Das Niveau sinkt und sinkt

Seit zehn Jah­ren hat in Bay­reuth Wag­ner-Ur­en­ke­lin Ka­tha­ri­na Wag­ner das Sa­gen. In die­ser Zeit ist das künst­le­ri­sche Ni­veau deut­lich ge­sun­ken. Da­für ha­ben sich die Prei­se für Ein­tritts­kar­ten fast ver­dop­pelt. Eine Bilanz.

Ka­tha­ri­na Wag­ner bei der Pres­se­kon­fe­renz 2017 Foto: Bay­reu­ther Festspiele/​Jörg Schulze

Mit der 32. Vor­stel­lung der Bay­reu­ther Fest­spie­le 2018 ist am 29. Au­gust am Grü­nen Hü­gel die zehn­te Sai­son un­ter der Lei­tung von Ka­tha­ri­na Wag­ner zu Ende ge­gan­gen. Ein An­lass, um Bi­lanz zu zie­hen: Was hat die heu­te 40-jäh­ri­ge Wag­ner-Ur­en­ke­lin ge­leis­tet, seit­dem der Stif­tungs­rat der Ri­chard-Wag­ner-Stif­tung sie ge­mein­sam mit ih­rer Halb­schwes­ter Eva Wag­ner-Pas­quier am 1. Sep­tem­ber 2008 zur Fest­spiel­in­ten­dan­tin ge­kürt hat?

2009: Zum Auf­takt der neu­en Ära in Bay­reuth gibt es zwar kei­ne Neu­in­sze­nie­rung im Pro­gramm, aber ei­ni­ge Neue­run­gen. Die Kin­der-Oper fei­ert mit dem „Flie­gen­den Hol­län­der“ in der Pro­be­büh­ne IV ih­ren Ein­stand und wird auch zehn Jah­re spä­ter noch Be­stand ha­ben; glei­ches gilt für die ei­ge­nen Ein­füh­run­gen mit Be­zug zu den ak­tu­el­len In­sze­nie­run­gen. Es gibt Vip Loun­ges und eine neue Cor­po­ra­te Iden­ti­ty, die aus den be­rühm­ten „Blau­en Mäd­chen“ graue Mäu­se macht, de­ren Uni­for­men sich noch öf­ter wan­deln wer­den. Das 2008 mit Ka­tha­ri­na Wag­ners „Meistersinger“-Inszenierung be­gon­ne­ne er­folg­rei­che Pu­blic Vie­w­ing wird fort­ge­setzt mit der „Tristan“-Inszenierung von Chris­toph Mar­tha­ler aus dem Jahr 2005, mit der auch die Sai­son er­öff­net wird. Künst­le­risch her­aus­ra­gend ist die „Parsifal“-Inszenierung von Ste­fan Her­heim, die 2008 Pre­mie­re hat­te. Al­lent­hal­ben ist von ei­ner „neu­en Of­fen­heit“ die Rede, was aber nur stimmt, wenn man nicht ge­nau hin­schaut. Es gibt wie­der Pro­gramm­hef­te zu den Ein­zel­wer­ken, die kon­zep­tio­nell und in­halt­lich zu­meist so dürf­tig sind, dass man sich das Geld spa­ren kann. Apro­pos: Ge­gen­über den Vor­jah­ren gibt es eine Preis­er­hö­hung. Die teu­ers­te Kar­te kos­tet 225 Euro statt 208 Euro, der bil­ligs­te Hör­platz 7 Euro statt 6,50 Euro, wo­bei man aus über vier­zig ver­schie­de­nen Preis­ka­te­go­rien wäh­len kann.

