Dreikönigstag, klare Sache. Da bietet sich ein Blick in die berühmten, von Otto Strobel herausgegebenen Königsbriefe an. „Mein angebeteter, engelgleicher Freund! Mein lieber König!“, schreibt Richard Wagner am 6. Januar 1865 an König Ludwig II., nachdem der ihm tags zuvor angekündigt hat, dass Gottfried Semper das künftige Wagnertheater plane. „Wenn solche Wunderbotschaft kommt, wie wieder gestern Abend, trifft es mich mit electrischen Schlage bis zur Betäubung: dann strömt mir das Feuer in die Augen; es wird hell und rosig klar um mich: die Zukunft wird zur Gegenwart, und ich bin wieder Herr meiner Kraft, meines Glaubens.“ […] „Was sagt da das Wort ‚Dank‘? Hier kann nur Liebe und schöpferische That noch reden! Beides sind Eines in mir! – Die liebevolle That, sie soll gethan werden! Gewiss!“
Und er fügt dem Schreiben bei, „was mein gnädigster König von mir gewünscht hat“: eine Aufstellung seiner „Schriften und Schriftchen – auch Ungedrucktes“, wie er sie als gesammelt herausgeben will. Wenig später reicht er auch noch seine detaillierten Pläne bis ins Jahr 1873 nach, welche seiner Werke wann und wo aufgeführt werden könnten. Es sind ehrgeizige Pläne, denn das vorerst in München zu denkende neugebaute Festtheater soll 1867 mit dem „Ring des Nibelungen“ eröffnet werden. In seiner weiteren Festspielplanung ist für August 1870 sogar noch die Uraufführung der nie realisierten Oper „Die Sieger“ vorgesehen. Und für 1873 steht erstmals wieder die Tetralogie im Programm. „Vorher: Tannhäuser. Lohengrin. Tristan. Nachher: Meistersinger, Sieger. Parzival. Dann – mögen Andre kommen!“
Am Dreikönigstag 1870 – da war die glorreiche Münchner Zeit längst vorbei und die Korrespondenz nurmehr sporadisch – beantwortete der mit 24 Jahren immer noch sehr junge König ein Dankschreiben seines „ueber Alles geliebten, einzigen Freunds“ unter anderem wie folgt: „Sie sehen, dass sie keinen Grund haben, bezüglich meiner Begeisterung für Sie und Unsre Ideale eine Aenderung in meinem Inneren vorgegangen zu wähnen. Sie bleiben bis zu Unserem zugleich eintretenden Tode mein König und Gott, der Herr meines Lebens, der Grund meines Daseins.“
Mehrfach beklagt er sich über seinen „furchtbaren Beruf“ als König und versichert: „Meine Krone trage ich um Ihretwillen; künden Sie mir noch einmal befehlend Ihren Willen, Sie werden Gehorsam finden; aber entziehen Sie mir nicht die Lebenslust, indem Sie mir die Aufführung Ihrer Werke untersagen, in denen ich schwelge, die mir unerlässlich sind, mitten im entsetzensvoll grässlichen Berufsleben, das oft geradezu zur Unerträglichkeit sich steigert.“ Erneutes Klagen auch im letzten Briefabsatz: „O wie beneide ich Sie, im herrlich trauten Triebschen so ganz in Ihren idealen Sphären schweben zu können; o bedauern Sie den armen, fernen Freund, der von jenen erhabenen Welten immer wieder hinab gerissen wird auf die nichtige Erdenwelt, wo er, so ganz in seinem Innern zuwider, zu leben, zu wirken verdammt ist. Ich muß schließen, es ist spät; morgen beginnt es wieder, das Hetzen im Tagesleben, ruhe- und freudelos und doch nöthig; ‚Wahn, Wahn, überall Wahn!‘ “
Letzteres gilt auch für einen Traum Richard Wagners, den Cosima am 6. Januar 1873 in ihrem Tagebuch festhielt: „R. träumte, dass König Ludwig II. erschossen sei, wollte mich finden, mir dies zu melden, fand mich nicht, wurde von einem bösen Hund gebissen, tröstete sich mit dem Gedanken, es sei Louis Philipp, der erschossen worden sei, auf welchen ja vielfach gezielt worden sei, darauf wachte er auf, immer nicht ganz wohl.“
In Wagners Opern und Musikdramen gibt es übrigens konkret insgesamt nicht drei, sondern vier Könige, die so von ihm im Handlungspersonal oder im Libretto bezeichnet werden: König Arindal in „Die Feen“, König Heinrich der Vogler im „Lohengrin“, König Marke in „Tristan und Isolde“ sowie der Gralskönig in „Parsifal“, für den es genau genommen drei Protaganisten gibt: Titurel (als König in der Austragsgruft), Amfortas (als siech amtierender König) und am Schluss Parsifal (als sein Nachfolger).
Zum Dreikönigstag verrate ich gerne, was meine Lieblingsstellen von und mit Wagnerschen Königsfiguren sind, natürlich nur die ganz kurzen – sonst bin ich morgen noch nicht fertig! Erstens natürlich das wunderbar barsche „Jetzt geht! Versäumt den König im Bade nicht“, das Gurnemanz den Knappen im 1. Akt zuraunzt, um dann, nachdem er kapiert hat, dass das nicht gerade motivierend wirkt, ein weicheres „Helft!“ nachzuschieben. Zweitens liebe ich, obwohl ich von Gottesurteilen nicht viel halte, die Kurzansprache König Heinrichs, bevor der Kampf zwischen Lohengrin und Telramund beginnt: „So hilf uns, Gott, zu dieser Frist, weil unsre Weisheit Einfalt ist“ beeindruckt mich deshalb jedes Mal, weil Wagner ausgerechnet zur Einfalt eine so großartige Musik komponiert hat. Dass er ein Meister der Verdichtung ist und mitnichten der ihm gern unterstellten Weitschweifigkeit beweist auch meine Nummer 1 unter den Königs-Kurzstellen: Wenn am Ende des 1. Akts auf Kurwenals Ankündigung, dass der König naht, Tristan völlig verwirrt zurückfragt „Welcher König?“ und dann sogleich die geballten König-Heil-Rufe über ihn hereinbrechen, versteht man innerhalb von ein paar Sekunden schon das ganze Drama.
Erstveröffentlichung am 6. Januar auf www.infranken.de in dem Blog „Mein Wagner-Jahr“
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