Wer in Bayreuth und Salzburg Festspielkarten gekauft hat, kann auf Anhieb die Unterschiede bei der Rückabwicklung erkennen.
Natürlich gibt es Wagnerfreunde, die schon deshalb neidisch nach Salzburg schauen, weil dort – wenn auch voraussichtlich in sehr eingeschränktem Maße – heuer Festspiele stattfinden werden. Aber das hat eben damit zu tun, dass die Festspiele an der Salzach mehr oder weniger ein kultureller Gemischtwarenladen mit Opern-, Schauspiel-, Konzert- und Liederabenden sowie anderen Formaten sind, während es am Grünen Hügel ausschließlich Aufführungen von Wagner-Opern und ein kleines Rahmenprogramm gibt. Und Wagner ginge nach heutigem Stand, selbst wenn in Österreich die Corona-Einschränkungen noch mehr zurückgeschraubt würden, zumindest in diesem Festspielsommer auch in Salzburg nicht (wo freilich gar keine Wagneroper geplant war). Dennoch kann und darf man vergleichen, zumindest was die Rückabwicklung der Kartenverkäufe betrifft.
Hier zunächst das Schreiben des Bayreuther Kartenbüros:
Da die Bayreuther Festspiele in dieser Saison aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden können, möchten wir Sie über die verschiedenen Möglichkeiten informieren, wie mit den bereits erworbenen Eintrittskarten verfahren werden kann. Bitte wählen Sie hierzu in Ihrem Kundenkonto „Meine Festspiele“ auf www.bayreuther-festspiele.de die von Ihnen gewünschte Option aus.
1. Spende an die Bayreuther Festspiele GmbH
Die diesjährige Absage der Bayreuther Festspiele bedeutet für einen Großteil der Mitwirkenden nicht nur künstlerische Enttäuschungen, sondern auch wirtschaftliche Einbußen. Sie könnten mit Ihrer Spende dabei helfen, die Bayreuther Festspiele in dieser schweren Situation zu unterstützen. In diesem Zusammenhang haben wir im beigefügten Formular die Möglichkeit geschaffen, den Rechnungsbetrag bzw. Teilbeträge davon zu spenden. Ihre Spendenbereitschaft wird im Kundenkonto vermerkt und somit Ihre nächste Bestellung für die Festspielsaison 2021 oder 2022 bevorzugt behandelt. Eine Spendenquittung wird Ihnen nach der Bearbeitung bis Ende des Jahres 2020 automatisch zugehen.
2. Guthaben für eine nächste Bestellung
Ihre bereits geleistete Zahlung wird als Guthaben im Kundenkonto hinterlegt und mit Ihrer nächsten Bestellung verrechnet. Auch in diesem Fall wird Ihre nächste Bestellung für die Festspielsaison 2021 bzw. 2022 bevorzugt behandelt. Sollten Sie Tickets für die Produktion „Der Ring des Nibelungen“ zugeteilt bekommen haben, so beachten Sie bitte, dass diese Neuinszenierung voraussichtlich für das Jahr 2022 geplant ist.
3. Erstattung der Festspielkarten 2020
Bei Wahl dieser Option erfolgt die Rückerstattung Ihrer bereits geleisteten Zahlung. Ihre Erstattung erfolgt auf das bei uns hinterlegte Bankkonto bzw. die genutzte Kreditkarte. Wir bitten um Verständnis, dass die Bearbeitung bis voraussichtlich Ende August dauern kann. Im Falle der Rückerstattung wird der Bestellvorgang 2020 als „Zuteilung“ im Sinne der Wartejahre gewertet, für den Kartenerwerb folgender Festspielzeiten finden ausschließlich künftige Bestellungen Berücksichtigung.
Ohne den Teil zum neuerlichen Kartenerwerb für die diesjährigen Festspiele in modifizierter und verkürzter Form hier das Schreiben des Kartenbüros aus Salzburg:
Wenn Sie in diesem Sommer nicht zu den Salzburger Festspielen kommen wollen, oder kommen können: Um die Rückabwicklung für Sie so einfach wie möglich zu machen bitten wir Sie, Ihre Refundierungswünsche online unter Meine Festspiele (Login für bestehende Kunden) bis 07. Juni. 2020 anzugeben. Folgende Möglichkeiten stehen Ihnen zur Auswahl:
Für Ihre bereits bezahlten Eintrittskarten erhalten Sie selbstverständlich den Eintrittskartenpreis zurück. Der Betrag wird Ihnen entweder bei Bezahlung mit Kreditkarte auf diese zurückgebucht oder auf eine von Ihnen zu übermittelnde Bankverbindung (IBAN) gutgeschrieben.
