Die Liste mit kostenlosen Opernstreams, die ich begonnen hatte, um selber den Überblick zu bekommen, stellte ich erstmals am 7. April 2020 in meinen Blog ein. Die Tagestipps und Links zur aktuellen Lage kamen ab 11. April, also in der fünften Corona-Woche hinzu, die in meiner Zählung am 14. März begonnen hat, denn ab diesem Tag waren Opernaufführungen nicht mehr erlaubt. Tags zuvor konnte ich noch die Generalprobe der „Walküre“ in Landshut erleben, eine Produktion, deren Premiere hoffentlich in der nächsten Spielzeit stattfinden kann. Die tagesaktuelle Streamingliste mit Tipps und Links ist nach wie vor auf der Startseite links oben zu finden, hier die älteren Einträge, deren Links zumindest zum Teil leider nur zum Zeitpunkt der Veröffentlichung verlässlich funktionierten.
26., 27., 28. und 29. Mai 2021: Die Münchner „Lear“-Neuinszenierung ist eine große Kunstanstrengung für alle, szenisch und musikalisch eine Herausforderung, eine Zumutung auch, aber eine Wucht, die man im Livestream am 30. Mai ab 18 Uhr sicher nur dann ein bisschen nachempfinden kann, wenn man Kopfhörer verwendet oder eine gute Tonanlage hat. Wer kann und keine Angst vor einer der meist gespielten Opern des 20. Jahrhunderts hat, sollte sich eine der nächsten, noch nicht ausverkauften Vorstellungen gönnen. Hier schon mal die Kritiken von Markus Thiel im Münchner Merkur und Robert Braunmüller in der Münchner Abendzeitung, meine Kritik finden Sie in Beers Blog. Um noch beim phänomenalen Sänger der Titelfigur Christian Gerhaher zu bleiben: Der Eilantrag der auch von ihm mit initiierten Aktion „Aufstehen für die Kunst“ vor dem Bundesverfassungsgericht wurde abgelehnt.
Was sich in Bayreuth tut? Allerhand. Zum einen hat das Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, wie hier schon berichtet, endlich den bedeutendsten Teilbestand aus dem Nachlass von Richard und Cosima Wagner digitalisiert und frei zugänglich gemacht. Beim Pressetermin war auch der Nordbayerische Kurier dabei. Zum anderen hat der neue Bayreuther Kulturreferent Benedikt Stegmayer versucht, auf Fragen von BR Klassik ein bisschen Licht ins Corona-Planungs-Dunkel zu bringen und nach ersten entsprechenden Äußerungen von OB Thomas Ebersberger nochmals bestätigt, dass die Premiere ohne roten Teppich auskommen muss (was eigentlich nur bei den Promifotografen und den notorischen Zaungästen hart ankommt).
21., 22., 23., 24. und 25. Mai 2021: „Der Prrrzybilla“, sagte am heutigen Freitag Morgen mein Mann beim Frühstück, „hat dein Ach, Bayreuth geklaut!“ Hat er tatsächlich, in der SZ-Glosse Wagnerscher Wahn ums Klohäusl. Aber erstens gehört mir diese eher melancholische Floskel nicht, auch wenn ich sie schon ziemlich lange und gern als Abschluss-Wortpaar nutze. Und zweitens sei sie dem Kollegen gegönnt, selbst wenn er sich, folgt man der einschlägigen Berichterstattung im Nordbayerischen Kurier und im Bayreuther Tagblatt, beim Wahnfried-Klohäusl eine nicht ganz unerhebliche Feinheit hat entgehen lassen. Um noch weiter auf der lokalen Ebene zu bleiben, darf natürlich der Bericht zur jüngsten Stadtratssitzung nicht fehlen, wo es um vorsorgliche Corona-Zuschüsse für den Grünen Hügel ging – und noch aktueller dazu die zusätzliche Festspiel-Unterstützung von Bund, Land und den „Freunden“. Und nochmals ums Public Viewing dreht sich der jüngste NK-Bericht. So weit, so gut. Bleiben zu Christian Thielemann noch ein paar Nachbetrachtungen – mit Detailneuigkeiten in einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur und mit erneutem Genie-Geschwurbel von Reinhard J. Brembeck, der das nun auch in der Druckversion der SZ zum Besten geben durfte. Was aber meinerseits nicht heißen will, dass Thielemann kein guter, ja zuweilen sehr guter und an sehr sehr guten Tagen sogar überragender Dirigent sei. Sondern im Gegenteil. Möglicherweise können sich Opernfreunde gleich am 22. Mai ab 15 Uhr (und bis 14. Juli Mitternacht) davon überzeugen – mit „Capriccio“ von Richard Strauss in der Online-Premiere der Semperoper-Produktion im kostenfreien Stream auf semperoper.de und bei Arte Concert. Steht aber zeitlich knapp in Konkurrenz zur jüngsten Neuproduktion der Wiener Staatsoper, die am 22. Mai ab 18.30 Uhr live auf play.wiener-staatsoper.at übertragen wird: Claudio Monteverdis „Krönung der Poppea“ (L’incoronazione di Poppea); eine ausführliche Online-Werkeinführung gibt es hier. Was mich betrifft, so darf ich am Pfingstsonntag erstmals seit 2. Oktober 2020 wieder eine richtige Opernpremiere erleben: „Lear“ von Aribert Reimann im Münchner Nationaltheater. Und drum höre ich auf, wie ich angefangen habe: mit der Süddeutschen Zeitung.
