Journalistische Reflexe

Aus ge­ge­be­nem An­lass ei­ni­ge An­mer­kun­gen zur Be­richt­erstat­tung über die län­ger­fris­ti­ge Er­kran­kung von Fest­spiel­lei­te­rin Ka­tha­ri­na Wagner.

„Der ver­hüll­te Gral“: Farb­stift­zeich­nung von un­se­rem Mit­glied, dem Bam­ber­ger Ma­ler und Büh­nen­bild­ner Karl­heinz Beer aus dem Jahr 1998 Vor­la­ge: Karl­heinz Beer/​VG Bild-Kunst 2020

Als Re­dak­teu­rin im Ru­he­stand kann ich den Lu­xus ge­nie­ßen, nicht so­fort auf jede Neu­ig­keit re­agie­ren zu müs­sen. Son­dern darf in Ruhe ab­war­ten und son­die­ren. Die bis­he­ri­ge Be­richt­erstat­tung zur Er­kran­kung von Ka­tha­ri­na Wag­ner ist ein Mus­ter­bei­spiel für jour­na­lis­ti­sche Re­fle­xe, für  Fak­ten­wurs­tig­keit, Ge­schmack­lo­sig­keit und Ent­glei­sun­gen – ob es sich nun um Agen­tur­tex­te, um Ar­ti­kel in Bou­le­vard­blät­tern, Mu­sik­blogs oder an­ge­se­he­nen Zei­tun­gen han­delt. Das Gros mei­ner Leser*innen kennt mich schon lan­ge als har­te Kri­ti­ke­rin der Fest­spiel­lei­te­rin, die zu kri­ti­sie­ren mir jetzt al­ler­dings völ­lig fern liegt, denn sie ist of­fen­sicht­lich schwer er­krankt. Es geht aus eben die­sem An­lass mehr ums ei­ge­ne Me­tier. Hier mei­ne Blattkritik.

Die ur­sprüng­li­che Nach­richt, die am 27. April 2020 vom Pres­se­bü­ro der Bay­reu­ther Fest­spie­le ver­brei­tet wur­de, lau­te­te wie folgt:
Pres­se­mit­tei­lung Er­wei­te­rung Ge­schäfts­füh­rung Bay­reu­ther Festspiele
Die Bay­reu­ther Fest­spie­le müs­sen lei­der mit­tei­len, dass ihre Ge­schäfts­füh­re­rin, Fest­spiel­lei­te­rin Frau Prof. Ka­tha­ri­na Wag­ner, län­ger­fris­tig er­krankt ist. Um die Ge­schäfts­fä­hig­keit und den Be­trieb der Bay­reu­ther Fest­spie­le GmbH zu si­chern, wur­de der ehe­ma­li­ge kauf­män­ni­sche Ge­schäfts­füh­rer der Bay­reu­ther Fest­spie­le GmbH, Herr Heinz-Die­ter Sen­se, vom Ver­wal­tungs­rat und der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung zum 3. Ge­schäfts­füh­rer be­stellt. Er wird Frau Wag­ner kom­mis­sa­risch ver­tre­ten. Die Mit­ar­bei­ter der Bay­reu­ther Fest­spie­le wün­schen Frau Wag­ner von Her­zen gute Bes­se­rung, viel Kraft und bal­di­ge Genesung.

Er­freu­li­cher­wei­se hat wirk­lich nie­mand die fak­tisch kor­rek­te Über­schrift eins zu eins über­nom­men. Denn wäh­rend es bei die­sem Ti­tel vor al­lem um ein wirt­schafts- bzw. ge­sell­schafts­recht­li­ches De­tail geht, war und ist na­tür­lich die „län­ger­fris­ti­ge Er­kran­kung“ der Fest­spiel­lei­te­rin die we­sent­li­che Nach­richt. Zur Art der Er­kran­kung gab es von Sei­ten der Fest­spie­le auf di­ver­se jour­na­lis­ti­sche Nach­fra­gen hin kei­ne wei­te­ren Aus­künf­te. Der neue Fest­spiel­pres­se­spre­cher Hu­ber­tus Herr­mann, der da­mit zum ers­ten Mal über­haupt in die­ser Funk­ti­on in Er­schei­nung ge­tre­ten ist, ant­wor­te­te Brit­ta Schul­te­jans von der Deut­schen Pres­se-Agen­tur (dpa) am 27. April auf die Fra­ge, wie lan­ge die Wag­ner-Ur­en­ke­lin aus­fal­le, mit „Bis auf wei­te­res“. (Herr­mann ist un­ter Bay­reuth-Jour­na­lis­ten üb­ri­gens kein Un­be­kann­ter: Er zähl­te schon in den letz­ten drei Jah­ren zu den som­mer­li­chen Mit­ar­bei­tern im Pressebüro.)

