne Bayreuth allsommerlich bespielt wird. Empfehlenswert sind auch die Vorstellungen von Shakespeares „Macbeth“ im Felsentheater Sanspareil. Birgit Franz, Sieglinde, Rheintochter und Norn in Uwe Hoppes „Ring“-Erstling von 1982, hat eine 95 Minuten dauernde Fassung inszeniert, die eindrucksvoll auf die Kraft der Sprache setzt.
Besuchte Wiederaufnahmepremiere von „Heda! Heda! Hedo!“ am 21. Juli, weitere Vorstellungen von am 27., 29. und 31. Juli sowie achtmal im August. Besuchte Generalprobe von „Macbeth“ am 18. Juli, weitere Vorstellungen am 24., 26. und 28. Juli sowie sechsmal im August. Erstdruck im Feuilleton des Fränkischen Tags am 23. Juli 2018. Karten-Telefon 0921/69001, weitere Infos auf der Homepage der Studiobühne Bayreuth
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