17., 18., 19. und 20. Mai 2021: Nach dem großartigen und beglückenden 1. Akt „Walküre“ am Donnerstag aus dem Münchner Nationaltheater (bis 15. Juni als Video on Demand für 9,90 €) habe ich übrigens nicht mehr gestreamt. Wusste ich allerdings schon vorher, aber ich wollte bei meiner letzten Empfehlung unbedingt ein bisschen Werbung für die zwei nächstgrößten nordbayerischen Musiktheaterbühnen in Nürnberg und Würzburg machen. Darf’s noch ein bisschen Thielemann sein? Aber ja doch, denn natürlich weiß Axel Brüggemann, seit vielen Jahren ein journalistischer Freund von Festspielleiterin Katharina Wagner, noch ein paar Details mehr. Unterhalb des Grünen Hügels hat übrigens die SPD-Stadtratsfraktion angeregt, heuer das Public Viewing wieder aufzugreifen. Der Gedanke an sich ist gar nicht so falsch, aber es ginge bestimmt nur mit einem sehr potenten Sponsor, der auf die Schnelle vermutlich nicht zu haben ist. Bleibt noch die Geigerin Anne Sophie Mutter, die in der Welt begründet, warum sie sich der Verfassungsbeschwerde der Aktion „Aufstehen für die Kunst“ angeschlossen hat: „Die Politik hat sich kulturverachtend gezeigt.“
13., 14., 15. und 16. Mai 2021: Was an Wesentlichem in der aktuellen Schlagzeilenfülle zu Christian Thielemann zu finden ist, habe ich in dem Blog-Artikel Bayreuth ohne Musikdirektor zusammengefasst. Ansonsten freue ich mich riesig, dass es heute Abend im Münchner Nationaltheater wieder losgeht, mit leider nur konzertantem, aber exzellent besetzten Wagner, aber richtigem Publikum im Saal. Werde zumindest am Bildschirm mit dabei sein. Und womöglich beglückt weiterstreamen mit L’Orfeo von Claudio Monteverdi, eine Produktion des Staatstheaters Nürnberg, bei deren Corona-Premiere im Oktober 2020 ich dabeisein durfte und die jetzt eigens verfilmt wurde. Unter den Nachrichten, die mich sonst noch aufhorchen ließen, war die Ankündigung des Regiedebüts von Günther Groissböck: Sein so bezeichnetes Tristan Experiment hat am 26. Mai in der Kammeroper des Theaters an der Wien Premiere. Der Dirigent Hartmut Keil und der weltbekannte Basssänger haben eine etwa dreistündige Kammerfassung von Wagners „Tristan und Isolde“ für fünf Solisten und zwanzig Musiker entwickelt, „die es dem Regisseur ermöglicht, einen genauen Blick in die Köpfe der Protagonisten zu werfen, die existenzielle Suche zwischen Herz und Hirn zu evozieren und das Stück in die Geschichte der bürgerlichen Psyche einzuordnen.“ Und weil es da weder Steuermann, noch Seemann noch Schiffsvolk geben wird, verweise ich gerne noch auf das Streaming-Angebot des Mainfrankentheaters Würzburg am 14. und 15. Mai mit Der arme Matrose. Mehr Infos dazu ziemlich weit unten in der Liste …
9., 10., 11. und 12. Mai 2021: Während die Bayreuther Festspiele mit ihrem BF Medien-Mitarbeiter Markus Latsch offenbar ein Problem haben, über das sie sich laut Pressesprecher Hubertus Herrmann „vorerst nicht weiter äußern“, kann sich die Öffentlichkeit bei TVO mit dem ersten TV-Kurzinterview mit Ulrich Jagels, dem neuen kaufmännischen Geschäftsführer der Festspiele, selbst ein Bild machen. In der jüngsten Kulturplatz-Sendung (mit teils schon bekannten Interviews mit Georg von Waldenfels und OB Thomas Ebersberger) ist unter anderem zu erfahren, dass der Online-Kartenverkauf für die im Schachbrettmuster aufgeteilten Plätze so weit wie möglich herausgeschoben wird, weil dann hoffentlich mehr Zuschauer zugelassen sind (anstelle von früher 1972 Plätzen stehen jetzt normalerweise 1944 Plätze für den Verkauf zur Verfügung). Derzeit noch ziemlich fraglich sind der Rote Teppich und der Staatsempfang am 25. Juli, ob die Bundeskanzlerin kommt, ist noch offen (was eigentlich schon naheläge, weil es das letzte Mal in dieser Funktion wäre, aber auch wegen der ersten Dirigentin am Festspielpult), für Mitte August hat sich schon mal Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angesagt. Bleiben noch zwei Lektüre-Tipps: BR Klassik beleuchtet die Test-Verweigerung eines Musikers im Bayerischen Staatsorchesters und spricht mit Christian Gerhaher, der begründet, warum die Aktion „Aufstehen für die Kunst“ jetzt vors Bundesverfassungsgericht zieht.
5., 6., 7. und 8. Mai 2021: Der Lichtstreif am Horizont wird größer! In Bayreuth hat die Festspiel-Zusage auch unter Gastronomen und Hoteliers Freude ausgelöst, wie man im Nordbayerischen Kurier nachlesen kann. Am Opernhaus Zürich und anderen Schweizer Bühnen wird vor allerdings nur fünfzig Zuschauern seit Monatsbeginn schon wieder gespielt, die Wiener Staatsoper will ab 19. Mai das Haus fürs Publikum öffnen und hat bereits den Vorverkauf bis Saisonende gestartet. Und selbst an der Bayerischen Staatsoper wird Morgenluft gewittert, denn womöglich darf das nächste, ausnahmsweise an einem Frei- und Feiertag stattfindende Montagskonzert mit dem konzertanten 1. Akt „Walküre“ je nach Inzidenzlage in München sogar vor Zuschauern stattfinden. Für alle anderen gibt es letzteren am 13. Mai um 20.15 Uhr als kostenlosen Live-Stream. Unter der musikalischen Leitung von Asher Fish singen Jonas Kaufmann (Siegmund), Lise Davidsen (Sieglinde) und Georg Zeppenfeld (Hunding). Apropos Streams: Die Journalisten, die in der Neuen Musik-Zeitung die wöchentlichen Streaming-Empfehlungen geben, haben inzwischen fünfzig mal die Rubrik „Unübersehbar“ gefüllt und zum Teil Rückschau gehalten über ihre Erfahrungen, und über ein noch beachtlicheres Jubiläum berichtet Deutschlandradio Kultur: Den von der großartigen Mezzosporanistin Elisabeth Kulman für Profisänger gegründeten YouTube-Kanal What’s Opera Doc?, wo offen über die weniger schönen Seiten der Opernwelt gesprochen wird, gibt es schon fünf Jahre! Gratulation und ein großes Dankeschön dafür!