Die wei­te­ren In­for­man­ten zu die­sem dpa-Be­richt, die wört­lich zi­tiert wer­den, sind Ni­co­laus Rich­ter, der Vor­sit­zen­de des Ri­chard-Wag­ner-Ver­bands Bay­reuth, und vor al­lem Ge­org Frei­herr von Wal­den­fels. Der Rechts­an­walt, lang­jäh­ri­ge CSU-Po­li­ti­ker, dar­un­ter fünf Jah­re als baye­ri­scher Fi­nanz­mi­nis­ter, Sport- und Kul­tur­ma­na­ger ist seit zehn Jah­ren auch Vor­stands­vor­sit­zen­der der ein­fluss­rei­chen Ge­sell­schaft der Freun­de von Bay­reuth (GdF) und gleich­zei­tig so­wohl Ver­tre­ter der GdF in der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung der Bay­reu­ther Fest­spie­le GmbH als auch Mit­glied im Ver­wal­tungs­rat der Bay­reu­ther Fest­spie­le GmbH.

War­um Hol­ger von Berg, Ge­schäfts­füh­ren­der Di­rek­tor der Bay­reu­ther Fest­spie­le GmbH und im Fest­spie­le-Or­ga­ni­gramm zu­sam­men mit Fest­spiel­lei­te­rin Ka­tha­ri­na Wag­ner der höchs­te Fest­spiel­re­prä­sen­tant, in dem Ar­ti­kel nur am Ran­de vor­kommt, bleibt of­fen. Wur­de er nicht be­fragt, war­um die Fest­spiel-GmbH jetzt gleich drei Ge­schäfts­füh­rer braucht? Könn­te es da­mit zu tun ha­ben, dass zwar der Ver­trag der Fest­spiel­lei­te­rin (die auf dem Pa­pier nichts an­de­res ist als eine Ge­schäfts­füh­re­rin der Fest­spiel-GmbH) im No­vem­ber 2019 ver­län­gert wur­de, Hol­ger von Bergs Ver­trag, der seit April 2016 für die wirt­schaft­li­chen Be­lan­ge zu­stän­dig ist, wo­mög­lich nicht?

„Wir hof­fen“, zi­tiert der ers­te dpa-Be­richt Ge­org von Wal­den­fels, „dass die bei­den Ge­schäfts­füh­rer“ – also Hol­ger von Berg und der von Ver­wal­tungs­rat und Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung der Fest­spiel-GmbH er­neut in die­ses Amt be­ru­fe­ne 81-jäh­ri­ge Heinz-Die­ter Sen­se – „die Wei­chen rich­tig stel­len – auch mit der Ver­schie­bung der In­sze­nie­rung des ‚Ring‘.“ Ob ein Ex-Mi­nis­ter und Ma­cher wie Ge­org von Wal­den­fels sich aufs Hof­fen be­schränkt? Und war­um hat man vom am­tie­ren­den Fest­spiel-Mu­sik­di­rek­tor Chris­ti­an Thie­le­mann noch kein ein­zi­ges Wort dazu ge­hört? Wäre er als lang­jäh­ri­ger Fest­spiel­künst­ler nicht die na­he­lie­gen­de In­te­rims­lö­sung für den künst­le­ri­schen Part in der GmbH-Ge­schäfts­füh­rung gewesen?

Wie auch im­mer: Sehr vie­le Me­di­en ha­ben den dpa-Be­richt vom 27. April über­nom­men, ei­ni­ge re­agier­ten zu­sätz­lich mit ei­ge­nen Ar­ti­keln und Mut­ma­ßun­gen. So mel­de­te Nor­man Le­brecht, im Mu­sik­le­ben Groß­bri­tan­ni­ens eine In­sti­tu­ti­on, in sei­nem Mu­sik­blog slip­ped disc zu­nächst als Brea­king News, dass Ka­tha­ri­na Wag­ner er­krankt sei, und schon we­nig spä­ter kon­sta­tier­te er ver­mut­lich als Ers­ter, dass da­mit erst­mals seit 1876 die Ge­schi­cke der Fest­spie­le in den Hän­den von Per­so­nen lä­gen, die kein Mit­glied der Fa­mi­lie Wag­ner sind. In der Süd­deut­schen Zei­tung äu­ßer­te sich on­line am 28. April um 18:49 Uhr (und tags dar­auf in der Druck­aus­ga­be) Rein­hard Brem­beck, lang­jäh­ri­ger Feuil­le­ton-Re­dak­teur, un­ter dem Ti­tel „Um­pla­nen“. In die­sem re­la­tiv kur­zen Text ver­fällt der Au­tor der von ihm be­schrie­be­nen Män­ner­las­tig­keit lei­der auch selbst. Wie sonst konn­te ein Satz pas­sie­ren wie der fol­gen­de: „Ka­tha­ri­na Wag­ner ist eine der we­ni­gen In­ten­dan­ten im tra­di­tio­nell män­ner­las­ti­gen deut­schen Thea­ter­be­trieb, aber nach Ri­chard Wag­ners Frau Co­si­ma und der Na­tio­nal­so­zia­lis­tin Wi­nif­red die drit­te all­mäch­ti­ge Frau in Bayreuth.“

