Gold, Weihrauch und Myrrhe

Nicht nur am Drei­kö­nigs­tag lohnt es sich, Lud­wig II. zu ge­den­ken. Denn Ri­chard Wag­ner, der „Kö­nig, Gott und Herrn sei­nes Le­bens“, be­deu­te­te ihm fast al­les – Gold, Geld und ge­gen­sei­ti­ge Be­weih­räu­che­rung inklusive.
Kö­nig Lud­wig II. anno 1866  im Or­nat des Groß­meis­ters vom Ge­or­gi-Rit­ter­or­den Foto: Wi­ki­me­dia commons/​Joseph Albert

Drei­kö­nigs­tag, kla­re Sa­che. Da bie­tet sich ein Blick in die be­rühm­ten, von Otto Stro­bel her­aus­ge­ge­be­nen Kö­nigs­brie­fe an. „Mein an­ge­be­te­ter, en­gel­glei­cher Freund! Mein lie­ber Kö­nig!“, schreibt Ri­chard Wag­ner am 6. Ja­nu­ar 1865 an Kö­nig Lud­wig II., nach­dem der ihm tags zu­vor an­ge­kün­digt hat, dass Gott­fried Sem­per das künf­ti­ge Wag­ner­thea­ter pla­ne. „Wenn sol­che Wun­der­bot­schaft kommt, wie wie­der ges­tern Abend, trifft es mich mit elec­tri­schen Schla­ge bis zur Be­täu­bung: dann strömt mir das Feu­er in die Au­gen; es wird hell und ro­sig klar um mich: die Zu­kunft wird zur Ge­gen­wart, und ich bin wie­der Herr mei­ner Kraft, mei­nes Glau­bens.“ […] „Was sagt da das Wort ‚Dank‘? Hier kann nur Lie­be und schöp­fe­ri­sche That noch re­den! Bei­des sind Ei­nes in mir! – Die lie­be­vol­le That, sie soll gethan wer­den! Gewiss!“

Und er fügt dem Schrei­ben bei, „was mein gnä­digs­ter Kö­nig von mir ge­wünscht hat“: eine Auf­stel­lung sei­ner „Schrif­ten und Schrift­chen – auch Un­ge­druck­tes“, wie er sie als ge­sam­melt her­aus­ge­ben will. We­nig spä­ter reicht er auch noch sei­ne de­tail­lier­ten Plä­ne bis ins Jahr 1873 nach, wel­che sei­ner Wer­ke wann und wo auf­ge­führt wer­den könn­ten. Es sind ehr­gei­zi­ge Plä­ne, denn das vor­erst in Mün­chen zu den­ken­de neu­ge­bau­te Fest­thea­ter soll 1867 mit dem „Ring des Ni­be­lun­gen“ er­öff­net wer­den. In sei­ner wei­te­ren Fest­spiel­pla­nung ist für Au­gust 1870 so­gar noch die Ur­auf­füh­rung der nie rea­li­sier­ten Oper „Die Sie­ger“ vor­ge­se­hen. Und für 1873 steht erst­mals wie­der die Te­tra­lo­gie im Pro­gramm. „Vor­her: Tann­häu­ser. Lo­hen­grin. Tris­tan. Nach­her: Meis­ter­sin­ger, Sie­ger. Par­zi­val. Dann – mö­gen And­re kommen!“

Am Drei­kö­nigs­tag 1870 – da war die glor­rei­che Münch­ner Zeit längst vor­bei und die Kor­re­spon­denz nur­mehr spo­ra­disch – be­ant­wor­te­te der mit 24 Jah­ren im­mer noch sehr jun­ge Kö­nig ein Dank­schrei­ben sei­nes „ueber Al­les ge­lieb­ten, ein­zi­gen Freunds“ un­ter an­de­rem wie folgt: „Sie se­hen, dass sie kei­nen Grund ha­ben, be­züg­lich mei­ner Be­geis­te­rung für Sie und Uns­re Idea­le eine Aen­de­rung in mei­nem In­ne­ren vor­ge­gan­gen zu wäh­nen. Sie blei­ben bis zu Un­se­rem zu­gleich ein­tre­ten­den Tode mein Kö­nig und Gott, der Herr mei­nes Le­bens, der Grund mei­nes Daseins.“