2010: Im Ja­nu­ar wird be­kannt, dass Pe­ter Em­me­rich, der lang­jäh­ri­ge Pres­se­chef der Fest­spie­le, IM bei der Sta­si war. Sei­ne Ent­tar­nung bleibt fol­gen­los. Der Um­bau des Fa­mi­li­en­be­triebs in ein Staats­thea­ter bringt mit sich, dass we­gen der Dienst- und Ru­he­zei­ten der re­gu­lä­ren Ta­rif­ver­trä­ge erst­mals in­ner­halb der „Ring“-Zyklen, die zu­vor sän­ger­scho­nend je­weils zwei spiel­freie Tage be­inhal­te­ten, an­de­re Wer­ke ge­spielt wer­den müs­sen. Künst­le­risch ein vol­ler Er­folg ist der neue Ratten-„Lohengrin“ un­ter An­dris Nel­sons und Hans Neu­en­fels mit Jo­nas Kauf­mann in der Ti­tel­par­tie, der im Jahr dar­auf nicht mehr en­ga­giert wird, weil er bei nur ei­ner Haupt­pro­be feh­len wür­de. Die ein­sei­ti­ge Be­vor­zu­gung des neu­en För­der­ver­eins TAff durch die Fest­spiel­lei­te­rin­nen sorgt für Zoff mit den Mä­ze­nen und Wag­ner­ver­bän­den. Letzt­ma­lig steht die „Ring“-Inszenierung des Dra­ma­ti­kers Tank­red Dorst von 2006 im Pro­gramm, der für den ur­sprüng­lich en­ga­gier­ten Film­re­gis­seur Lars von Trier ein­sprang. Der Baye­ri­sche Rech­nungs­hof kri­ti­siert die Kar­ten­ver­ga­be, der Bun­des­rech­nungs­hof wird fol­gen. Ka­tha­ri­na Wag­ner kün­digt ein Pro­jekt an, in dem die Nazi-Ver­gan­gen­heit der Fa­mi­lie und der Fest­spie­le auf­ge­ar­bei­tet wer­den soll und das schon we­gen der feh­len­den Fi­nan­zie­rung im San­de ver­lau­fen wird.

2011: Im April sagt Wim Wen­ders ab, der de­si­gnier­te „Ring“-Regisseur für das gro­ße Wag­ner­ju­bi­lä­ums­jahr 2013. Beim Pres­se­emp­fang vor der Er­öff­nungs­pre­mie­re teilt Ka­tha­ri­na Wag­ner mit, dass für ihn Volks­büh­nen­chef Frank Cas­torf ein­sprin­gen wird. Dass die 1876 erst­mals ver­an­stal­te­ten, aber frü­her nicht re­gel­mä­ßig durch­ge­führ­ten Fest­spie­le mit die­ser Sai­son zum 100. Mal statt­fin­den wird von den Wag­ner-Ur­en­ke­lin­nen eben­so igno­riert wie das gro­ße Liszt-Ju­bi­lä­ums­jahr: Es gibt kein Ge­burts­tags­kon­zert für den Freund, Weg­be­rei­ter und Schwie­ger­va­ter Ri­chard Wag­ners. Die „Tannhäuser“-Neuinszenierung von Se­bas­ti­an Baum­gar­ten mit ei­ner avant­gar­dis­tisch ge­mein­ten Bio­gas­an­la­ge, Zu­schau­ern auf der Büh­ne und Pau­sen­be­spie­lung ist ein sze­ni­sches De­ba­kel, aus dem sich bald auch der Di­ri­gent Tho­mas Hen­gel­b­rock ver­ab­schie­den wird, der als Fach­mann für his­to­ri­sche Auf­füh­rungs­pra­xis von der Fest­spiel­lei­tung nicht ein­mal zwei Na­tur­hör­ner ge­neh­migt be­kommt. Um­be­set­zun­gen bei Di­ri­gen­ten und So­lis­ten ge­hö­ren nun schon zur Ta­ges­ord­nung, was die Qua­li­tät der Vor­stel­lun­gen deut­lich min­dert. Das wirkt sich auch auf den Kar­ten­ver­kauf aus. Bei Ka­tha­ri­na Wag­ners „Meistersinger“-Inszenierung von 2007 blei­ben schon bei der Wie­der­auf­nah­me-Pre­mie­re Plät­ze frei.