1., 2., 3. und 4. Mai 2021: Von wegen Feiertag! Am Vorabend zum „Tag der Arbeit“ kam die brandaktuelle Meldung, dass die Bayreuther Festspiele heuer stattfinden werden. Das Wichtigste dazu finden Sie hier! Was es sonst noch gab und gibt? Nun, die mit Juan Diego Flórez prominent besetzte Wiederauflage der Stuttgarter Inszenierung Frank Castorfs von Charles Gounods „Faust“ an der Wiener Staatsoper habe ich mir gegeben, obwohl ich mit dem, was dieser Regisseur und sein Team aus Opern fabrizieren, einfach nichts anfangen kann. Und es bleibt dabei, was mich mitnichten überrascht hat. Im Prinzip könnte man meine letzte Castorf-Kritik aus München lesen und in Gedanken Namen und Details einfach mit der Wiener „Faust“-Produktion überschreiben. Schade. Womit ich allerdings nicht wie manche Wiener Kritiker gleich pauschal über den neuen Staatsopern-Direktor herfallen wollte. Im Gegenteil: Gerne empfehle ich vorurteilslosen, offenen Opernfreunden das Gespräch, das der österreichische Banker und Kulturpolitiker Rudolf Scholten (übrigens auch ein ehemaliger Hypo Alpe Adria-Chef, holla!) mit Bogdan Roščić geführt hat, und gerne auch die Antwort von Regisseur Kirill Serebrennikov auf die Frage der österreichischen Fachzeitschrift Bühne, was er sich bei seiner unbedingt bedenkenswerten „Parsifal“-Inszenierung gedacht hat. Das wäre erstmal Stoff genug. Und als mögliche Alternative zum Wiener „Faust“ weise ich, ohne den Stream schon gesehen zu haben und bestimmt kein La Fura dels Baus-Fan bin, auf den „Mefistofele“ aus Stuttgart hin, schon einfach deshalb, weil man diese Oper wirklich nicht oft zu sehen bekommt …
28., 29. und 30. April 2021: Es sind keine hundert Tage mehr, bis planmäßig die diesjährigen Bayreuther Festspiele beginnen. Nach den letzten eher pessimistisch stimmenden Meldungen steht jetzt doch Optimismus auf dem Programm, wie Radio Mainwelle und Der Neue Wiesentbote vermelden. Und konkret? Die technischen Proben für den „Ring“ finden, wie Pressesprecher Hubertus Herrmann auf Anfrage aktuell mitgeteilt hat, bereits statt, die Proben für die „Holländer“-Neuinszenierung beginnen Anfang Juni, für die Wiederaufnahmen Ende Juni.
Auf die umstrittene Schauspieler-Aktion #allesdichtmachen hat Axel Brüggemann in seinem Wochenkommentar mit dem Hashtag #bleibenwirmenschlich brillant geantwortet, im Namen von fünfzig Komponisten. Hier nur ein Beispiel: „Mein Name ist Richard Wagner, ich bin Komponist: Verachtet mir die Meister nicht, Deutschland, schätze Deine Künstler endlich wert!“ Wie sehr Christa Ludwig geschätzt wurde, kann man unter anderem nachlesen bei Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau, Jürgen Kesting in der F.A.Z. und Manuel Brug in der Welt.
Zur Online-Live-Premiere von Charles Gounods „Faust“ am 29. April um 18 Uhr bietet die Wiener Staatsoper wieder eine ausführliche Einführung. Noch zwei Streaming-Tipps mit sehr beachtlichen Titelrollendebüts, die nur noch bis Ende des Monats kostenlos verfügbar sind: aus Stuttgart, wo Frank Castorfs „Faust“-Inszenierung zuerst gezeigt wurde, wäre bis 30. April 17 Uhr „Figaros Hochzeit“ unter Roland Kluttig mit Michael Nagl abrufbar, und (ohne Zeitangabe) aus Zürich „Hoffmanns Erzählungen“ mit Saimir Pirgu.
25., 26. und 27. April 2021: Was soll man sagen? Die Situation spiegeln hierzulande einerseits beispielhaft das Krisentagebuch 33 der Deutschen Bühne sowie der Shitstorm und die nicht enden wollende Zahl an Artikeln, Kommentaren und Analysen über die satirisch gemeinte Instagram- und YouTube-Aktion „Alles dichtmachen“ von fünfzig Schauspielerinnen und Schauspielern aus Deutschland und Österreich. Und andererseits die elektrisierenden Nachrichten aus unserem Nachbarland über schrittweise Öffnungen des Lockdowns ab 19. Mai, auch der Wiener Staatsoper. Währenddessen werden in der Wagnerstadt Bayreuth kritische Stimmen laut, die Festspiele – koste es, was es wolle – auch durchzuführen, wenn beispielsweise nur 200 Zuschauer zugelassen wären. Man darf gespannt sein. Nachzureichen habe ich noch einige „Parsifal“-Rezensionen von Kritikerinnen: von Christine Lemke-Matwey in der Zeit, von Renate Wagner und Sieglinde Pfabigan im Online-Merker – und von mir in Beers Blog. Die Wiener Staatsoper setzt ihren Premierenreigen übrigens ausgesprochen zeitnah mit Charles Gounods „Faust“ in einer Inszenierung von Frank Castorf unter Bertrand de Billy fort. Die Premiere am 29. April wird ab 18 Uhr live unter anderem auf play.wiener-staatsoper.at sowie später auch auf Radio Ö1 und im Fernsehen auf ORF III übertragen. Juan Diego Flórez gibt mit dieser Produktion sein szenisches Rollendebüt als Faust, die Marguerite gestaltet Nicole Car, den Méphistophélès verkörpert der junge polnische Bass Adam Palka.
