Im Jahrbuch der internationalen Fachzeitschrift Opernwelt ziehen 43 Kritiker ihre Bilanz der Saison 2019/20.
Es war zu erwarten, dass Tobias Kratzers Bayreuther „Tannhäuser“-Inszenierung bei der alljährlichen Saisonbilanz der Fachzeitschrift „Opernwelt“ vorne mit dabei ist. Seit heute gilt: Er hat abgeräumt! Denn gleich in zwei Kategorien, nämlich sowohl als „Regisseur des Jahres“ als auch als „Aufführung des Jahres“, schaffte Kratzer mit seiner Bayreuther Neuproduktion Platz 1, die auch sonst noch viele Nominierungen einheimste.
Gleich mehrfach ergaben die Kritikervoten Doppelungen: Die Oper Frankfurt und das Grand Théâtre de Genève teilen sich den Titel „Opernhaus des Jahres“, ersteres Haus unter der langjährigen Leitung von Bernd Loebe, die Oper in Genf mit ihrem neuen Intendanten Aviel Cahn. Ebenfalls eine Doppelspitze ergab sich beim „Dirigenten des Jahres“ mit dem aus der Schweiz stammenden Titus Engel und Kirill Petrenko von der Bayerischen Staatsoper München, dessen Orchester bereits zum neunten Mal zum „Orchester des Jahres“ gewählt wurde. Der „Chor des Jahres“ kommt heuer aus Stuttgart, in der Rubrik „Wiederentdeckung des Jahres“ siegte die Produktion von Paul Dessaus Oper „Lanzelot“ in Weimar, während sich auch bei der „Uraufführung des Jahres“ eine Doppelspitze ergab – mit Olga Neuwirths „Orlando“ in Wien und Hans Abrahamsens „Snedronningen“ bzw. „The Snowqueen“ in Kopenhagen bzw. München.
„Sängerin des Jahres“ ist nach 2004, 2010 und 2015 nun schon zum vierten Mal die Sopranistin Marlis Petersen, deren erfolgreiche Karriere am Opernhaus Nürnberg begann, „Sänger des Jahres“ ist der polnische Countertenor (und Breakdancer!) Jakub Józef Orliński. Der Universalkünstler Achim Freyer schaffte es mit seiner Salzburger „Œdipe“-Produktion diesmal in der Kategorie Kostümbild, Katrin Lea Tag wurde für ihre Räume zu Barrie Koskys Inszenierungen der „Salome“ und „The Bassarids“ zur „Bühnenbildnerin des Jahres“ gekürt. Das „Buch des Jahres“ hat mit „Opernarbeit“ Sergio Morabito geschrieben, die „CD des Jahres“ ist die Einspielung der Urfassung von Beethovens „Leonore“ durch das Freiburger Barockorchester unter René Jacobs.
Das vollständige Votum aller 43 Kritiker finden Sie auf der Homepage der „Opernwelt“, im Folgenden hier meine Nominierungen:
Monika Beer, Bamberg, Fränkischer Tag
- Uraufführung: „Ritratto“ von Willem Jeths in Amsterdam (digitale Uraufführung)
- Wiederentdeckung: „Lanzelot“ von Paul Dessau in Weimar
- Aufführung: Verdis „Rigoletto“ in Würzburg unter Enrico Calesso in der Inszenierung von Markus Trabusch
- Inszenierung/Regisseur: Tobias Kratzer für Wagners „Tannhäuser“ in Bayreuth
- Bühnenbild/Ausstattung: Étienne Pluss, fettFilm und Olaf Freese für die Bebilderung und Beleuchtung von Wagners „Tristan und Isolde“ in Leipzig
- Kostüm: Mercè Paloma für Wagners „Lohengrin“ in Chemnitz
- Dirigent(in): Roland Kluttig in seiner letzten Saison als GMD am Landestheater Coburg mit „Das Rheingold“
- Sänger(innen): Der Jahrhundert-Sachs Michael Volle in Bayreuth und Günther Groissböck als Ochs vom Dienst (digital aus Berlin)
- Nachwuchskünstler(innen): Julia Grüter, Sopranistin am Staatstheater Nürnberg
- Opernhaus: Mainfranken Theater Würzburg: trotz Umbau und Querelen gibt es dort immer wieder fesselnde und frisch machende Opernabende
- Orchester: Analog, digital und live simply the best: das Bayerische Staatsorchester
- Chor: Egal in welcher Form: der Bayreuther Festspielchor
- Ungewöhnlichste Opernerfahrung: Die „Walküre“-Generalprobe am 13. März im Landshuter Theaterzelt in der traurigen Gewissheit, dass die Premiere am 15. März nicht stattfinden wird
- Musik-/Opernbuch: Holger Noltze: „World Wide Wunderkammer“ (Edition Körber)
- Medienveröffentlichung: Diana Damrau: Richard Strauss, „Vier letzte Lieder“ und Klavier-Lieder (Erato)