2012: We­gen ei­nes über­sto­che­nen Ha­ken­kreuz-Tat­toos muss Ti­tel­held Ev­ge­ny Ni­ki­tin vier Tage vor der „Holländer“-Premiere die Se­gel strei­chen, wäh­rend Ka­tha­ri­na Wag­ner Jo­na­than Mee­se als „Parsifal“-Regisseur für 2016 an­kün­digt, der ger­ne auch mit Hit­ler-Gruß auf­tritt. Zur Aus­stel­lung „Ver­stumm­te Stim­men“ gibt es kein Gruß­wort von den Fest­spiel­lei­te­rin­nen, die spä­ter auch den is­rae­li­schen Bot­schaf­ter ver­prel­len wer­den. Er­satz­los ge­stri­chen sind die Ge­werk­schafts­vor­stel­lun­gen, als bis­he­ri­ger Haupt­spon­sor hat sich Sie­mens ver­ab­schie­det, was das Aus des be­lieb­ten Pu­blic Vie­wings be­deu­tet. Als Haupt­spon­sor ab 2013 prä­sen­tiert Ka­tha­ri­na Wag­ner Wolf­gang Grupp, den Chef der Tex­til­fir­ma Tri­gema, des­sen En­ga­ge­ment nicht lan­ge vor­hält. Der neue „Hol­län­der“ un­ter dem für Ste­phan Kim­mig ein­ge­sprun­ge­nen Re­gis­seur Jan Phil­lip Glo­ger ist sze­nisch be­deu­tungs­los, was live auch im Kino zu er­le­ben ist. Letzt­ma­lig steht „Par­si­fal“ in der Re­gie von Ste­fan Her­heim auf dem Pro­gramm; die tech­nisch an­spruchs­vol­len Ver­wand­lun­gen klap­pen nicht mehr, weil über ein Drit­tel des Tech­nik­per­so­nals ge­kün­digt hat. Am Ran­de des Hü­gels ru­mort es, weil die Wie­land-Töch­ter den Um­gang ih­rer Cou­si­nen mit der NS-Ver­gan­gen­heit und die Um­bau­plä­ne von Haus Wahn­fried kri­ti­sie­ren. Die Fest­spiel­lei­te­rin­nen er­hal­ten im Herbst den Eon-Kul­tur­preis, des­sen Jury Mi­nis­te­ri­al­di­ri­gent Toni Schmid vor­steht, der Ver­wal­tungs­rats­vor­sit­zen­de der Festspiele.

2013: Erst­mals kann man Fest­spiel­kar­ten auch übers In­ter­net be­stel­len. Der Fest­spiel-Tech­nik­dienst­leis­ter zeigt sich nicht nur im ers­ten An­lauf heil­los über­for­dert. Pünkt­lich zum Wag­ner-Jub­liäums­jahr ist das Fest­spiel­haus ein­ge­rüs­tet und das Haus Wahn­fried zu­ge­sperrt, was Schlag­lich­ter auf die Ri­chard-Wag­ner-Stif­tung und den Fest­spiel-Ver­wal­tungs­rat wirft. Hin­ter al­lem steht der gern all­mäch­ti­ge Mi­nis­te­ria­le Toni Schmid, der ge­schickt die op­por­tu­nen Sat­zungs­än­de­run­gen durch­drü­cken wird. Die Fest­spie­le, die mit Heinz Die­ter Sen­se jetzt auch ei­nen Ge­schäfts­füh­ren­den Di­rek­tor ha­ben, rea­li­sie­ren als Jub­liäums­ga­be Wag­ners Früh­wer­ke zu stol­zen Ein­tritts­prei­sen in der Ober­fran­ken­hal­le. Der tra­shi­ge Jubiläums-„Ring“ des „Stü­cke­zer­trüm­me­rers“ Frank Cas­torf sorgt für ein Buh­kon­zert, auf das der Re­gis­seur ar­ro­gant re­agiert. Nur Di­ri­gent Ki­rill Pe­tren­ko über­zeugt Kri­ti­ker und Pu­bli­kum rest­los. Die Fach­zeit­schrift „Opern­welt“ kürt Pe­tren­ko zum Di­ri­gen­ten des Jah­res und Al­ek­sand­ar De­nic zum Büh­nen­bild­ner des Jah­res. Weil das ge­setz­li­che Ren­ten­al­ter auch für sai­so­na­le Mit­wir­ken­de gel­ten soll, sorgt eine ent­spre­chen­de Mit­tei­lung für Ru­mor; zu den Aus­nah­men wird auch noch 2018 Ver­wal­tungs­rats­vor­sit­zen­der Schmid zäh­len, der Ka­tha­ri­na Wag­ner auf ih­ren In­ten­dan­ten­pos­ten ge­bracht hat.

