Haute Couture macht noch keinen „Maskenball“

Mu­sik­dra­ma­tisch nicht im­mer zwin­gend, aber ein Au­gen­schmaus: die Hau­te-Cou­ture-Kos­tü­me von Chris­ti­an Lacroix zur Nürn­ber­ger „Maskenball“-Inszenierung. Foto: Staats­thea­ter Nürnberg

„Fa­solt und Faf­ner in ei­nem“, kom­men­tier­te am Sams­tag tro­cken ein Pre­mie­ren­be­su­cher. Und mein­te da­mit den Auf­tritt der Wahr­sa­ge­rin Ul­ri­ca im zwei­ten Bild des ers­ten Akts von Giu­sep­pe Ver­dis Oper „Un bal­lo in ma­sche­ra“ („Ein Mas­ken­ball“). In der Neu­in­sze­nie­rung am Staats­thea­ter Nürn­berg scheint Cha­rik­lia Mavro­pou­lou zu­nächst Speer­wurf zu üben wie eine Wal­kü­re und wirkt – lei­der auch stimm­lich – wie ein weib­li­cher Dra­che im De­ath-Me­tal-Look. Wo­mit wir bei Chris­ti­an Lacroix wä­ren, dem pro­mi­nen­ten Kos­tüm­bild­ner der Produktion.

Der Ex-Mo­de­schöp­fer, der seit Jahr­zehn­ten auch fürs Thea­ter ar­bei­tet, zeigt auch hier, was er kann. Sein in der Ge­gen­wart ver­an­ker­ter Stil­mix zwi­schen pro­tes­tan­ti­scher Ein­fach­heit und ba­ro­cker Bausch- und Bo­gen­pracht macht durch­aus was her, dient aber mehr der Schau­lust und we­ni­ger dem Dra­ma. Selbst die bau­meln­de Hin­ge­rich­te­te sieht aus, als käme sie di­rekt vom Lauf­steg. Selbst­re­dend gibt es un­ter dem nicht vor­han­de­nen Gal­gen kei­ne zau­ber­kräf­ti­gen Kräu­ter, son­dern wei­ße Lilien.

Büh­nen­bild­ner Vin­cent Le­mai­re lässt al­les in ei­nem dunk­len, karg mö­blier­ten Ein­heits­raum mit hel­lem Licht­rah­men spie­len, in den sich aus Grün­den, die kei­ner nach­voll­zie­hen kann, Wän­de mit rie­si­gen Por­träts sen­ken und he­ben. Im­mer­hin kann er mit sei­nem rie­si­gen Lich­ter­ket­ten-Kron­leuch­ter punk­ten. Der­lei aus­stat­teri­sche Pracht muss ja kein Hin­der­nis sein, wenn die Fi­gu­ren der Hand­lung in­ten­siv und lo­gisch ge­führt wer­den. Re­gis­seur Vin­cent Bous­sard scheint je­doch mit dem Stück und sei­nen Per­so­nen nicht viel an­fan­gen zu kön­nen, lässt die Prot­ago­nis­ten zu oft be­zie­hungs­los her­um­ste­hen und or­ga­ni­siert auch die Chor­auf­trit­te uninspiriert.

So bleibt von der Re­gie nur we­nig hän­gen: Die Idee, dass Ric­car­do – ge­spielt wird die nach Ame­ri­ka ver­leg­te Zen­sur­ver­si­on – ein Bru­der im Geis­te Lud­wigs XIV. ist, dem der Schein mehr ist als die Wirk­lich­keit, leuch­tet ein. Hin­ge­gen tei­len sich die im Pro­gramm­heft er­läu­ter­ten wei­te­ren Mas­ke­ra­den und Anti-Mas­ke­ra­den durch die In­sze­nie­rung nicht mit. Wenn et­was auf der Büh­ne pas­siert – was bei­lei­be nicht viel ist – wirkt es zu­meist be­lie­big und schlimms­ten­falls auf­dring­lich wie die blu­ti­gen Trä­nen der Por­träts und der fern­ge­steu­er­te Spiel­zeug­sport­wa­gen von Ame­li­as nicht sicht­ba­ren Sohn.

Dass es hier um eine his­to­risch ver­bürg­te Ver­schwö­rung geht, um Lie­be, Ehe­bruch, Freund­schaft und töd­li­che Ra­che, ver­mit­telt das fran­ko-bel­gi­sche Team nur ru­di­men­tär – mit So­lis­ten in den Haupt­par­tien, die bei der Pre­mie­re aus un­ter­schied­li­chen Grün­den zu kämp­fen hat­ten – wie Mi­ko­laj Zalas­in­ski als Re­na­to mit ei­ner (nicht an­ge­sag­ten) In­dis­po­si­ti­on, wie die kurz­fris­tig in die Pro­duk­ti­on ein­ge­sprun­ge­ne, zu­wei­len noch un­si­che­re Iri­na Okni­na als Ame­lia, wie Da­vid Yim als Ric­car­do, dem zwar auch ei­ni­ge schö­ne Stel­len ge­lan­gen, der aber von Haus aus ein be­grenz­ter Dar­stel­ler ist.

Die bes­te Ein­zel­leis­tung kam von Ju­lia No­vi­ko­va als Page Os­car, wohl auch, weil sie die Par­tie in die­ser Ko­pro­duk­ti­on letz­ten Herbst schon in Tou­lou­se ge­sun­gen hat. Für die we­sent­li­chen Plus­punk­te des Abends sor­gen die Chö­re un­ter Tar­mo Vaask und vor al­lem die Staats­phil­har­mo­nie un­ter Ge­ne­ral­mu­sik­di­rek­tor Mar­cus Bosch. Sei­ne In­ter­pre­ta­ti­on klingt ita­lie­nisch ohne Kitsch­ver­dacht, ist sän­ger­freund­lich und ent­schie­den in den Tem­pi. Ob ver­son­nen me­lan­cho­lisch oder lust­voll schnell: Was aus dem Gra­ben kommt, glänzt und gleißt viel wahr­haf­ti­ger als der Kos­tüm­pomp auf der Büh­ne. Cha­peau Mar­cus Bosch!

Be­such­te Pre­mie­re am 6. Juni 2015, wei­te­re Auf­füh­run­gen im Opern­haus Nürn­berg am 8., 14. und 19. Juni so­wie am 4., 8., 11. und 14. Juli. Kar­ten gibt es te­le­fo­nisch un­ter 0180-5231600 so­wie on­line auf der Home­page des Staats­thea­ters

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