Die häuslichen Kümmernisse beschweren Cosimas Dasein in der Tribschener Idylle, während R. endlich seinen Bericht an den Wagner-Verein vollendet.
Donnerstag 7ten [Dezember 1871] Häusliche Not, in welcher sich gar manches Häßliche[1] ausspricht. Ein Jammer, daß R. von derlei erfährt; das einzige, was ich tun kann, ist jede Verstimmung zu unterdrücken. An M.M.1[2] geschrieben. R. beendigt seinen Bericht an den Wagner-Verein[3]; er ist etwas gekränkt, daß ich es unterlasse, ihn um die Mitteilung des Schlusses zu bitten; ich bin aber so müde und auch so traurig (die Kinder wiederum gelogen!), daß ich vielleicht zu entschuldigen bin. Soll ich Lulu[4] nach Mannheim[5] doch mitnehmen, trotzdem ich als Strafe für die neuliche arge Versündigung das Zurückbleiben auferlegt habe?? – Diese Frage beschwert mich.
[1] Das Häßliche könnten Anspielungen des Dienstpersonals gegenüber den Kindern und speziell den schon älteren Bülow-Töchtern Daniela (*12.10.1860) und Blandine (20.3.1863) sein, die wohl öfter gefragt wurden, wer denn nun ihr Papa sei. Kein Wunder, wenn die beiden Trennungs- und dann Scheidungskinder manchmal lügen.
[2] Es gibt gleich drei Freundinnen, die M. M. sein könnten: Mathilde Maier, Malwida von Meysenbug und Marie Muchanoff.
[3] Siehe Abbildung. Die Broschüre umfasst 38 Seiten und ist im Januar 1872 in Kommission beim Verlag Ernst Wilhelm Fritzsch in Leipzig erschienen. Wagner gibt hier einen Überblick über die Entstehungsgeschichte der „Ring“-Tetralogie und verweist unter anderem auf folgende Analogie, die darin besteht, „dass Tristan wie Siegfried das ihm nach dem Urgesetze bestimmte Weib, im Zwange einer Täuschung, welche diese seine That zu einer unfreien macht, für einen Anderen freit, und aus dem hieraus entstehenden Misverhältnisse seinen Untergang findet.“
[4] Lulu = Daniela von Bülow
[5] Der anstehenden Winterreise Wagners nach München, Bayreuth und Mannheim von 9. bis 21. Dezember wird Cosima sich – ohne Daniela – erst ab 16. Dezember anschließen, um wenigstens bei Wagners Konzertauftritt in Mannheim dabei sein zu können.
Quellen: Cosima Wagner: Die Tagebücher: Band I, S. 1566. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 34727 (vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 466); Ulrich Müller, Peter Wapnewski: Richard-Wagner-Handbuch.
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