2014: Im Fe­bru­ar wird ge­mel­det, dass Eva Wag­ner-Pas­quier – ga­ran­tiert nicht frei­wil­lig! –  nach der Sai­son 2015 aus der Fest­spiel­lei­tung aus­schei­det, noch vor Fest­spiel­be­ginn wird der Ver­trag für Ka­tha­ri­na Wag­ner bis 2020 ver­län­gert. Laut ers­ten Pla­nun­gen soll die an­ste­hen­de Ge­ne­ral­sa­nie­rung des Fest­spiel­hau­ses min­des­tens 30 Mil­lio­nen Euro kos­ten. We­gen ei­ner tech­ni­schen Pan­ne muss bei der Er­öff­nung – Bun­des­kanz­le­rin An­ge­la Mer­kel fehlt aus­nahms­wei­se bei der Pre­mie­re – das Pu­bli­kum für vier­zig Mi­nu­ten aus dem Saal ge­schickt wer­den, wor­auf der kurz vor der Ren­te ste­hen­de lang­jäh­ri­ge Tech­nik­di­rek­tor Karl-Heinz Ma­titsch­ka ent­las­sen und „Tann­häu­ser“ vor­zei­tig aus dem Spiel­plan ge­stri­chen wird. Die F.A.Z. be­zeich­net die Fest­spiel­lei­tung nun­mehr als „Bay­reu­ther In­kom­pe­tenz-Team“, Frank Cas­torf lie­fert zu­sätz­li­che Kro­ko­di­le, be­klagt Zen­sur, un­ver­ständ­li­che Um­be­set­zun­gen und ein Kli­ma „wie im Os­ten“. Die ak­tu­el­len so­ge­nann­ten Re­gie­thea­ter-In­sze­nie­run­gen las­sen die Aus­lands­nach­fra­ge ein­bre­chen, die Zahl der po­ten­ten Spon­so­ren und Mä­ze­ne nimmt wei­ter ab. Im No­vem­ber wird der mit viel Bo­hei en­ga­gier­te Jo­na­than Mee­se für den „Par­si­fal“ 2016 wie­der aus­ge­la­den, weil sein Kon­zept an­geb­lich „nicht fi­nan­zier­bar“ sei. Der Selbst­ver­mark­tungs­künst­ler kon­tert mit ät­zen­der öf­fent­li­cher Kritik.

2015: Ka­tha­ri­na Wag­ners an­geb­lich noch von Va­ter Wolf­gang in Auf­trag ge­ge­be­ne „Tristan“-Inszenierung in De­kon­st­uk­ti­ons-Ma­nier stößt auf we­nig Be­geis­te­rung. Der bis­he­ri­ge Be­ra­ter Chris­ti­an Thie­le­mann wird zum Mu­sik­di­rek­tor der Fest­spie­le er­nannt – ein Pos­ten, den die Fest­spie­le bis­her nie ge­braucht ha­ben. Thie­le­mann soll die Ur­sa­che ei­nes „Hü­gel­ver­bots“ für Eva Wag­ner-Pas­quier sein, was wie­der­um Ki­rill Pe­tren­ko fast zum Aus­stieg bringt und nach sich zieht, dass Anja Kam­pe nicht wie vor­ge­se­hen die Isol­de singt. Kar­ten­su­cher sind am Grü­nen Hü­gel in­zwi­schen die Aus­nah­me, Bay­reuth sei „on it’s way downhill“ stellt auch das Por­tal mu​si​ca​l​ame​ri​ca​.com fest. Im Pu­bli­kum, das frü­her eine ver­schwo­re­ne Ken­ner­ge­mein­schaft war, sit­zen jetzt zu­neh­mend auch Be­su­cher, die erst­mals in Bay­reuth be­zie­hungs­wei­se in der Oper sind. Ent­spre­chend groß ist das Han­dy­ver­bots­schild auf dem Vor­hang. Auf Kar­ten muss man nicht mehr jah­re­lang war­ten, ah­nungs­lo­se Schwarz­händ­ler blei­ben auf ih­ren teu­ren Kar­ten so­gar sit­zen. Letzt­ma­lig di­ri­giert Ki­rill Pe­tren­ko den „Ring“, be­kommt aber nach sei­ner letz­ten „Göt­ter­däm­me­rung“ kei­nen Vor­hang mit dem Or­ches­ter. Was da­mit zu tun ha­ben könn­te, dass die Ber­li­ner Phil­har­mo­ni­ker ihn und nicht Thie­le­mann zu ih­rem neu­en Chef­di­ri­gen­ten ge­wählt haben.

