Heute vor 150 Jahren, am 26. Juni 1870, wurde am Münchner Hoftheater „Die Walküre“ uraufgeführt. Wie schon beim „Rheingold“ hatte König Ludwig II. die Premiere gegen den Willen Richard Wagners angeordnet.
„Gegen Mittag kommt Freund Richter an, was uns recht freut; er hat in München der Probe der Walküre nicht beigewohnt, was sehr hübsch von ihm ist. R. ist gut gelaunt, wir besprechen Bayreuth und vergessen München!“ Cosima Wagners Tagebucheintrag vom 26. Juni 1870 mutet auf den ersten Blick seltsam an, wenn man bedenkt, dass am selben Tag in München die Uraufführung der Walküre stattfand – in Anwesenheit von König Ludwig II., der die Vorstellung gegen Richard Wagners Willen angeordnet und durchgesetzt hatte.
Schon die Uraufführung des Vorabends der Ring-Tetralogie war ohne den Komponisten und gegen seinen Willen über die Bühne gegangen, denn Wagner hatte aus guten Gründen stets Aufführungen des gesamten Zyklus‘ vor Augen. Nur sechs Tage nach dem ersten Rheingold wies Ludwig II. bereits Karl Freiherrn von Perfall, den Hoftheaterintendanten, an, mit den Vorbereitungen für Die Walküre zu beginnen. Wagner sollte zumindest mitarbeiten, verlangte dafür aber unumschränkte Machtbefugnisse und einen Premierentermin, der erst nach seiner Heirat mit Cosima stattfinden sollte. So lange wollte der König nicht warten - und ließ, nachdem alle anderen in Frage kommenden und Wagner verbundenen Dirigenten abgesagt hatten, wiederum Franz Wüllner ans Pult.
Als Solisten traten nur Ensemblemitglieder auf: Heinrich Vogl als Siegmund, Kaspar Bausewein als Hunding, August Kindermann als Wotan, Therese Vogl als Sieglinde, Sophie Stehle als Brünnhilde, Anna Kaufmann als Fricka, dazu in den Rollen der Walküren Anna Possart, Karoline Leonoff, Henriette Müller, Anna Eichheim, Wilhelmine Ritter, Emma Seehofer sowie die vornamenlosen Fräulein Hemauer und Tyroler. Regie führte Reinhard Hallwachs in den Bühnenbildern von Heinrich Döll, Christian Jank und Angelo Quaglio und den Kostümen von Franz Seitz; für die Bühnentechnik zeichneten Carl Brandt aus Darmstadt und Hoftheatermaschinist Friedrich Brandt verantwortlich.
Großen Eindruck machten die Sturm- und Gewitterszenen mit ihren neuartigen Beleuchtungseffekten und den dramatischen Wolkenzügen. Kostümierte Stallburschen auf echten Pferden führten einen waghalsigen Walkürenritt aus. Da die Gasflammen für den Feuerzauber zu blass wirkten, verwendete man Spiritus in Eimern, dessen Flammen klafterhoch aufschlugen und eine ungeheure Hitze verbreiteten. Die Bewohner der umliegenden Häuser hatten gegen diese gefährlichen Feuerkunststücke protestiert, und bei den Aufführungen empfand das Publikum soviel Angst und Schrecken, dass die ganze zarte Schlusswirkung verloren ging.
Was den Schreiber dieser Zeilen anbelangt, so glaubt er, wie gesagt, dass der 2. Act immer ermüden muss und bei unendlich schönen Einzelheiten doch nur durch einen richtig ins Werk gesetzten scenischen Schlusseffect durchschlagen kann, dass aber die übrigen Acte, vor allem der erste, bei richtiger und feurig beseelter Aufführung unter Allem, was Wagner je geschaffen, am mächtigsten wirken müssen. Mit den „Meistersingern“ verglichen zeigt sich weniger musikalischer Reichthum, dafür aber ein – dem leidenschaftlicheren Stoff angemessen – glühenderer, intensiverer dramatischer Zug, die Haltung ist einfacher, die Singstimme dominirt mehr, in der orchestralen Behandlung ist der Componist zur höchsten Virtuosität durchgedrungen. Möge denn jene von Wagner gehoffte „edelste“ Aufführung des Nibelungen-Festspieles nach Vollendung der Composition nicht lange auf sich warten lassen und dieselbe womöglich die von uns über die „Walküre“ geäusserten Bedenken – auf ein Minimum reduciren! –
dem Deutschland neu erstanden,
der Völker edler Ruhmeshort
befreit aus schmähl’chen Banden;
was nie gelang der Klugen Rath,
das schuf ein Königswort zur That:
in allen deutschen Landen
das Wort nun tönet fort und fort.Und ich verstand den tiefen Sinn,
wie Keiner ihn ermessen:
schuf es dem Volke Siegsgewinn,
mir gab das Wort Vergessen;
vergraben durft‘ ich manchen Schmerz,
der lange mir genagt das Herz,
das Leid, das mich besessen,
blickt‘ ich auf Deutschland’s Schmach dahin.Der Sinn, der in dem Worte lag,
war Dir auch unverborgen:
der treu des edlen Hortes pflag,
er theilte meine Sorgen.
Von Wotan bangend ausgesandt,
sein Rabe gute Kund‘ ihm fand:
es strahlt der Menschheit Morgen;
nun dämm’re auf, du Göttertag!
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