War­um schreibt er im ge­ge­be­nen sprach­li­chen Kon­text nicht von Ka­tha­ri­na Wag­ner als In­ten­dan­tin? Schlim­mer noch ver­klei­nert er Co­si­ma Wag­ner, die von 1883 bis 1906 Fest­spiel­lei­te­rin war und in die­ser Zeit bis auf „Par­si­fal“ alle Wer­ke des Bay­reuth-Re­per­toires auch in­sze­nier­te, auf „Ri­chard Wag­ners Frau Co­si­ma“. Und Wi­nif­red Wag­ner, Fest­spiel­lei­te­rin von 1931 bis 1944, wird vom ihm pau­schal auf die Na­tio­nal­so­zia­lis­tin re­du­ziert, die sie be­kannt­lich mit ei­ner ge­wis­sen Starr­köp­fig­keit lei­der auch war, aber eben nicht nur. Na­tür­lich fragt man sich, was in Brem­becks Kopf her­um­schwirr­te, wenn er die drei Ge­nann­ten als „all­mäch­ti­ge Frau­en in Bay­reuth“ sub­sum­miert? Hät­te er es nicht ein­fach we­ni­ger frau­en­feind­lich und wer­tungs­frei bei den ge­ge­be­nen ver­wandt­schaft­li­chen Be­zie­hun­gen, also bei Ur­groß­mutter und Groß­mutter be­las­sen kön­nen? Was um Him­mels wil­len hat die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ge­sin­nung Wi­nif­reds, die 1980 starb, mit der jet­zi­gen Er­kran­kung ih­rer En­ke­lin Ka­tha­ri­na zu tun, die 1978 ge­bo­ren wur­de? Ler­nen wir welt­weit nicht ge­ra­de be­son­ders in­ten­siv, wie kost­bar Ge­sund­heit für alle Men­schen ist?

Wo­mög­lich hat Brem­becks Ar­ti­kel so­gar an­de­re er­mu­tigt, die Sa­che doch gleich noch ent­schie­de­ner an­zu­ge­hen, um nicht zu sa­gen völ­lig ent­hemmt. Alex­an­der Graf von Schön­burg-Glauch­au, Mit­glied der Chef­re­dak­ti­on der Bild-Zei­tung, Au­tor des Bu­ches „Die Kunst des läs­si­gen An­stands“ und Bru­der von Glo­ria von Thurn und Ta­xis, so­wie die Bild-Gra­fi­ker mach­ten je­den­falls Nä­gel mit Köp­fen. Für die An­kün­di­gung des on­line nur für Abon­nen­ten zu­gäng­li­chen Bild-plus-Ar­ti­kels mit der Über­schrift „Mein lie­ber Schwan!* Der Un­ter­gang des Hau­ses Wag­ner“ wur­de am 28. April um 22:59 Uhr ein ak­tu­el­les Por­trät­fo­to Ka­tha­ri­na Wag­ners auf schwar­zem Grund in ei­ner Col­la­ge di­rekt kom­bi­niert mit ei­nem Foto von 1938, das Adolf Hit­ler mit Wi­nif­red, Wie­land und Wolf­gang Wag­ner so­wie ei­ni­gen NS-Char­gen beim Spa­zier­gang im Wahn­fried­gar­ten zeigt.