21., 22., 23. und 24. April 2021: Es gibt Neuigkeiten aus Bayreuth, teils habe ich darüber schon hier berichtet, teils kann man es ohne Bezahlschranke beim Nordbayerischen Kurier nachlesen. Und wer es vor Sehnsucht kaum noch aushält, kann sich ja schon mal den aktuellen Sitzplan des Festspielhauses samt Preistabelle anschauen, gaaaanz unverbindlich natürlich, denn dass alle Plätze im hoffentlich stattfindenden Online-Sofortverkauf feilgeboten würden, glaubt eh‘ niemand. Während hierzulande die Theater-, Opern- und Konzerthäuser weiter geschlossen bleiben und selbst Christian Thielemann sich in Cicero übers Publikum so seine Gedanken macht, ist man in Österreich schon wieder einen Schritt weiter und ventiliert die Schachbrettaufteilung. Apropos: Hier ein paar Links zu Kritiken der „Parsifal“-Online-Premiere aus der Wiener Staatsoper: Florian Amort in der F.A.Z., Reinhard Brembeck in der S.Z., Manuel Brug in der Welt, Joachim Lange in der Neuen Musikzeitung. Mal wieder keine Kritikerin dabei! Aber was nicht ist, kann ja noch werden: spätestens am Freitag in Beers Blog.
18., 19. und 20. April 2021: Neben diversen Absagen – die Schubertiade hat die aktuelleren Programm-Teile gestrichen, die Wiener Festwochen werden „adaptiert“, die Händel-Festspiele Halle 2021 sind komplett storniert, Hermann Nitsch verlegt sein Sechs-Tage-Spiel auf 2022 und die Opernhäuser landauf landab verschieben kontinuierlich die geplante Rückkehr ins echte Bühnenleben – leuchten die Tiroler Festspiele Erl noch wie ein kleiner Solitär: mit drei Opernproduktionen, darunter die Humperdinckschen „Königskinder“ und von Wagner „Das Rheingold“ (Neuinszenierung von Brigitte Fassbaender) und „Lohengrin“. Was noch? Der Eilantrag der Initiative „Aufstehen für die Kunst“ wurde abgelehnt, Gustavo Dudamel, dessen internationale Karierre mit seinem Sieg beim 1. Gustav-Mahler-Dirigenten-Wettbewerb der Bamberger Symphoniker 2004 begann, ist neuer Chefdirigent der Pariser Oper und damit Nachfolger des an die Wiener Staatsoper gewechselten Philippe Jordan, dessen „Parsifal“-Dirigat wir ab 18. April 14 Uhr auf Arte Concert bewundern dürfen.
15., 16. und 17. April 2021: Heute vor 155 Jahren, am 15. April 1866, zog Richard Wagner in Tribschen ein, was man ausführlicher hier nachlesen kann. Im Vorfeld der Wiener „Parsifal“-Online-Premiere am Sonntag um 14 Uhr verweise ich gerne auf die Einführungsmatinee der Staatsoper, in der die Hauptbeteiligten, darunter Regisseur Kirill Serebrennikov, der aus Russland nicht ausreisen darf, zu Wort kommen. Es lohnt sich! Die jüngste Online-Premiere aus Zürich mit „Hoffmanns Erzählungen“ (abrufbar bis 30. April) hat Christian Wildhagen in der NZZ besprochen, nicht ohne Querverweise auf diverse Probleme. Gar eine Diversitätsoffensive hat die Pariser Oper in Angriff genommen, wovon unter anderem nicht nur Lotte de Beers „Aida“-Inszenierung zeugt, sondern ein ausführlicher Bericht von Christiane Kaess auf Deutschlandfunk Kultur. Noch ein Tipp: Wer bis einschließlich Montag den „Ring“ mit einer mehr als beachtlichen Besetzung sozusagen auf einer Backe absitzen will, dem hilft die Oper Leipzig weiter mit ihrer aktuellen Version von Loriots „Ring an einem Abend“. Am 17. April 2021 um 18 Uhr ist die kostenlose Online-Premiere, danach ist die fast dreistündige Produktion noch für 48 Stunden im Netz abrufbar.
11., 12., 13. und 14. April 2021: Die jüngsten Nachrichten aus Bayreuth liefert das digitale Bayreuther Tagblatt, das aus dem Büro von Katharina Wagner Auskünfte zum Stand der Dinge bekam. Bisher weithin unbekannt ist, dass Hermann Nitsch, der „Malküre“-Aktionist, seine im Festspielhaus entstehenden Werke anschließend der Stadt Bayreuth schenken will, wozu es aber erst einen Stadtratsbeschluss braucht. Und auch von einem eventuellen „Walküre“-Livestream ist die Rede, während die Neuproduktion des „Fliegenden Holländers“ in Kinos übertragen werden soll. Im Fall einer erneuten Komplett-Absage „wird über die Verwendung von bestehenden Aufzeichnungen der Deutschen Grammophon nachgedacht“. Übrigens ist die Festspielleiterin, in den Hochschulrat der Hochschule für Musik in Nürnberg berufen worden. Sie will dort, wie der Nordbayerische Kurier in seiner Druckausgabe berichtet hat, u.a. „die Entwicklung und Einrichtung neuer Studiengänge proaktiv mitgestalten“.
