Minnas einziges Kind

Am 22. Fe­bru­ar 1826 wur­de Na­ta­lie Pla­ner ge­bo­ren, die un­ehe­li­che Toch­ter von Wag­ners ers­ter Frau Min­na, die die­se stets als ihre jün­ge­re Schwes­ter ausgab.
Na­ta­lie Bilz-Pla­ner Vor­la­ge: Ri­chard Wag­ner Brie­fe. Die Samm­lung Burrell

Heu­te vor 194 Jah­ren kam Na­ta­lie Pla­ner un­ter dra­ma­ti­schen Um­stän­den auf die Welt, weil ihr Da­sein vor den ge­stren­gen Au­gen ih­res Groß­va­ters Gott­helf Pla­ner ver­bor­gen wer­den muss­te. Ihre Mut­ter Min­na Pla­ner, die sie ihr Le­ben lang als ihre jün­ge­re Schwes­ter aus­ge­ben soll­te, war in noch ju­gend­li­chem Al­ter von dem säch­si­schen Of­fi­zier Ernst Ru­dolf von Ein­sie­del ver­führt wor­den und brach­te die­se un­ehe­li­che Toch­ter spä­ter in ihre Ehe mit dem erst 23-jäh­ri­gen Ka­pell­meis­ter Ri­chard Wag­ner ein, der sie am 24. No­vem­ber 1836 in der Trag­hei­mer Kir­che in Kö­nigs­berg hei­ra­te­te und da­mit sei­ne ers­te, noch klei­ne Patch­work­fa­mi­lie begründete.

Zur Zeit der Ehe­schlie­ßung leb­te Na­ta­lie be­reits zwei Jah­re bei ih­rer Mut­ter, die 1834 in Mag­de­burg als Schau­spie­le­rin in Mag­de­burg en­ga­giert war und bei ei­nem Gast­spiel in Bad Lauch­städt erst­mals auf Wag­ner traf. Na­ta­lie wur­de als Kind und Ju­gend­li­che im­mer wie­der in­ner­halb der Fa­mi­li­en hin- und her­ge­scho­ben. Die Pa­ri­ser Not­zei­ten er­leb­te sie haut­nah mit, blieb dann aber zu­nächst dort, bei Cä­ci­lie Ave­na­ri­us, ei­ner Halb­schwes­ter ih­res Stief­va­ters, und kam nach ei­ner Zwi­schen­sta­ti­on bei ih­rer Tan­te Char­lot­te Trö­ger in Zwi­ckau 1845 wie­der zu ih­rer Mut­ter nach Dresden.

In den Jah­ren des Zü­ri­cher Exils mach­te sie sich im Wag­ner­schen Haus­halt nütz­lich, zog aber spä­ter wie­der zu ih­rer Tan­te nach Zwi­ckau. Kurz nach dem Tod ih­rer Mut­ter 1866 hei­ra­te­te sie, als ihr Mann starb, wur­de sie von Co­si­ma Wag­ner un­ter­stützt. Was Na­ta­lie je­ner nicht dank­te, denn sie konn­te die zwei­te Frau ih­res Stief­va­ters nicht aus­ste­hen – vor al­lem auch des­halb nicht, weil Co­si­ma schon vor und nach Wag­ners Tod kor­ri­gie­rend und zen­sie­rend ver­such­te, ein Wag­ner­bild zu schaf­fen, das nicht den Tat­sa­chen ent­sprach. Selbst ih­ren ei­ge­nen Brief­wech­sel mit ihm ver­brann­te sie.

Aus die­sem Grund hän­dig­te Na­ta­lie zwar ei­ni­ge, aber längst nicht alle Do­ku­men­te, die sie von ih­rer Mut­ter ge­erbt hat­te, an Co­si­ma aus. Sie be­hielt wich­ti­ge Pa­pie­re, Fo­to­gra­fien und vor al­lem den frü­hen Brief­wech­sel zwi­schen Wag­ner und Min­na, in dem un­ter an­de­rem Si­gni­fi­kan­tes zur Ent­ste­hung von Wag­ners „Ring“-Tetralogie zu er­fah­ren ist. In der glü­hen­den, aber durch­aus kri­ti­schen Wag­ner­an­hän­ge­rin Mary Bur­rell fand die vor ih­rem Tod 1892 in ei­nem Da­men­haus in Leis­nig bei Dö­beln le­ben­de Na­ta­lie eine Geis­tes­ver­wand­te, der sie un­ter an­de­rem  128 Brie­fe zur Ver­öf­fent­li­chung anvertraute.

