Wagner-Urenkelin Dagny Beidler und die feministische Wagnerautorin Eva Rieger sprechen am 5. April über die in vielerlei Hinsicht aus dem Rahmen fallende Wagnerianerin Malwida von Meysenbug.
Schon wieder wird erstmals eine Wagner-Urenkelin in Bamberg zu erleben sein: Nach Nike Wagner im Februar kommt am 5. April 2016 Dagny Beidler zu uns, die Enkelin von Isolde Beidler, der unehelichen und aus Erbfolgegründen zugunsten Siegfried Wagners auch später nicht legitimierten ersten Tochter von Richard und Cosima Wagner. Gemeinsam mit der Musikwissenschaftlerin, Wagnerautorin und Feministin Prof. Dr. Eva Rieger spricht sie um 19.30 Uhr im Saal der Stadtbücherei Bamberg (Obere Königstraße 4a) über Malwida von Meysenbug, Wagner und seiner Familie.
Die durchaus enge Beziehung zwischen der Schriftstellerin Malwida von Meysenbug (1816–1903) und der Familie Wagner ist bislang kaum aufgearbeitet worden. Schließlich lebte Malwida, die bekannt wurde durch ihre erstmals 1869 anonym auf Französisch erschienenen und später immer wieder aufgelegten autobiographischen Memoiren einer Idealistin, zeitweilig sogar auf Wunsch von Cosima und Richard Wagner in Wahnfried mit der ganzen Familie zusammen.
Wer war Malwida von Meysenbug überhaupt? Auf jeden Fall keine Frau, die Wagners Vorstellungen entsprach, denn er mochte keine gebildeten Frauen und sprach von Blaustrümpfen. Sie stellte sich schon in ihrer Jugend gegen ihre konservativ-aristokratische Familie und kämpfte für das Recht auf Bildung für Frauen und war auf Seiten der Revolution. Sie dachte zeitlebens demokratisch-liberal im Gegensatz zu Wagner, der sich unter Ludwig II. der Monarchie verschrieben hatte. Ihr Motto war: „Von wenigen geliebt, von allen geachtet.“
Richard Wagners erstes Treffen mit ihr verlief denkbar schlecht. Er merkte jedoch – und das schmeichelte ihm auch –, dass sie seine Schriften genau gelesen hatte und von seiner Idee einer Förderung der Bevölkerung durch „gehobenen kulturellen“ Genuss begeistert war. „In den Schriften Wagners hatte ich die vollendete Theorie dessen gefunden, was ich in unbestimmten Zügen empfunden und geahnt hatte“, schrieb sie. Bis dahin hatte sie noch keine Note seiner Musik gehört.
Sie nahm an der Grundsteinlegung in Bayreuth genauso teil wie an der Eröffnung der Festspiele 1876 – und ihre Berichte werden Gegenstand des Vortrags sein. Die Wagner- und Cosima-Kinder liebten sie abgöttisch und nannten sie „Mutter“. Sie kümmerte sich sehr um Siegfried und versuchte, ihn von seinem Antisemitismus abzubringen. Für sie waren alle Völker gleich, dadurch unterschied sie sich auch von der Familie Wagner. Dennoch vertrug man sich und die lebhaften Auseinandersetzungen führten nie zu einem Abbruch der Freundschaft.
Zwischen Cosima und Malwida entwickelte sich eine große Verbundenheit. Es war wohl Malwidas Feingefühl und ihre aristokratische Kindheit, die ihr den Zugang zu und den Umgang mit Cosima erleichterte. Freilich trafen sich die zwei doch sehr unterschiedlichen Frauen in einigen Punkten, und diese waren ihnen wichtig genug, um an ihrer Freundschaft festzuhalten: den Komponisten, Richard Wagner, in seiner Schaffenskraft um jeden Preis zu unterstützen und die Idee eines Festspielortes für seine Werke zu realisieren.
Zur Person/Die Referentinnen
Dagny Ricarda Beidler, geboren in Zürich 1942, Ausbildung zur Primarlehrerin, anschliessend Studium der englischen Sprache und Geschichte. Studienaufenthalte in Grossbritannien und den USA. Laufbahn als Studienrätin MBA an Gymnasium in Zürich bis zur Pensionierung 2004. Intensive Beschäftigung mit der Familie ihrer Großmutter Isolde und der Familie Beidler. Veröffentlichte einen Beitrag zur Freundschaft ihres Vaters, Franz W. Beidler, mit Thomas Mann für den Ausstellungskatalog in Lübeck über Thomas Mann und Wagner und ein Buch über Isoldes Illustrationen zu Wagners 67. Geburtstag: Für Richard Wagner! Die »Rosenstöcke-Bilder« seiner Tochter Isolde. Köln et al.: Böhlau 2013. Weitere redigierende und recherchierende Arbeit an diversen wissenschaftlichen Arbeiten. Sie lebt mit ihrem Mann in Winterthur, Schweiz.
Eva Rieger, geboren auf der Insel Man 1940, studierte Musikpädagogik, Musikwissenschaft und Anglistik in Berlin. Sie war als Akademische Rätin an den Universitäten Göttingen und Hildesheim tätig, 1990 Ernennung zur Professorin für Sozialgeschichte der Musik an der Universität Bremen. Sie hat einige Bücher zu Richard Wagner und dessen Umfeld veröffentlicht, u.a. Minna und Richard Wagner. Stationen einer Liebe. Düsseldorf: Artemis & Winkler 2003, Taschenbuch-Ausgabe 2007, zweite, überarbeitete Auflage in Vorbereitung; Leuchtende Liebe, lachender Tod. Richard Wagners Bild der Frau im Spiegel seiner Musik. Düsseldorf: Artemis & Winkler 2009 (engl. Übersetzung Boydell 2011); zus. mit Hiltrud Schroeder: Ein Platz für Götter. Richard Wagners Wanderungen in der Schweiz. Köln: Böhlau 2009; Friedelind Wagner. Die rebellische Enkelin Richard Wagners. München: Piper 2012 (engl. Übersetzung Boydell 2013). Im Juli erscheint ihre Biographie der Sängerin Frida Leider, die in der NS-Zeit als „jüdisch Versippte“ in Bayreuth sang, aber dann entfernt wurde: Frida Leider – Sängerin im Zwiespalt ihrer Zeit. Hildesheim: Olms 2016.
Die Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei Bamberg am 5. April im Saal der Stadtbücherei im Dachgeschoss beginnt um 19.30 Uhr; der Einlass ist um 19 Uhr, es gibt eine kleine Auswahl an Getränken. Im Anschluss an den Vortrag besteht die Möglichkeit zum ungezwungenen Meinungsaustausch auch mit den beiden Referentinnen; einige Bücher mit Autogrammen der Autorinnen gibt es auch zu kaufen. Der Eintritt ist frei, Nicht-Mitglieder sind willkommen.
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