An der Deutschen Oper Berlin wurde derweil die „Siegfried“-Premiere abgesagt, während die Wiener Staatsoper sich von vornherein für eine Online-Premiere der exzellent besetzten „Parsifal“-Neuproduktion rüstet, die am 11. April aufgezeichnet wurde und ab nächsten Sonntag auf Arte Concert gestreamt wird. Hier noch zwei kurzfristige Neuangebote zum Streamen: Nur heute bietet die Oper Stuttgart ihren Ariadne-Tag, und heute ab 19 Uhr gibt’s aus Zürich eine Neuproduktion von Hoffmanns Erzählungen (bis Ende April).
7., 8., 9. und 10. April 2021: Das Interview der Woche hat wieder einmal Hermann Nitsch gegeben, der „Malküre“-Aktionist. In der Wiener Zeitung – übrigens die älteste Tagezeitung der Welt, deren Fortbestehen auf der Kippe steht, weil die österreichische Regierung ihre Amtsblatt-Pflichtveröffentlichungen streichen will – spricht er über seine künstlerischen Vorhaben, über Wagner und andere Komponisten. Und was er von der Gesellschaft, von Presse und Politik hält. Ned vui! Festspieldebütantin Oksana Lyniv wird, wie die Süddeutsche Zeitung meldet, nach Bayreuth unter anderem im Festspielhaus Neuschwanstein in Füssen „Tristan und Isolde“ dirigieren, beim verschobenen und x-ten Anlauf, im Königswinkel Festspiele zu etablieren. Ebenfalls in der SZ versucht mein spezieller Freund Reinhard J. Brembeck, der sich überraschenderweise gerade erst als Fast-Wagnerianer geoutet hat, sich auch noch als Frauenfreund. Schön wäre es, wenn er anschließend mal den Frauenanteil unter Kritikern unter die Lupe nehmen und – noch schöner! – Konsequenzen daraus ziehen würde. Genug genörgelt. Gerne weise ich noch hin auf Wagner on Air, ein Angebot von Christian Schütte vom Wagnerverband Hannover: Am Freitag, 9. April um 16 Uhr, ist der ungemein vielseitige Daniel Behle, dessen Lohengrin-Debüt an Ostern auch im Stream der Oper Dortmund zu bewundern war, Interview-Gast. Das Gespräch kann man live unter https://www.facebook.com/Wagneronair/live/ verfolgen oder im Anschluss auf Youtube nachhören.
3., 4., 5. und 6. April 2021: Dass am Karfreitag der konzertante „Parsifal“ aus Genf unter Jonathan Nott leider abgesagt werden musste, bestätigt einmal mehr Gurnemanz: „Thoren wir, auf Lind’rung da zu hoffen, wo einzig Heilung lindert!“ Mein Ersatzprogramm kam dann aus Hamburg, an sich eine großartige Produktion, aber nichts für Zuschauer, die das Werk auswendig drauf haben, denn die Tonspur läuft der Verfilmung ein paar Zacken hinterher, was zumindest mich auf die Dauer doch zermürbt hat, denn diese stark geschminkten Kunstfiguren haben zwar keine „normale“ Mimik mehr, aber immer noch singende Münder. Dann doch lieber die nächsten Tage nochmal den Stuttgarter „Parsifal“, von allen Inszenierungen, die ich bisher erleben durfte, diejenige, die mich am tiefsten berührt hat. Apropos Stuttgart: Im dortigen „Oper trotz Corona“-Programm gibt es unter dem Titel „Glaube, Liebe, Hoffnung“ ein Angebot, das man sich laut Egbert Tholl von der Süddeutschen Zeitung nicht entgehen lassen sollte. Die Hauptakteure der Münchner Initiative Aufstehen für die Kunst wurden vom Berliner Tagesspiegel interviewt, zur Online-Premiere von „Le nozze di figaro“ an der Staatsoper Unter den Linden hier die Kritiken von Maria Ossowski auf rbb24 und von Manuel Brug in der Welt. Bleibt nur noch der Hinweis auf eine doch sehr ungewöhnliche Werbeaktion eines Web-Magazins für klassische Musik: Worum es genau geht, kann ich wiederum nur mit Gurnemanz beantworten: „Das sagt sich nicht.“
30. und 31. März, 1. und 2. April 2021: Die Initiative „Aufstehen für die Kunst“ hat, wie die F.A.Z. berichtet, ihrer Popularklage inzwischen auch einen Eilantrag folgen lassen. Antragsteller sind insgesamt 23 Künstlern, darunter Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, Hansjörg Albrecht und Marlis Petersen, die damit klären lassen wollen, inwiefern die erlassenen Kulturveranstaltungsverbote mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sind. Sonst gibt es eigentlich nicht viel Neues. Das Wagner-Museum in Tribschen hat eine neue Chefin und wird als erstes die Sonderausstellung „Prachtgemäuer“ zeigen, eine Schau auf der Basis des gleichnamigen Buchs um das Team von Markus Kiesel, bei dem auch Katja Fleischer, die vorherige Museumsdirektorin, mitgearbeitet hat. Bleibt noch Reinhard J. Brembeck, der über den Faksimile-Reprint der „Parsifal“-Partitur sinniert und sich in erster Linie ob der violett-verblassten Tinte und der Handschrift beeindruckt zeigt (SZplus). Ob er am Ende doch noch ein kleiner Wagnerianer wird?