Bei der letz­ten Zu­stif­tung zur Bur­rell-Samm­lung kam auch ein Por­trät von Na­ta­lie Bilz-Pla­ner ins Wag­ner­mu­se­um. Vor­la­ge: Na­tio­nal­ar­chiv der Richard-Wagner-Stiftung

Mary Bur­rell (1850–1898) war die Toch­ter des be­deu­ten­den Dub­li­ner Phy­si­kers Sir John Banks. Sie sprach und schrieb flie­ßend Deutsch, war eine Fest­spiel­be­su­che­rin der ers­ten Stun­de und be­gann, alle Do­ku­men­te zu sam­meln, die ihr zur Auf­klä­rung von Wag­ners Wer­de­gang und We­sen die­nen konn­ten. Na­ta­lie ver­kauf­te schließ­lich das Kon­vo­lut an Bur­rell, die dar­auf­hin eine Wag­ner-Bio­gra­fie ver­fass­te, von der sie bis zu ih­rem frü­hen Tod al­ler­dings nur den ers­ten Teil fer­tig stel­len konnte.

Hoch be­deu­tend blieb Bur­rells ins­ge­samt 840 Do­ku­men­te um­fas­sen­de Samm­lung, die vor al­lem Quel­len si­cher­te, die für Wahn­fried und Co­si­ma un­er­reich­bar blie­ben – dar­un­ter auch ein Lie­bes­brief Wag­ners an Mat­hil­de We­sen­don­ck, die so­ge­nann­te „Mor­gen­beich­te“, der ja von Min­na ab­ge­fan­gen wor­den war, wo­mit Wag­ners Ver­hält­nis zur Emp­fän­ge­rin auf­flog. Die­ser ist da­durch der ein­zi­ge er­hal­te­ne Brief Wag­ners an Mat­hil­de We­sen­don­ck, nach­dem Co­si­ma alle an­de­ren von ihr zu­rück­ge­for­dert, auch er­hal­ten und spä­ter eben­so wie vie­le an­de­re, dar­un­ter ih­ren ei­ge­nen Brief­wech­sel mit Wag­ner, ver­brannt hat.

Ein Groß­teil der Bur­rell-Samm­lung be­fand sich be­reits seit 1978 im Na­tio­nal­ar­chiv der Ri­chard-Wag­ner-Stif­tung, durch eine wert­vol­le Zu­stif­tung der New Yor­ker Pri­vat­samm­ler Mr. & Mrs. Jef­frey K. Brinck ka­men erst im No­vem­ber 2011 wei­te­re Brie­fe und Do­ku­men­te hin­zu, die auch dazu bei­tra­gen kön­nen, das Le­ben von Na­ta­lie Bilz-Pla­ner mehr zu erhellen.

Und weil ge­ra­de von Mat­hil­de We­sen­don­ck die Rede war, sei ger­ne dar­an er­in­nert, dass Ri­chard Wag­ner am 22. Fe­bru­ar 1858 die Rein­schrift der 1. Fas­sung des Lie­des „Sau­sen­des, brau­sen­des Rad der Zeit“ aus den We­sen­don­ck-Lie­dern ab­schloss. Wo­mit sich naht­los der Über­gang zu Frau Ma­rys Spinn­rad er­gibt – und zum 91. Ge­burts­tag von Anny Schlemm, die selbst in die­ser eher un­schein­ba­ren Rol­le in Har­ry Kup­fers Bay­reu­ther „Holländer“-Inszenierung 1978 bis 1985 un­ver­gess­li­che sän­ger­dar­stel­le­ri­sche Ak­zen­te setzte.

Erst­ver­öf­fent­li­chung auf www​.in​fran​ken​.de in dem Blog Mein Wag­ner-Jahr

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