2016: Ka­tha­ri­na Wag­ner ist schon län­ger kein Me­di­en­dar­ling mehr und macht sich auch sonst rar. Sie ist nicht mehr al­lei­ni­ge Ge­schäfts­füh­re­rin der Fest­spie­le GmbH: Ihr zur Sei­te steht seit April Hol­ger von Berg, der vom Münch­ner Re­si­denz­thea­ter auf den Grü­nen Hü­gel wech­selt. Auf­grund ei­ner Selbst­be­wer­bung darf Uwe Eric Lau­fen­berg sein für die Oper Köln ge­plan­tes Re­gie­kon­zept des „Par­si­fal“ in Bay­reuth um­set­zen und sorgt selbst­ge­fäl­lig we­gen an­geb­li­cher Is­lam­kri­tik und durch Kri­ti­ker­schel­te für Schlag­zei­len. Die geis­ti­ge Sub­stanz sei­ner In­sze­nie­rung ist mi­ni­mal, umso grö­ßer sind die Si­cher­heits­maß­nah­men rund um das teils ein­ge­zäun­te Fest­spiel­haus, das man mit dem Auto nicht mehr di­rekt an­fah­ren und in den Pau­sen auch nicht mehr als Fuß­gän­ger um­run­den kann. Be­ju­belt wer­den nach der plötz­li­chen Ab­sa­ge von Di­ri­gent An­dris Nel­sons der ein­ge­sprun­ge­ne Hart­mut Haen­chen und Klaus Flo­ri­an Vogt in der Ti­tel­rol­le, an­stel­le von Ki­rill Pe­tren­ko di­ri­gert der 77jährige Ma­rek Ja­now­ski den „Ring“, der im Pay TV prä­sen­tiert wird. Für Schlag­zei­len sor­gen von Wolf­gang Wag­ner ge­dreh­te Fil­me aus der NS-Zeit. Erst­mals ha­ben die Fest­spie­le of­fi­zi­ell nicht alle Ti­ckets ver­kauft, erst­mals wird spe­ku­liert, dass nach 2020 der der­zei­ti­ge Staats­opern­chef Ni­ko­laus Bach­ler aus Mün­chen Fest­spiel­in­ten­dant wer­den könnte.

2017: Fest­spiel­kar­ten – ob re­gu­lär be­stellt oder im On­line-So­fort­ver­kauf – sind suk­zes­si­ve teu­rer ge­wor­den. Für Neu­in­sze­nie­run­gen im Pre­mie­ren­jahr gibt es so­gar ge­staf­fel­te Prei­se. Die teu­ers­ten Ti­ckets für den Er­öff­nungs­tag kos­ten jetzt 400 Euro und in den spä­te­ren Vor­stel­lun­gen ma­xi­mal 368 Euro, die güns­tigs­ten Hör­plat­ze liegt jetzt bei 13 bzw. 12 Euro. Am Tag vor der Er­öff­nung fin­det nach den üb­li­chen Wag­ner­clan-in­ter­nen Que­re­len im Fest­spiel­haus ein von Hart­mut Haen­chen di­ri­gier­tes Ge­denk­kon­zert für Wie­land Wag­ner statt, der im Ja­nu­ar hun­dert Jah­re alt ge­wor­den wäre. Die „Meistersinger“-Neuinszenierung von Bar­rie Kos­ky, in der Wag­ners An­ti­se­mi­tis­mus the­ma­ti­siert wird, ge­lingt groß­ar­tig – un­ter der mu­si­ka­li­schen Lei­tung von Phil­ip­pe Jor­dan und mit ei­ner her­aus­ra­gen­den So­lis­ten­rie­ge, an­ge­führt von Mi­cha­el Vol­le als Sachs und Jo­han­nes Mar­tin Kränz­le als Beck­mes­ser. Letzt­ma­lig steht der Castorf-„Ring“ auf dem Pro­gramm und wird am Ende mit viel Ju­bel und der Ge­wiss­heit ver­ab­schie­det, dass es in 2018 noch ein Wie­der­se­hen mit der „Wal­kü­re“ ge­ben wird. In der von Ma­rie Lui­se Maintz ku­ra­tier­ten neu­en Ver­an­stal­tungs­rei­he „Dis­kurs Bay­reuth“ be­schäf­ti­gen sich die Fest­spie­le aus­führ­lich mit ih­rer brau­nen Ver­gan­gen­heit. Das Sym­po­si­um und die Kon­zer­te in Wahn­fried sind hoch­ka­rä­tig besetzt.

