Unser Mitglied, die feministische Journalistin, Mediatorin und Cosima-Biografin Sabine Zurmühl wurde in Leipzig für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

„Sabine Zurmühl ist eine Pionierin mit langem Atem – und sie ist uns ein Vorbild“. So begründete Friederike Sittler, die Vorsitzende des Journalistinnenbundes (jb), die Ehrung von Sabine Zurmühl mit der Hedwig-Dohm-Urkunde 2025. Die Auszeichnung wurde am 20. September im Rahmen der jb-Jahrestagung in Leipzig verliehen und würdigt Zurmühls herausragende journalistische (Lebens-)Leistung und ihr frauenpolitisches Engagement.
Zurmühl, unter anderem Mitbegründerin der Frauen-Zeitschrift Courage und Gründungsmitglied beim Journalistinnenbund, habe mit ihrem journalistischen und feministischen Wirken über Jahrzehnte Maßstäbe gesetzt. Die Journalistenkollegin Gabriele Mielcke bezog sich in ihrer Laudatio auf ein Arbeitsmotto von Gotthold Ephraim Lessing, das Zurmühl sich zu eigen gemacht hat:
Sieh überall mit Deinen eigenen Augen.
Verunstalte nichts: beschönige nichts.
Wie die Folgerungen fließen, so lass sie fließen.
Hemme ihren Strom nicht; lenke ihn nicht.
Diese vier Zeilen aufgreifend würdigte sie die Preisträgerin erstens als „die Unabhängige“, die zunächst für eine reformierte Altgermanistik stritt und mit der „Courage“ den Schritt ins Ausprobieren, ins Offene wagte. Zweitens folgte „die Wahrhaftige“, die Dokumentarfilmerin mit ihren Pioniertaten, darunter der erste längere TV-Beitrag über sexuellen Missbrauch an Mädchen überhaupt.
Als „die Wagnerianerin“ habe sie 2022 das Opus Magnum über Cosima Wagner vorgelegt, mit gängigen Klischees gründlich aufgeräumt und zu Recht hohe Aufmerksamkeit und Anerkennung gefunden; die englischsprachige Version soll nächstes Jahr erscheinen. Dass Zurmühls Schlussfolgerungen klar im Urteil, doch voller Respekt und getragen von souveräner Fachkenntnis seien, habe sie auch als Festspielkritikerin bewiesen.
„Die Vermittlerin“, die „geniale Netzwerkerin“ schließlich zeige sich zudem auch in ihrer langjährigen Tätigkeit als zertifizierte Mediatorin und nicht zuletzt im privaten Umfeld. „Deine Lebensleistung“, so Mielcke, „reicht über die Summe ihrer Teile weit hinaus. Dein genaues Hinschauen öffnet anderen die Augen. Dein Wirken erschließt Räume. Du zeigst, dass kritischer Journalismus und persönliche Haltung einander bedingen. Dass Konflikte und Empathie zusammengehören. Dein Kompass ist die Sprache, eine faire, eine feministische Sprache. Ihren Strom hemmst Du nicht, lenkst ihn nicht. Du lässt ihm seinen Lauf.“

In ihrer Dankesrede erinnerte Sabine Zurmühl – die Marschallin aus dem „Rosenkavalier“ zitierend – an ihre sie prägenden feministischen Anfänge und was sich seither verändert habe. „Die Entdeckung des Privaten, ein Verdienst der Frauenbewegung, erfährt inzwischen an vielen Stellen den Wandel in ein rücksichtloses Jagen, das die Würde derjenigen, von denen unsere Arbeit lebt, nicht mehr im Blick hat.“
Zwei alarmierende Meldungen der letzten Tage griff sie auf: „Frauen werden als Erdbebenopfer liegen und sterben gelassen, weil die männlichen Helfer Frauen nicht berühren dürfen – eine Form des in diesem Fall religiös gerechtfertigten Femizids. Und Dunja Hayali, vielleicht die beste Moderatorin, die wir im Augenblick haben, wird im Netz mit dem Tode bedroht wegen ihrer Anmoderation zur Ermordung des Aktivisten Kirk.“
„Die Demokratie“, so Zurmühl, „gebiert gerade – auf demokratischem Wege! – sehr undemokratische Forderungen und Angriffe, die durch pädagogische Appelle kaum mehr einzufangen sind und bei denen auch Frauen- und Kulturthemen unerträglich abgewertet werden. Und eine Kritik an der neuerlichen Patriarchalisierung wird nicht einfacher, wenn führende Frauen am rechten Parteienrand den Ton angeben.“
„Diese Wunden“, schloss sie ihren Dank, „können wir benennen. Und es braucht einen sehr langen Atem, um das, was notwendig ist, immer wieder, über Jahre und vielleicht Jahrzehnte, auch in verdrossene Gesichter zu sagen. Hedwig Dohm hat so viel für die Frauen gekämpft – sie ist eine von denen, auf deren Schultern wir stehen. Wer wird auf unseren Schultern stehen?“
Weiterführende Links: Laudatio von Gabriele Mielcke, Dankesrede von Sabine fZurmühl, Webseite von Sabine Zurmühl, Hedwig Dohm und Journalistinnenbund
Die Begründung in der Urkunde lautet wie folgt: Sabine Zurmühl ist eine Pionierin mit langem Atem. Die Journalistin ist nicht nur Mitbegründerin der feministischen Zeitschrift „Courage“, Filmemacherin und Autorin. Sie ist auch Mitbegründerin des Journalistinnenbundes und langjährige Vorsitzende der Jury für den Marlies-Hesse-Nachwuchspreis. Sabine Zurmühl hat stets nicht nur informiert und dokumentiert, sondern auch gesellschaftliche Tabus gebrochen, unterrepräsentierten Stimmen Gehör verschafft und nachfolgenden Generationen von Journalistinnen den Weg geebnet. Mit ihrer journalistischen Integrität und ihrem unerschütterlichen Engagement für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit hat sie Maßstäbe gesetzt und ist eine wichtige Stimme der deutschen Medien- und Frauengeschichte. Mit ihrem Lebenswerk ist uns Sabine Zurmühl ein Vorbild.

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