Richard Wagners Huldigungsmarsch für König Ludwig II. wurde am 5. Oktober 1864 im Hof der Münchner Residenz uraufgeführt, dirigiert vom Musikmeister des Infanterie-Leibregiments Siebenkäs.
Wem zu Wagner das Wort „Marsch“ einfällt, der hat als Erstes den sogenannten Trauermarsch aus der Götterdämmerung im Sinn – sogenannt, weil der Komponist den Begriff offiziell eher in Bezug auf Beethovens Eroica und Bellinis Oper I Capuleti e i Montecchi benutzte und ansonsten Trauermusik bevorzugte. Was aber nicht heißen soll, dass er nicht auch Märsche komponiert hätte. Im Gegenteil: Schließlich verdiente er damit, wenn es Auftragsarbeiten waren, gutes Geld. Und konnte potenziellen wie realen Geldgebern eindrucksvoll huldigen. Allen voran König Ludwig II., zu dessen 19. Geburtstag er den Huldigungsmarsch Es-Dur komponierte. Die für den 25. August 1864 geplante Uraufführung in Hohenschwangau musste allerdings abgesagt werden. In seinen Annalen notierte Wagner: „Keine Musik: Kng Mutter.“
Grund der Verschiebung war eine Erkrankung von Königin Marie von Bayern, der Mutter Ludwigs. Die ursprünglich als Morgenmusik angedachte Fassung für Militärmusik wurde erstmals schließlich als Abendmusik aufgeführt, nachdem Wagner mit dem Musikcorps der drei Münchner Infanterieregimenter geprobt hatte. Die mit „einigen Piècen“ aus Tannhäuser und Lohengrin garnierte Uraufführung des Marsches fand für den soeben nach München zurückgekehrten König am 5. Oktober im Hof der Residenz statt, unter der Stabführung des Musikmeisters des Infanterie-Leibregiments Johann Wilhelm Siebenkäs – den gleichnamigen Roman von Jean Paul kannte Wagner übrigens schon. „Ein zahlreiches Publicum“, so die Presse, „hat der Serenade beigewohnt.“ Und Ludwig II. schrieb an den Komponisten: „Ich ersah aus dieser schönen Composition einen erneuten Beweis Ihrer Liebe, die Sie, geliebter Freund, treu für mich im Herzen tragen; fest überzeugt bin ich, dass Sie mir dieselbe stets bewahren werden.“
Während in Zeitungen die „größte Präcision“ der Ausführenden gelobt wurde, sah der damalige Hofsekretär und Staatsrat Franz Seraph von Pfistermeister eindeutig weniger die siebenkäs’schen Blumen- und Frucht-, sondern nur Dornenstücke: „Das Ganze eine Schwindelei!“, urteilte er über das Konzert und fasste damit seine Sicht über den neuen Protegé des Königs griffig zusammen. Ganz falsch lag er damit nicht. Denn Wagner erhoffte sich, wie er seinem Verleger Felix Schott schrieb, „eine sehr populäre Verbreitung“ durch „Gartenkonzerte und Militäraufführungen“ – mit entsprechenden Einnahmen, versteht sich. Fünf Monate nach der Uraufführung begann er eine Fassung für großes Orchester zu instrumentieren, hat sie selbst aber nie abgeschlossen; Joachim Raff vollendete die Bearbeitung. Am 13. Juli 1871 übersandte Wagner ein Druckexemplar an Ludwig II. und bekannte in seinem Begleitbrief, dass er darauf gerechnet habe, dass dieses Stück „zu einer eigentlichen Nationalmusik der neuen Bayerischen Zeit erhoben werden sollte“.
Neben dem Huldigungsmarsch (WWV 97) stehen im Wagner-Werkverzeichnis noch der Kaisermarsch B-Dur von 1871 (WWV 104) und der Große Festmarsch G-Dur (WWV 110) zur Hundertjahrfeier der amerikanischen Unabhängigkeit 1876 zu Buche – zwei Auftragswerke, die auch was einbrachten. Vor allem letzterer, denn das Honorar betrug stolze 5000 Dollar, für das der „Festfeier-Frauenverein“ (Women’s Centennial Committees) Geld sammelte und damit zum Widmungsträger avancierte. Die Uraufführung fand zur Eröffnung der Weltausstellung am 10. Mai 1876 in Philadelphia statt, die europäische Erstaufführung erfolgte am 2. Juli 1876 intern im Bayreuther Festspielhaus, mit Wagner am Pult, der das Werk bei der Gelegenheit als „reine Gartenmusik“ titulierte. Apropos: Im Wagner-Werkverzeichnis folgt auf diesen Marsch das Bühnenweihfestspiel Parsifal (WWV 111), in dem hin und wieder auch marschiert wird. Am 27. Dezember 1877 notierte Cosima in ihr Tagebuch: „R. arbeitet an dem Gralsmarsch und sagt, er ginge nächstes Jahr nach Marienbad oder Ems, um es zu hören! Das sei der rechte Bademarsch.“
Erstveröffentlichung am 5. Oktober 2019 auf takt1
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