2018: Zum Pro­ben­be­ginn sagt der nicht text­fes­te Te­nor Ro­ber­to Alag­na ab, Pjotr Be­c­za­la springt ein. Die „Lohengrin“-Neuinszenierung in der blau­en Aus­stat­tung des Künst­ler­paa­res Neo Rauch und Rosa Loy floppt, weil der für Al­vis Her­ma­nis ein­ge­sprun­ge­ne Re­gis­seur Yu­val Sharon es nicht schafft, aus dem schon Vor­ge­ge­be­nen sze­ni­sche Fun­ken zu schla­gen. Chris­ti­an Thie­le­mann lei­tet erst­mals den „Lo­hen­grin“ in Bay­reuth und ist nach Fe­lix Mottl der zwei­te Mann im Gra­ben, der alle Wer­ke des Fest­spiel­re­per­toires di­ri­giert hat. An­stel­le von Hart­mut Haen­chen über­nimmt Se­my­on Bych­kov das „Parsifal“-Dirigat. Rund­her­um über­zeu­gend ist ne­ben den „Meistersinger“-Aufführungen nur noch die zwei­te Dis­kurs-Auf­la­ge – dies­mal zum The­ma „Ver­bo­te (in) der Kunst“ und mit der ers­ten Fest­spiel-Ur­auf­füh­rung seit 1882: Die Oper „der ver­schwun­de­ne hoch­zei­ter.“ von Klaus Lang wird al­ler­dings nicht im Fest­spiel­haus, son­dern im ehe­ma­li­gen Reichs­hof-Kino ge­zeigt. Als un­rühm­lich er­weist sich die Re­kord­sucht des frü­he­ren Star­te­nors Plá­ci­do Dom­in­go, der als ers­ter Bay­reuth-Sän­ger auch als Di­ri­gent wir­ken darf – in ei­ner drei­mal solo auf­ge­führ­ten „Wal­kü­re“, was im ei­gens für den „Ring“ ge­bau­ten Fest­spiel­haus ein nicht zu recht­fer­ti­gen­der Ta­bu­bruch ist. Dom­in­go wird aus­ge­buht, die mit­ver­ant­wort­li­che Fest­spiel­lei­tung man­gels Mög­lich­keit lei­der nicht.