In der Druck­ver­si­on wur­den die Fo­tos we­nigs­tens von­ein­an­der ge­trennt ver­öf­fent­licht, in­halt­lich geht der Au­tor trotz­dem we­nig rit­ter­lich in die Vol­len: „Es ist das Ende ei­ner deut­schen Dy­nas­tie“ be­haup­tet er, setzt nach mit „Die Fa­mi­lie ist raus!“ und be­fragt dazu den schon er­wähn­ten Kri­ti­ker Nor­man Le­brecht, der mit fol­gen­dem Satz zi­tiert wird: „Nun kann sich Bay­reuth von den Geis­tern der Ver­gan­gen­heit be­frei­en und wird künf­tig nicht mehr von Vor­lie­ben ein­zel­ner Blutsab­kömm­lin­ge be­stimmt wer­den.“ Ge­krönt wird die­ses Mus­ter­bei­spiel an Fake News mit von Schön­burgs Schluss­ab­satz: „Ganz Bay­reuth hofft auf eine schnel­le Er­ho­lung Ka­tha­ri­na Wag­ners. Nicht un­be­dingt aber auf ihre Rück­kehr auf den Chef­ses­sel.“ Was Axel Brüg­ge­mann, ein Jour­na­lis­ten­freund Ka­tha­ri­na Wag­ners, im Fach­ma­ga­zin Cre­scen­do als den wohl be­knack­tes­ten Kom­men­tar in ei­ner der­ar­ti­gen Si­tua­ti­on be­zeich­net, wo­mit ich ihm aus­nahms­wei­se recht gebe.

Auf slip­ped disc spinnt Nor­man Le­brecht den Fa­den wei­ter und schreibt un­ter dem Ti­tel „What next for Bay­reuth now the last Wag­ner has gone?“ am 29. April: In a com­ment to Berlin’s Bild news­pa­per I sum­ma­ri­sed: ‚This is the end of the line. The last Wag­ner has left Bay­reuth and the shri­ne is li­be­ra­ted. The past can be cle­an­sed by let­ting in­de­pen­dant scho­lars into the ar­chi­ves and the fu­ture can be re­con­s­truc­ted around prin­ci­ples that have not­hing to do with blood­li­nes – only  art.‘ Was da­nach als nächs­tes kom­men könn­te, weiß der Hell­se­her auch schon: Dass die Ge­schäfts­füh­rung sich un­ter kom­pe­ten­ten Opern­in­ten­dan­ten nach ei­ner In­te­rims­lö­sung um­schau­en könn­te, dass in Bay­reuth da­für auch er­folg­rei­che Re­gis­seu­re wie Bar­rie Kos­ky oder To­bi­as Krat­zer in Fra­ge kä­men, dass Eva Wag­ner-Pas­quier noch­mals be­ru­fen wer­den könn­te und schließ­lich auch noch bis­her nicht be­rück­sich­ti­ge Fa­mi­li­en­mit­glie­der An­sprü­che an­mel­den könn­ten. „It re­al­ly is all up for grabs“ be­haup­tet Le­brecht in jeg­li­cher Un­kennt­nis der Sachlagen.

Ers­tens ist Ka­tha­ri­na Wag­ner zwar of­fen­bar schwer er­krankt, aber kei­nes­wegs von der Fest­spiel-Ge­schäfts­füh­rung zu­rück­ge­tre­ten. Ob sie die letz­te Wag­ne­rin in der Fest­spiel­lei­tung ist, lässt sich ak­tu­ell aus kei­nem noch so wil­li­gen Kaf­fee­satz her­aus­le­sen. Fest steht au­ßer­dem: In­zwi­schen hat, was die Fest­spiel­lei­tung be­trifft, zu­min­dest bis ins Jahr 2040 (so lan­ge läuft der jet­zi­ge Miet­ver­trag des Fest­spiel­hau­ses für die 1986 von Wolf­gang Wag­ner ge­grün­de­te Fest­spiel-GmbH) nicht mehr die qua Sat­zung von 1973 ei­gent­lich da­für zu­stän­di­ge Ri­chard-Wag­ner-Stif­tung das Sa­gen, in der auch Fa­mi­li­en­mit­glie­der ver­tre­ten sind. Son­dern ein­zig der Ver­wal­tungs­rat der Fest­spiel-GmbH, de­ren vier Ge­sell­schaf­ter Bund, Land Bay­ern, Stadt Bay­reuth und Ge­sell­schaft der Freun­de von Bay­reuth sind.