Gerne buchen wir den Betrag auch als Gutschrift auf Ihr persönliches Kundenkonto zur Verwendung für zukünftige Käufe in den kommenden Jahren.
Sehr dankbar wären wir, wenn Sie in Verbundenheit mit den Salzburger Festspielen uns den Betrag oder einen Teil davon als Spende zukommen lassen wollten. Die Spende fließt zu 100% in die künstlerischen Projekte der kommenden Jahre. Ihre Spende an den Salzburger Festspielfonds als gemeinnützige Organisation ist steuerlich absetzbar in Österreich, Deutschland und der Schweiz, nach Maßgabe der Gesetzgebung des jeweiligen Landes.
Die Unterschiede sind offensichtlich, sowohl in der Handhabung als auch in der Priorisierung. Beide Institutionen appellieren an die Spendenbereitschaft ihrer Kundschaft. In Bayreuth steht das an erster Stelle, in Salzburg am Ende. Während die Angabe, wohin die steuerlich absetzbare Spende fließen soll, in Salzburg mit „zu 100% in die künstlerischen Projekte der kommenden Jahre“ und mit dem Salzburger Festspielfonds klar bezeichnet wird, ist die Angabe im Schreiben aus Bayreuth weniger konkret: Aus der ans Mitleid appellierenden Aussage, dass die Absage der Festspiele für einen Großteil der Mitwirkenden auch wirtschaftliche Einbußen bedeutet, lässt sich nicht zwangsläufig schließen, dass diese von den Spenden direkt etwas bekommen würden. Denn mit der Spende, heißt es, „könnten Sie dabei helfen, die Bayreuther Festspiele in dieser schweren Situation zu unterstützen“. Klingt etwas schwammig.
Ins Fragwürdige rutscht das Handling in Bayreuth spätestens mit der Bemerkung ab, dass spendende Kunden bei ihrer nächsten Bestellung bevorzugt behandelt werden sollen. Soll etwa das Geschäftsmodell der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth (GdF), die wiederum selbst einer der vier Gesellschafter der Festspiel-GmbH sind, auf alle Kunden übertragen werden? Auch derjenige Festspielkunde, der das vorhandene Guthaben für bezahlte Karten einfach bis zur nächsten Bestellung und Verrechnung belässt, soll bevorzugt behandelt werden. Wer hingegen sein Geld einfach zurück haben will – was in Salzburg an erster Stelle und als Selbstverständlichkeit steht –, wird in Bayreuth insofern abgestraft, als der Bestellvorgang 2020 als „Zuteilung“ im Sinne der Wartejahre gewertet wird, was wohl heißen soll, dass somit die Chancen auf eine Kartenzuteilung in den kommenden Jahren automatisch sinken würde. Es handelt sich dabei wohlgemerkt um eine „Zuteilung“ von Karten für Vorstellungen, die aus bekannten Gründen gar nicht stattfinden können. Ob man das schon als erpresserisch bezeichnen kann? Jedenfalls ist das „Gschmäckle“ nicht zu übersehen. Die derzeitigen Hauptverantwortlichen – Holger von Berg und Heinz-Dieter Sense als Geschäftsführer der Bayreuther Festspiel-GmbH – haben dabei sicher in erster Linie an die gegebenen Mindereinnahmen gedacht. Aber ihre Klientel aus den Augen verloren. Kundenfreundlichkeit geht jedenfalls anders.
Nachtrag 1: Dass der Bestellvorgang 2020 im Fall der Rückerstattung als „Zuteilung“ im Sinne der Wartejahre gewertet wird, klingt genau besehen schlimmer als es ist. Die Zeiten, als die Bayreuther Festspiele mehrfach ausverkauft und jahrelange Wartezeiten an der Tagesordnung waren, sind definitiv vorbei. Wofür nicht zuletzt auch die ständigen Kartenpreiserhöhungen gesorgt haben. Ansonsten gilt, was eigentlich schon immer galt: Wer wirklich Bayreuth-Karten will, bekommt sie auch. Irgendwie und sowieso.
Nachtrag 2: Auch in Salzburg gibt es laut Helga Rabl-Stadler, der Präsidentin der Salzburger Festspiele, für Besteller eine privilegierte Behandlung, allerdings ohne Gschmäckle. Wer jetzt seine Karten rückabwickelt, kann, wenn er neuerlich für die reduzierten Festspiele 2020 bestellt, eher mit einer Zuteilung rechnen als jemand, der noch nicht für 2020 bestellt hatte. Die Bevorzugung ist jedoch nicht an eine mögliche Spende gekoppelt.
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