Nach­trag 1: Im ge­ge­be­nen Zeit­raum fes­tigt Ka­tha­ri­na Wag­ner auch als Re­gis­seu­rin an an­de­ren Büh­nen ih­ren Ruf als Ab­sa­gen­kö­ni­gin. 2012 steigt sie we­gen an­geb­lich un­zu­läng­li­cher Pro­be­be­din­gun­gen vier Wo­chen vor der Pre­mie­re aus ei­nem als Instant-„Ring“ be­zeich­ne­ten Pro­jekt in Bue­nos Ai­res aus. Die von Cord Gar­ben mu­si­ka­lisch um die Hälf­te ver­kürz­te „Ring“-Tetralogie wird statt­des­sen von der ein­sprin­gen­den Re­gis­seu­rin Va­len­ti­na Car­ras­co in der vor­ge­ge­be­nen Aus­stat­tung rea­li­siert. Das Tea­t­ro Co­lon sagt spä­ter von sich aus eine für 2015 ge­plan­te „Parsifal“-Inszenierung durch Ka­tha­ri­na Wag­ner ab. Eine ur­sprüng­lich für Juni 2017 zu­ge­sag­te Neu­in­sze­nie­rung der Wag­ner-Ur­en­ke­lin am Na­tio­nal­thea­ter Prag schei­tert aus Sicht Ka­tha­ri­na Wag­ners an den tech­ni­schen Be­schränkt­hei­ten des Hau­ses. Statt­des­sen kas­siert sie da­für, dass sie mit zwei vor­han­de­nen Re­gie­bü­chern aus dem Nach­lass ih­res Va­ters die fünf­zig Jah­re alte „Lohengrin“-Inszenierung Wolf­gang Wag­ners von 1967 re­kon­stru­iert. Ende 2017 folgt der nächs­te Aus­stieg: Die an der Oper Leip­zig ge­plan­te Pre­mie­re von Wag­ners „Tann­häu­ser“ in der Re­gie von Ka­tha­ri­na Wag­ner wird „auf­grund or­ga­ni­sa­to­ri­scher Schwie­rig­kei­ten“ ab­ge­sagt. Ge­plant war eine Über­ar­bei­tung je­ner In­sze­nie­rung, die Ka­tha­ri­na Wag­ner im Som­mer 2009 auf ih­rer be­vor­zug­ten Ur­laubs­in­sel Gran Ca­na­ria in drei Vor­stel­lun­gen prä­sen­tier­te. Die Oper Leip­zig zeigt seit März 2018 statt­des­sen die schon an­dern­orts  ge­spiel­te, üb­ri­gens se­hens­wer­te „Tannhäuser“-Inszenierung von Ca­lix­to Biei­to, will es aber noch­mal mit der Wag­ner-Ur­en­ke­lin ver­su­chen, was wo­mög­lich un­ter­streicht, wie gern Opern­chef Ulf Schirm­er in Bay­reuth di­ri­gie­ren wür­de: Vor­aus­sicht­lich im No­vem­ber 2020 soll Ka­tha­ri­na Wag­ners „Lohengrin“-Inszenierung in Leip­zig Pre­mie­re ha­ben, ein Werk, das sie erst­mals 2004, un­ter­stützt von ih­rem da­ma­li­gen Dra­ma­tur­gen Ro­bert Sol­lich, in Bu­da­pest rea­li­siert hat.