27., 28. und 29. März 2021: Zum Münchner „Rosenkavalier“ reiche ich gerne noch zwei Beiträge von Markus Thiel im Münchner Merkur nach: das Interview mit Barrie Kosky und seine Kritik. Aus Bayern kommt auch die Meldung auf BR24, dass es nach Ostern neue Pilotprojekte geben soll. Natürlich wünschte ich mir, dass diesmal die Bamberger Konzerthalle auf ihre Praxistauglichkeit getestet würde, denn das gestreamte Jubiläumskonzert der Bamberger Symphoniker hat mit ehrlich gesagt richtig weh getan mit dem bis auf die Musiker schrecklich leeren Saal. Diese teure Halle bald wieder grüßen zu dürfen, das wär’s doch! Der nächste Stream des Orchesters folgt am 28. März um 21 Uhr auf TV Oberfranken mit einem zur Passionszeit passenden Programm unter Giovanni Antonini mit Solisten und dem Dresdner Kammerchor. Leider war mein Hinweis auf Tobias Kratzers Neuinszenierung von Charles Gounods „Faust“ an der Bastille-Oper in Paris für die Katz: Das Video auf der Homepage der Oper und der neuen TV-Culturbox ist für deutsche Zuschauer nicht disponibel. Schade! Dann höre ich mir vielleicht stattdessen noch mal „Francesca da Rimini“ an, die Neuproduktion der Deutschen Oper Berlin, die am 27. März ab 19.05 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur gesendet wird.
24., 25. und 26. März 2021: Meine Kritik zum neuen Münchner „Rosenkavalier“ gibt’s erst morgen in Beers Blog. Einstweilen empfehle ich die Besprechungen von Stephan Mösch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau, Bernhard Neuhoff auf BR Klassik, Alexander Dick in der Badischen Zeitung und Helmut Mauró in der Süddeutschen Zeitung. Ansonsten hat es in Berlin, wie die Berichterstattung in der BZ, im Tagesspiegel, auf rbb24, in der F.A.Z. und in der SZ zeigt, ein vielversprechendes Pilotprojekt für Theater- und Konzertveranstaltungen gegeben, das die Staatsoper Unter den Linden und die Deutsche Oper Berlin am 2. beziehungsweise 4. April mit ihren Live-Premieren fortsetzen wollten, aber inzwischen nicht mehr dürfen. Ohne Publikum aufgezeichnet in der Bastille-Oper, dafür als TV-Premiere auf France 5 wird am 26. März um 20.55 Uhr eine Neuinszenierung von Charles Gounods „Faust“ durch Tobias Kratzer mit Benjamin Bernheim in der Titelrolle herausgebracht. Weitere Infos zum Stream auf der Homepage der Pariser Oper.
Apropos Kratzer: Während es bei seiner Bayreuther „Tannhäuser“-Inszenierung nach aktuellen Planungen heuer im Prinzip sein soll wie in den Jahren vor Corona, dürfte es bei den anderen Vorstellungen zusätzliche Lüftungspausen geben. Auf der Homepage der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth steht zu lesen: „Die derzeitigen Hygienekonzepte sehen u. a. regelmäßiges Lüften in bestimmten zeitlichen Abständen vor, so dass voraussichtlich bei der Neuproduktion Der fliegende Holländer eine Pause eingeplant werden muss, ebenso wie im dritten Aufzug der Wiederaufnahme Die Meistersinger von Nürnberg, dem ersten Aufzug Parsifal (Konzert) und dem zweiten Aufzug Die Walküre. Diese Konzepte zur Lüftung und den damit verbundenen Pausen hängen von der jeweils zulässigen Zuschaueranzahl ab, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht final bestimmt ist.“ Kurz gesagt: Wagner wird noch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, was die vermutlich wenigen, die Karten bekommen könnten, nicht stören, sondern eher freuen wird. Wenn schon, denn schon.
20., 21., 22. und 23. März 2021: „James Levine“, schreibt Peter Uehling in der Berliner Zeitung in ungewöhnlichem Klartext, „setzt seinen Nachrufer in Verlegenheit. Einer der begnadeten Dirigenten seiner Generation war zugleich ein Sexualverbrecher.“ Weitere Nachrufe auf den Dirigenten, der in den Jahren 1982 bis 1998 mit „Parsifal“ und dem „Ring“ auch das Geschehen auf dem Grünen Hügel mit prägte, finden Sie hier. Nur fünf Jahre hingegen wirkte Holger von Berg als kaufmännischer Geschäftsführer der Festspiel GmbH. Inzwischen ist es amtlich, dass er ans Staatstheater Wiesbaden wechselt, wo er künftig mit Intendant Uwe-Eric Laufenberg zurechtkommen soll, während Katharina Wagner sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bayreuther Festspiele sich schon sehr auf die Zusammenarbeit mit seinem Nachfolger Ulrich Jagels freuen und sich wünschen, „dass sich das Betriebsklima wieder zu dem guten entwickelt, wie es vor fünf Jahren war“.
Ansonsten freue ich mich auf Sonntag und die „Rosenkavalier“-Neuproduktion aus München, die am Sonntag, 21. März um 15. 30 Uhr wahlweise im Fernsehen auf ARTE sowie online auf Staatsoper.TV und BR Klassik Concert sowie im Radio auf BR Klassik als zeitversetzte Liveübertragung zu erleben ist. Einen kleinen Einblick auf das, was die Zuschauer erwartet, gibt das Videomagazin auf der Homepage der Staatsoper. Weiteres Einführungsmaterial findet sich dort auch, und im Blog ein Interview mit Faninal Johannes Martin Kränzle, der vor fünfzig Jahren im Alter von neun Jahren am Stadttheater Augsburg sein Bühnendebüt im „Rosenkavalier“ feierte. Dreimal dürfen Sie raten als was!
