Holger von Berg, Geschäftsführender Direktor der Bayreuther Festspiele, sprach in Bamberg über seine Geschäftsbereiche und was man tun soll, damit man bei der Kartenbestellung mehr Chancen hat.
Trotz des Fußball-Länderspiels sind am 16. Oktober über fünfzig Besucher in den Frühstückssaal des Hotels Bamberger Hof gekommen – und waren fasziniert, dass und wie Holger von Berg, Geschäftsführender Direktor der Bayreuther Festspiele GmbH, sie hinter die Kulissen blicken ließ. Der gelernte Diplomkaufmann, der sich mit der für die Kunst zuständigen Wagner-Urenkelin Katharina Wagner die Verantwortung dafür teilt, was am Grünen Hügel geschieht, gab nicht nur Einblicke in seine eigenen Geschäftsbereiche. Er zeigte beispielsweise keinerlei Berührungsängste bei einem Thema, das die Festspielleitungen seit der Wiedereröffnung 1951 aus guten Gründen gescheut haben wie der Teufel das Weihwasser: Von Berg sprach offen auch die Verflechtung der Festspiele und der Wagner-Familie mit dem Nazi-Regime und Adolf Hitler an, zeigte Ausschnitte aus privaten Filmaufnahmen, die der junge Wolfgang Wagner bei Führerbesuchen in Wahnfried und am Festspielhügel gemacht hatte und empfahl als weiterführende Lektüre nicht nur den gerade erschienenen ersten Band der 2017 erstmals veranstalteten festspieleigenen „Diskurs Bayreuth“-Reihe mit dem Titel „Sündenfall der Künste? Richard Wagner, der Nationalsozialismus und die Folgen“ (Bärenreiter Verlag, 221 S., 38,95 €), sondern auch die nur noch antiquarisch greifbare Biografie „Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth“ von Brigitte Hamann aus dem Jahr 2002.
Für die meisten Zuhörer war neu, dass und wie der Umbau des vormaligen Familienbetriebs in eine Art Staatstheater sich in allen Bereichen des Festspielunternehmens auswirkt. Während Wolfgang Wagner sich um geltende Tarifverträge auch und gerade was die Arbeitszeit generell und speziell an Sonn- und Feiertagen betrifft, noch nicht kümmern musste, hat die Festspielleitung aktuell aus diesem Grund vor allem Probleme, noch genügend hochqualifiziertes Technikpersonal zu finden. Überhaupt überraschte, wie weit im Voraus bei den Festspielen geplant und gearbeitet wird. Aktuell finden zum Beispiel gerade die Bauproben für die „Ring“-Inszenierung 2020 statt, bis ins Jahr 2026 laufen die Planungen – ob das nun die Generalsanierung des Hauses oder die künstlerischen Teams und Solisten betrifft. Zwar ist er auch für die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen zuständig, aber das hielt Holger von Berg nicht davon ab, die Notwendigkeit der berittenen Polizeistaffel in Frage zu stellen, die der neue bayerische Ministerpräsident heuer erstmals antreten ließ.
Warum die Festspiele, die seit September vereinfachte und zum Teil auch erneut angehobene Preiskategorien und einen neuen Sitzplan haben, ausgerechnet für die zwei vermutlich am stärksten nachgefragten Wiederaufnahme-Vorstellungen keine Besetzung bekannt geben, liegt auf der Hand: Holger von Berg will den Hype auf die zwei „Lohengrin“-Vorstellungen mit Anna Netrebko als Elsa zumindest im Vorfeld verhindern und gibt zu bedenken, dass nur so der zu erwartende Schwarzmarkt eingedämmt werden kann. Überhaupt ist der Schwarzmarkt immer noch ein Problem. Nicht alle Besucher, die bei sogenannten Kartenhaien, Reiseveranstaltern oder Hotels (die allesamt keine Karten direkt von den Festspielen bekommen) zum Beispiel für sehr viel Aufpreis Galerieplätze mit eingeschränkter Sicht gekauft haben, kapieren in ihrem Ärger sofort, dass nicht die Festspiele sie übers Ohr gehauen haben.
Wer Festspielkarten kaufen möchte, dem empfiehlt, er erstens – falls das noch nicht geschehen ist –, sich bei den Festspielen online zu registrieren und online zu bestellen. Bestellungen per Briefpost, so von Berg, gibt es zwar noch, müssen aber mit großem Aufwand in das gegebene digitale Bestellsystem eingearbeitet werden, in dem weder pauschale Sonderwünsche noch nett gemeinte Pralinengaben Berücksichtigung finden. Im Gegenteil: Bei handschriftlichen Bestellern fällt umso mehr auf, wenn ein Wagnerliebhaber unter vielen anderen Namen und Adressen ordert. Den Spitzenwert hält ein Besteller aus einem nordbayerischen Dorf, das zwar nur aus sechzig Häusern besteht, in dem aber angeblich fünfzig verschiedene Wagnerianer leben.
Da die Kartenvergabe ohnehin über einen Algorithmus erfolgt, ist es besser, man hält sich an die Empfehlungen Holger von Bergs, der unter anderem für den Kartenverkauf verantwortlich ist:
- Bestellen Sie online!
- Versuchen Sie es jedes Jahr wieder – möglichst online.
- Geben Sie online in Ihr Kundenkonto auch ein, wenn Sie in dieser Saison nicht bestellen wollen, aber ein Wartejahr für zukünftige Bestellungen angerechnet haben wollen (was höchstens für zwei Jahre hintereinander geht, aber hilfreich für „Ring“-Bestellungen sein könnte)
Höhere Chancen, eine Zusage zu bekommen, hat man laut Holger von Berg
- wenn man eine mittlere Preiskategorie wählt. Bei den teuersten und preiswertesten Karten ist erfahrungsgemäß die Nachfrage am größten. Die reinen Hörplätze können nur noch am Aufführungstag persönlich beim Kartenbüro gekauft werden.
- wenn man nicht Aufführungen der Neuinszenierung, sondern Wiederaufnahmen bucht. In der Saison 2019 dürften das vor allem bei „Parsifal“ sowie „Tristan und Isolde“ funktionieren: Diese Inszenierungen werden zum letzten Mal gezeigt.
- wenn man bei der Terminwahl auf Wochenenden verzichtet und stattdessen seinen Festspielbesuch unter der Woche plant.
Bleibt noch anzumerken, dass das angesprochene Gerücht, Holger von Berg wolle den Festspielchor abschaffen, tatsächlich der erwartete „Käse“ war bzw. ist. Was aber nicht heißt, dass Bayreuth aktuell sonst keine Probleme habe. Im Gegenteil: Am 17. Oktober vermeldete Manuel Brug in der „Welt“ unter dem Titel „Eben noch MeToo, jetzt schon wieder im Konzertsaal“, dass der kürzlich vom Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam wegen „ungebührlichen Verhaltens“ fristlos aus seinem erst seit zwei Jahren laufenden Vertrag als Chefdirigent entlassene Daniele Gatti in Bayreuth schon den Vertrag für den neuen „Ring“ unterschrieben habe. „Braucht die Festspielchefin einen Ersatz“, so Brug, „müsste sie wegen der Vorläufe jetzt handeln. Doch rechtlich sind ihr die Hände gebunden. Und die Moral? Die stand im feinen Klassikgewerbe noch nie so wirklich weit oben.“ Umso gespannter wird die Fachwelt sein, wenn am 24. Juli 2019, wie Holger von Berg mehrfach ankündigte, Katharina Wagner bei der Festspielpressekonferenz endlich offiziell Team und Solisten der „Ring“-Neuinszenierung 2020 benennen wird.
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