Nach­trag 2: Dass man das al­les na­tür­lich auch ganz an­ders se­hen kann, ist klar. Des­halb ver­wei­se ich ger­ne auf die bei­den Bi­lanz-Ar­ti­kel, die vor Be­ginn der Fest­spiel­zeit er­schie­nen sind: Der ers­te ist von Ma­nu­el Brug, Feuil­le­ton-Mit­ar­bei­ter der „Welt“ und un­ter an­de­rem Mo­de­ra­tor der ak­tu­el­len Pod­cast-Fol­gen der Fest­spie­le. In dem kos­ten­pflich­ti­gen Ar­ti­kel „Die ers­te De­ka­de“ fällt in der Druck­ver­si­on zu­nächst die Be­bil­de­rung auf. Als Eye-Cat­cher fun­giert ein Sze­nen­fo­to des Ratten-„Lohengrin“, der im Bild­text als ei­ner der Hö­he­punk­te der Amts­zeit Ka­tha­ri­na Wag­ners be­schrie­ben wird, ob­wohl sie und ihre Halb­schwes­ter Eva Wag­ner-Pas­quier in ih­ren ers­ten Amts­jah­ren nicht müde wur­den, im­mer wie­der zu be­haup­ten, dass bis 2015 prak­tisch al­les noch von Wolf­gang Wag­ner ge­plant wor­den sei. Dass mit dem Bild­text zum dpa-Foto Ka­tha­ri­nas aus dem Jahr 2012 dann sug­ge­riert wird, es zei­ge die in­zwi­schen 40-jäh­ri­ge Wag­ner-Ur­en­ke­lin, kann man dem zu­stän­di­gen Blatt­ma­cher vor­wer­fen. Aber dass auch in der kor­ri­gier­ba­ren Netz­ver­si­on ein Ka­tha­ri­na-Foto ge­zeigt wird, das sicht­lich nicht ak­tu­ell ist, lässt zu­min­dest an­satz­wei­se an Fake-News den­ken. Brug stellt in wei­te­ren Ar­ti­keln zum und nach dem Fest­spiel­auf­takt fest, dass „Ka­tha­ri­na Wag­ner wal­kü­ren­fel­sen­fest im Che­fin­nen­sat­tel sitzt“, „im Prin­zip auch be­reits nach bis­he­ri­gem Ver­trags­en­de 2020“. Wo­her er das weiß? Ver­mut­lich von der Che­fin sel­ber, oder? Letz­te­re dürf­te ich, wenn Rein­hard J. Brem­beck und sei­nem Pro­fil-Kom­men­tar vom 24. Juli in der Süd­deut­schen Zei­tung glau­ben woll­te, schwer ver­kannt ha­ben. Denn der SZ-Kri­ti­ker hat ein Por­trät der Fest­spiel­lei­te­rin ver­fasst, in dem er das Kunst­stück schafft, Ka­tha­ri­na Wag­ner mit dem Fe­mi­nis­mus auf ei­nen Nen­ner zu brin­gen. Im­mer­hin kün­digt er aus­führ­lich an, dass den nächs­ten „Ring“ in Bay­reuth nicht etwa Ka­tha­ri­na Wag­ner „end­lich selbst“ in­sze­nie­ren wird, son­dern – als an­geb­lich ers­te Frau (war Co­si­ma kei­ne?) – Tat­ja­na Gür­ba­ca. Wo­her er das weiß? Wo­mög­lich von Toni Schmid, der un­ter an­de­rem bei der SZ als Jour­na­list ar­bei­te­te, be­vor er ins Kul­tus­mi­nis­te­ri­um wech­sel­te, sich dort schnell als ei­gent­li­cher Ma­cher der Kul­tur­po­li­tik in Bay­ern er­wies und längst im Pen­si­ons­al­ter nach wie vor un­ter an­de­rem als  Ver­wal­tungs­rats­vor­sit­zen­der der Fest­spiel-GmbH agiert? Wie auch im­mer: Tat­ja­na Gür­ba­ca ist eine Re­gis­seu­rin, die ihr Hand­werk ver­steht, was ihr schon früh Aus­zeich­nun­gen ein­brach­te. Im Jahr 2000 ge­wann sie den re­nom­mier­ten Ring Award in Graz, 2013 wur­de sie von der in­ter­na­tio­na­len Fach­zeit­schrift Opern­welt zur Re­gis­seu­rin des Jah­res ge­kürt - und ihre „Parsifal“-Inszenierung in Ant­wer­pen zur Auf­füh­rung des Jah­res, die dar­über hin­aus 2014 in Lon­don als „Bes­te Opern­pro­duk­ti­on“ mit dem In­ter­na­tio­nal Ope­ra Award prä­miert wur­de. 2016/17 er­ar­bei­te­te sie in Ant­wer­pen und Gent mit dem „Flie­gen­den Hol­län­der“ und in Es­sen mit „Lo­hen­grin“ zwei wei­te­re Re­per­toire­wer­ke von Ri­chard Wag­ner. Am Thea­ter an der Wien brach­te Gür­ba­ca zu­letzt mit dem Di­ri­gen­ten Con­stan­tin Trinks eine ei­ge­ne „Ring“-Fassung her­aus, die als Tri­lo­gie Wag­ners Te­tra­lo­gie aus der Per­spek­ti­ve von Ha­gen, Sieg­fried und Brünn­hil­de er­zähl­te. Man darf also ge­spannt sein!

Erst­ver­öf­fent­li­chung die­ser Bi­lanz in ei­ner kür­ze­ren Ver­si­on am 30. Au­gust im Feuil­le­ton des Frän­ki­schen Tags