Noch bis 5. Mai zeigt das Bayreuther Wagnermuseum eine Auswahl an Rosenstöcke-Bildern von Wagners Tochter Isolde.
„Er [Richard Wagner] ruht aus, wir verlegen die Feierlichkeiten von der Halle in den Saal und ordnen Rosen, Bild und Stoffe, so daß gegen 11 Uhr R., in den Saal tretend, sich freut; er verweilt darin eine Stunde, sieht Loldi’s Kompositionen durch, und wie ich ihn begrüße, darf ich das Glück in seinem erhabensten Scheine erschauen und in seiner ergreifendsten Kundgebung vernehmen.“
So hält Cosima in ihren Tagebüchern den 67. Geburtstag ihres Mannes Richard Wagner am 22. Mai 1880 fest. Sie schildert die Festlichkeiten in der Villa d’Angri in Neapel, zu deren Anlass die fünfzehnjährige Tochter Isolde, „Loldi“, als Geschenk eine Art Bildbiografie Richard Wagners überreicht. Auf 65 Manschetten, die Töpfe von Rosenstöcken zieren sollten, illustriert Isolde die aus ihrer Sicht wichtigsten Ereignisse im Leben ihres Vaters. Diese sind in erster Linie dessen Autobiografie „Mein Leben“ entnommen.
Zum Entstehungsprozess der Bilder ist nichts bekannt. Die Auswahl der Ereignisse und die Auslassungen legen jedoch eine lenkende Hand ihrer Mutter Cosima nahe: die fast vollständige Absenz der Familie, Wagners erster Frau Minna ebenso wie Cosimas selbst und der Kinder. Auch Hinweise auf dauernde finanzielle Probleme und ihre Lösung durch Freunde, Wegbegleiterinnen und Mäzene fehlen. Wagners Beteiligung an der Revolution in Dresden findet keinerlei Erwähnung. Stattdessen wird der Weg des alleinstehenden Genies gezeichnet, der vom ersten Tag an völlig frei von Brüchen ist und nur eine Richtung kennt, um das Genie am gleichsam biblischen Ende als wahrhaftigen Erlöser erscheinen und nach Vollendung des Werks ruhen zu lassen.
Einer Hagiographie gleich nimmt diese Bildergeschichte Wagner-Kult und -Mythos vorweg, der vor allem nach Wagners Tod durch den sogenannten „Bayreuther Kreis“ um Cosima und ihren Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain formuliert, betrieben und um eine völkisch nationalistische Komponente erweitert wird. Zu dieser Zeit sind Isoldes enge Bindung an und die Bewunderung für ihren Vater längst Schmerz und Enttäuschung gewichen, da ihr 1914 in einem Erbschaftsprozess gegen ihre Familie die Vaterschaft Richard Wagners abgesprochen worden ist.
Mit der Präsentation einer Auswahl der „Rosenstöcke“ setzt das Richard Wagner Museum Bayreuth seine Reihe kleinerer Kabinettausstellungen fort, im Rahmen derer Sammlungsschätze gehoben werden, die es bisher noch nicht ins Licht der großen Ausstellungen des Museums geschafft hatten. Die Ausstellung „Die Rosenstöcke: Richard Wagners Leben als Bilderbuch“ ist bis 5. Mai 2024 im Grafik-Kabinett des Wagnermuseums in Haus Wahnfried zu sehen. Öffnungszeiten Dienstag–Sonntag 10–17 Uhr; im Eintrittspreis inbegriffen.
Dagny Ricarda Beidler, die Enkelin Isoldes, hat unter dem Titel „Für Richard Wagner!“ Die Rosenstöcke-Bilder seiner Tochter Isolde das Buch zum Thema vorgelegt. Es ist in 2. Auflage aus dem Böhlau Verlag lieferbar.
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