17., 18. und 19. März 2021: Während die Salzburger Osterfestspiele erst am Allerheiligen-Wochenende stattfinden werden, entwickelt Bayreuth Baroque sich zum deutschen Coronawellenfestspielbrecher Nummer 1: Schließlich gab es dieses zu Recht von allerdings jeweils nur 200 Zuschauern umjubelte Festival auch im ersten Corona-Sommer, die Fortsetzung ist jetzt für 1. bis 14. September angekündigt, darunter drei Vorstellungen von Nicolà Antonio Porporas Oper Carlo il calvo mit der sängerdarstellerischen Spitzenbesetzung von 2020. Von den Bayreuther Festspielen gibt es auch Neuigkeiten: Erstens hat Pressesprecher Hubertus Herrmann im Nordbayerischen Kurier auf das Interview des scheidenden Geschäftsführers Holger von Berg mit einer in den Details bemerkenswerten Stellungnahme reagiert. Zweitens hat Kunstminister Bernd Sibler Bayreuth zur Chefsache, erklärt, notfalls mit Soforttests für das Publikum – ebenfalls im Kurier-Interview. Und drittens wurde die Festspiel-Homepage gestalterisch und farblich (die brombeerige Leitfarbe hat ausgedient) überarbeitet und auf einen halbwegs aktuellen und noch nicht in allen Teilen funktionierenden Stand gebracht. Sprich: In den Informationen zu Covid-19 erfährt man zwar noch keine Einzelheiten, die das Hygienekonzept für das Publikum betreffen, aber immerhin, dass nach jetzigem Stand das jeweils durchgetestete Orchester „in der gewohnt vollen Besetzung“ im Graben spielen und der Chorklang vermutlich aus dem Chorsaal übertragen werden soll. Die Einführungsvorträge für Karteninhaber sind digital geplant, an einer Corona-gerechten gastronomischen Konzeption wird, nachdem der bisherige Pächter ausgeschieden ist, noch gearbeitet. Apropos: Der vorzeitig ausgeschiedene Jonathan Meese hat aus Anlass seiner jüngsten Ausstellung in Wien im Standard eine Festspielinszenierung angekündigt, notfalls sogar nach seinem Tod. Donnerwetter, alle Achtung! Bleibt noch der Hinweis, dass es die Bamberger Symphoniker seit immerhin schon 75 Jahren gibt. Das Jubiläumskonzert am 18. März um 20.15 Uhr ist für Zuschauer online zu haben, leider ohne Chefdirigent Jakub Hrůša, denn der darf aktuell aus seiner tschechischen Heimat nicht ausreisen.
13., 14., 15. und 16. März 2021: Inmitten der rasant ausverkauften Berliner Pilotprojekte, die ebenso Fragen offen lassen wie die Münchner Öffnungspläne, gehen die Osterfestspiele eher baden (zumindest für Baden-Baden steht das schon fest, laut der twitternden Anna Netrebko hat es auch Salzburg schon erwischt). Gemischt ist auch die Nachrichtenlage in Bayreuth: Während der Nordbayerische Kurier in einem ausführlichen Interview (mit Bezahlschranke) Festspielgeschäftsführer Holger von Berg verabschiedet, der mit deutlich gemischten Gefühlen auf seine Hügel-Jahre zurückblickt, wurde Festspielleiterin Katharina Wagner (und nicht der eigentlich dafür zuständige Musikdirektor) in der Welt (mit Bezahlschranke) dazu befragt, warum im Festspielorchester immer noch vergelichsweise so wenig Frauen spielen. Der Anteil an weiblichen Musikerinnen liegt demnach aktuell bei nur 16 Prozent (2019 bei 14 Prozent). Hingegen uneingeschränkt positiv ist zu werten, dass Max Emanuel Cenčić für sein Barockmusikfestival in Bayreuth 2020 vom Preis der deutschen Schallplattenkritik e.V. der Ehrenpreis in der Kategorie „Klassik“ zugesprochen wurde. Hat er voll verdient! Für mich waren die beiden Opernaufführungen, die ich im Markgräflichen Opernhaus erleben durfte – szenisch „Carlo il calvo“, konzertant „Gismondo, Re di Polonia“ – die musiktheatralischen Höhepunkte der letzten zwölf Monate und beide immer noch als Video auf BR Klassik zu haben. Dafür lasse ich problemlos die heutige Wiener „Carmen“ in 3sat sausen …
9., 10., 11. und 12. März 2021: Heute morgen war ich ganz schön elektrisiert! Engelsloge heißt eine Beilage der Bayerischen Staatsoper und der Süddeutschen Zeitung, die mit ihrer Nr. 47 bei mir spontan Begehrlichkeiten weckte, denn der dort abgedruckte Spielplan verhieß Opernvorstellungen schon ab 17. März. „Mein Gott, sind die aber fix“ war mein erster Gedanke, der zweite, ob ich in punkto Nachrichtenlage was verpasst hatte. Der Blick auf die Staatsopern-Homepage brachte mich schnell zurück auf den Boden der Corona-Tatsachen. Nein, so schnell wird das doch nichts mit dem ersehnten echten Opernerlebnis, aber Öffnungspläne gibt es, natürlich auch im Nationaltheater, das wie geplant am 21. März um 15.30 Uhr Barrie Koskys „Rosenkavalier“-Neuinszenierung als Online-Premiere im Livestream und zeitgleich im Fernsehen bei Arte präsentieren wird. Ansonsten ist die Lage aber, wie der ORF aus Salzburg berichtet, nicht unbedingt rosig. Auch die umfassende MDR-Recherche in Sachen Frauenquote an mitteldeutschen Theatern und Opernhäusern stimmt nicht gerade fröhlich. Bleiben doch nur die Konserven! Die New Yorker Met bietet in der nunmehr 52. Woche täglich einen kostenlosen Opernstream. Da kann nur noch die Wiener Staatsoper einigermaßen mithalten, aber auch die Angebote der großen und kleineren Häuser national und international können sich sehen lassen. Wie auch immer: Die Sehnsucht wird immer größer!