Mehr­fach be­klagt er sich über sei­nen „furcht­ba­ren Be­ruf“ als Kö­nig und ver­si­chert: „Mei­ne Kro­ne tra­ge ich um Ih­ret­wil­len; kün­den Sie mir noch ein­mal be­feh­lend Ih­ren Wil­len, Sie wer­den Ge­hor­sam fin­den; aber ent­zie­hen Sie mir nicht die Le­bens­lust, in­dem Sie mir die Auf­füh­rung Ih­rer Wer­ke un­ter­sa­gen, in de­nen ich schwel­ge, die mir un­er­läss­lich sind, mit­ten im ent­set­zens­voll gräss­li­chen Be­rufs­le­ben, das oft ge­ra­de­zu zur Un­er­träg­lich­keit sich stei­gert.“ Er­neu­tes Kla­gen auch im letz­ten Brief­ab­satz: „O wie be­nei­de ich Sie, im herr­lich trau­ten Trieb­schen so ganz in Ih­ren idea­len Sphä­ren schwe­ben zu kön­nen; o be­dau­ern Sie den ar­men, fer­nen Freund, der von je­nen er­ha­be­nen Wel­ten im­mer wie­der hin­ab ge­ris­sen wird auf die nich­ti­ge Er­den­welt, wo er, so ganz in sei­nem In­nern zu­wi­der, zu le­ben, zu wir­ken ver­dammt ist. Ich muß schlie­ßen, es ist spät; mor­gen be­ginnt es wie­der, das Het­zen im Ta­ges­le­ben, ruhe- und freu­de­los und doch nö­thig; ‚Wahn, Wahn, über­all Wahn!‘ “

Letz­te­res gilt auch für ei­nen Traum Ri­chard Wag­ners, den Co­si­ma am 6. Ja­nu­ar 1873 in ih­rem Ta­ge­buch fest­hielt: „R. träum­te, dass Kö­nig Lud­wig II. er­schos­sen sei, woll­te mich fin­den, mir dies zu mel­den, fand mich nicht, wur­de von ei­nem bö­sen Hund ge­bis­sen, trös­te­te sich mit dem Ge­dan­ken, es sei Lou­is Phil­ipp, der er­schos­sen wor­den sei, auf wel­chen ja viel­fach ge­zielt wor­den sei, dar­auf wach­te er auf, im­mer nicht ganz wohl.“

In Wag­ners Opern und Mu­sik­dra­men gibt es üb­ri­gens kon­kret ins­ge­samt nicht drei, son­dern vier Kö­ni­ge, die so von ihm im Hand­lungs­per­so­nal oder im Li­bret­to be­zeich­net wer­den: Kö­nig Arind­al in „Die Feen“, Kö­nig Hein­rich der Vog­ler im „Lo­hen­grin“, Kö­nig Mar­ke in „Tris­tan und Isol­de“ so­wie der Gral­skö­nig in „Par­si­fal“, für den es ge­nau ge­nom­men drei Protag­anis­ten gibt: Ti­tu­rel (als Kö­nig in der Aus­trags­gruft), Am­for­tas (als siech am­tie­ren­der Kö­nig) und am Schluss Par­si­fal (als sein Nachfolger).

Zum Drei­kö­nigs­tag ver­ra­te ich ger­ne, was mei­ne Lieb­lings­stel­len von und mit Wag­ner­schen Kö­nigs­fi­gu­ren sind, na­tür­lich nur die ganz kur­zen – sonst bin ich mor­gen noch nicht fer­tig! Ers­tens na­tür­lich das wun­der­bar bar­sche „Jetzt geht! Ver­säumt den Kö­nig im Bade nicht“, das Gurn­emanz den Knap­pen im 1. Akt zu­raunzt, um dann, nach­dem er ka­piert hat, dass das nicht ge­ra­de mo­ti­vie­rend wirkt, ein wei­che­res „Helft!“ nach­zu­schie­ben. Zwei­tens lie­be ich, ob­wohl ich von Got­tes­ur­tei­len nicht viel hal­te, die Kurz­an­spra­che Kö­nig Hein­richs, be­vor der Kampf zwi­schen Lo­hen­grin und Tel­ra­mund be­ginnt: „So hilf uns, Gott, zu die­ser Frist, weil uns­re Weis­heit Ein­falt ist“ be­ein­druckt mich des­halb je­des Mal, weil Wag­ner aus­ge­rech­net zur Ein­falt eine so groß­ar­ti­ge Mu­sik kom­po­niert hat. Dass er ein Meis­ter der Ver­dich­tung ist und mit­nich­ten der ihm gern un­ter­stell­ten Weit­schwei­fig­keit be­weist auch mei­ne Num­mer 1 un­ter den Kö­nigs-Kurz­stel­len: Wenn am Ende des 1. Akts auf Kur­wenals An­kün­di­gung, dass der Kö­nig naht, Tris­tan völ­lig ver­wirrt zu­rück­fragt „Wel­cher Kö­nig?“ und dann so­gleich die ge­ball­ten Kö­nig-Heil-Rufe über ihn her­ein­bre­chen, ver­steht man in­ner­halb von ein paar Se­kun­den schon das gan­ze Drama.

Erst­ver­öf­fent­li­chung am 6. Ja­nu­ar auf www​.in​fran​ken​.de in dem Blog „Mein Wag­ner-Jahr“

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