Dass sich mit dem pro­phe­zei­ten Aus­schei­den der Fa­mi­lie laut Le­brecht plötz­lich durch un­ab­hän­gi­ge Wis­sen­schaft­ler in den Ar­chi­ven auch die Ver­gan­gen­heit auf­ar­bei­ten lie­ße, ist eine ge­ra­de­zu aber­wit­zi­ge Fehl­ein­schät­zung. Das Gros der Fest­spiel-Do­ku­men­te ist zu­min­dest für die For­schung  greif­bar. Was noch fehlt, ist die Ein­sicht in als pri­vat de­kla­rier­te Un­ter­la­gen von Sieg­fried und Wi­nif­red Wag­ner, die Wag­ner-Ur­en­ke­lin Amé­lie Hoh­mann, eine Toch­ter der 2019 ver­stor­be­nen Wag­ner-En­ke­lin Ve­re­na Laf­fer­entz, seit Jahr­zehn­ten un­ter Ver­schluss hält. Si­cher dürf­te ei­ni­ges da­von bri­sant sein, denn es könn­ten auch Brie­fe von und an Hit­ler dar­un­ter sein. Aber die Ge­schich­te der Bay­reu­ther Fest­spie­le und der Wag­ners müss­te des­halb ver­mut­lich nicht um­ge­schrie­ben wer­den. Der An­ti­se­mi­tis­mus, Ras­sis­mus und die glü­hen­de NS-An­hän­ger­schaft der Sieg­fried-Fa­mi­lie ist hin­läng­lich bekannt.

Die Sto­ry vom „Ende der Wag­ner-Saga“ aus der Fe­der von Nor­man Le­brecht ist da­mit noch nicht zu Ende. Am 5. Mai setzt er sie, in den For­mu­lie­run­gen et­was vor­sich­ti­ger ge­wor­den, fort mit der ak­tu­el­len Mel­dung „An­o­ther Wag­ner goes“, dass Nike Wag­ner ihre In­ten­danz beim Beet­ho­ven­fest jetzt de­fi­ni­tiv im Ok­to­ber 2021 be­en­det: „With the exit of Nike from Bonn and her cou­sin Ka­tha­ri­na from Bay­reuth, we may see the be­gin­ning of the end of the Wag­ner fa­mi­ly saga.“

Ohne Glas­ku­gel, aber nach­läs­sig in der Re­cher­che, hat auch die dpa die Nach­richt, wie es im Fach­jar­gon heißt, „wei­ter­ge­dreht“. Am 1. Mai er­scheint un­ter dem Ti­tel „Aus­ge­bremst: Wie geht es wei­ter auf dem Grü­nen Hü­gel“ eine Art Rück­blick auf die äl­te­re und jün­ge­re Ge­schich­te der Fest­spie­le und der Wag­ner-Fa­mi­lie, den vie­le Me­di­en ger­ne über­nom­men ha­ben. Samt pein­li­chen Feh­lern. So war Sieg­fried Wag­ner, der 1930 nur fünf Mo­na­te nach dem Tod sei­ner grei­sen Mut­ter Co­si­ma starb, an­geb­lich als Fest­spiel­lei­ter laut dpa-Fließ­text erst nach Co­si­mas Tod „an der Rei­he“ und nicht schon seit 1908 – ein Fakt, der sich mit ei­nem Klick auf die Sta­tis­ti­ken in der Home­page der Fest­spie­le hät­te über­prü­fen las­sen. Und ein Blick in die Sat­zung der Ri­chard-Wag­ner-Stif­tung hät­te ge­nügt, um her­aus­zu­fin­den, dass es das an­geb­lich un­ge­schrie­be­ne Ge­setz von Wag­ner-Ab­kömm­lin­gen an der Spit­ze spä­tes­tens seit 1973 eben nicht mehr gibt. Schon der ur­sprüng­li­che, in­zwi­schen aus­ge­he­bel­te Stif­ter­wil­le be­sag­te letzt­lich, dass ein „ge­eig­ne­ter Kan­di­dat“ die Fest­spie­le lei­ten sol­le – bes­ten­falls na­tür­lich aus der Fa­mi­lie, aber nicht un­be­dingt. Weil aber in­zwi­schen – über die De­tails habe ich im Frän­ki­schen Tag im­mer wie­der be­rich­tet – die Stif­tung nur noch die Ver­mie­tung des Fest­spiel­hau­ses re­gelt und nicht mehr die Fest­spiel­lei­tung, liegt die Kom­pe­tenz für den Ab­schluss, die Än­de­rung und die Be­en­di­gung von An­stel­lungs­ver­trä­gen mit den Ge­schäfts­füh­rern beim Ver­wal­tungs­rat der Fest­spiel-GmbH – und da­mit mehr­heit­lich in den Hän­den von Mi­nis­te­ri­al­be­am­ten, An­wäl­ten und Po­li­ti­kern. Aus den ver­schie­de­nen Zwei­gen der Wag­ner-Fa­mi­lie kann je­den­falls nie­mand mehr An­sprü­che „auf die Ho­heit am Grü­nen Hü­gel“ stel­len. Dass sich aber ein/​e Wagner/​in an der Spit­ze schon aus Mar­ke­ting­grün­den ein­fach gut macht, ist eine an­de­re Geschichte.