5., 6., 7. und 8. März 2021: Der Lichtstreif am Horizont wird größer, die ersten Schritte von behutsamen Theateröffnungen werden zumindest ab Ende März für möglich gehalten. Hier eine Übersicht von BR24, die Kurzversion einer BR-Klassik-Sendung von Dorothea Hußlein zur Lage am 5. März um 19.05 Uhr sowie die aktuelle Berichterstattung auf nachtkritik. Und weil am 8. März Weltfrauentag ist, verlinke ich gerne auch einen Bericht von Frederik Hanssen im Tagesspiegel, dessen Überschrift mir allerdings zu optimistisch erscheint. So schnell wächst sich das dann doch nicht aus!
2., 3. und 4. März 2021: Natürlich sind wir alle gespannt, wo, wann, warum und wie weiter an den Corona-Stellschrauben im Kulturbereich gedreht wird. Was die künftige soziale Absicherung von Kulturschaffenden betrifft, scheint es laut einer Recherche des Deutschlandfunks immerhin schon konkrete Überlegungen in die richtige Richtung zu geben, während in München und Berlin die Intendanten langsam aber sicher in die Luft gehen. Einer hat die Zeit auch anders genutzt: Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper Berlin und derzeit mit den Proben seiner „Rosenkavalier“-Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper beschäftigt (Online-Premiere im kostenlosen Livestream am 21. März 2021), hat unter dem Titel „On Ecstasy“ Anekdoten und Szenen aus seinem Leben festgehalten, wie man im Interview der BZ erfährt.
26., 27., 28. Februar und 1. März 2021: Zwei Künstlerinnen setzen den Schwerpunkt: erstens die Dirigentin Simone Young, die im Stern bemerkenswerte Auskünfte zu ihrer Karriere und zum Stand der Dinge für Frauen in der Musikwelt gegeben hat, was man in Kurzform auch in der Wiener Presse nachlesen kann, und zweitens die Sängerin, Regisseurin, Intendantin und Gesangspädagogin Brigitte Fassbaender, die am 19. Februar an der Oper Frankfurt für Mitglieder des Opernstudios einen Meisterkurs gegeben hat, den Judith von Sternburg anschaulich in der Frankfurter Rundschau beschreibt und den man in Ausschnitten auch streamen kann. Über die aktuellen Streaming-Angebote der großen Häuser hat sich in der Welt Manuel Brug ein Bild gemacht, über die jüngste Mahler-CD der Bamberger Symphoniker unter Jakub Hrůša (jaja, ein Wunder, ausnahmsweise kein Dvořák!) hat Marc Bridle auf Opera Today eine schöne Kritik geschrieben und vom britischen Guardian kommt auch die Ankündigung einer „Ring“-Neuinszenierung von Richard Jones an der English National Opera (in Koproduktion mit der New Yorker Met) ab der Spielzeit 2022/23. Noch ein Tipp zum Schluss: Ab 28. Februar um 19 Uhr streamt die Komische Oper Berlin Korngolds „Die Tote Stadt“, ist empfehlenswert, ich habe vor einiger Zeit eine Aufführung dieser Produktion unter Ainārs Rubiķis, dem Gewinner des Bamberger Mahler-Dirigenten-Wettbewerbs 2010, mit Aleš Briscein und Sara Jakubiak in den Hauptrollen gesehen (bis 28. März mittags).
23., 24. und 25. Februar 2021: Zum plötzlichen Tod von Stefan Mickisch habe ich unter dem Titel „Der Wagner-Erklärer“ einen eigenen Beitrag verfasst, die Vorgänge der letzten Tage hat umfassend Axel Brüggemann in seinem Wochenkommentar „Von System-Spritzen und Systemsprengern“ auf Crescendo zusammengefasst, wo er zudem auf sein Gespräch mit Oksana Lyniv, der designierten Bayreuther „Holländer“-Dirigentin 2021, verweist. Apropos Festspiele: Wer sich schon Anfang April nach Tirol traut, kann bei den Frühlingsfestspielen in Erl unter anderem die Matthäus-Passion, einen konzertanten „Don Pasquale“ und ein Wagner-Galakonzert mit Christiane Libor erleben. Und zumindest in einem Punkt erfahren wir dank Roman Kocholl vom Nordbayerischen Kurier auch ein bisschen mehr zu „Ring 20.21“, dem multimedialen Projekt der Bayreuther Festspiele: Er hat einiges über Chiharu Shiota, die Künstlerin der „Götterdämmerung“-Installation im Festspielpark, zusammengetragen. Wer darüber hinaus wissen will, wohin das Festspielorchester unter Andris Nelsons nach seinen Konzerten im Festspielhaus auf Tournee gehen wird, findet beim Riga Jurmala Music Festival zumindest eine Antwort.
Genug an Neuigkeiten, noch kurz ein Blick auf die Streams. Künftig werde ich bei meinen Empfehlungen besser dazu schreiben, ob ich die Aufzeichnung schon gesehen habe, denn zuletzt beim „Wunder der Heliane“ hat sich mir, obwohl ich den Komponisten sonst schätze, ehrlich gesagt kein Wunder offenbart. Im Gegenteil: Die Handlung und das Libretto sind eher unsäglich, was auch ein kluges und ästhetisch überzeugend umgesetztes Regiekonzept (Christoph Loy) nicht wettmachen kann, zumal die Musik einen beim Streamen fast nur endlos aufgeregt erscheint. Die exzellent besetzte Produktion der Deutschen Oper Berlin schaue ich mir gerne einmal „in echt“ an, denn dann bin ich einfach besser fokussiert und sehe und höre konzentrierter. Wahrscheinlich sind Werke, die man noch nicht kennt, einfach nichts für Opern-Couchpotatoes? Unbesehen verweise ich auf die neue „Salome“ aus Mailand (mit sehr guten Solisten, darunter der neue Bayreuther Steuermann Attilio Glaser als Narraboth), die neue „Aida“ aus Paris (mit Jonas Kaufmann), „La clemenza di Tito“ aus Genf sowie die Janácek-Serie und die neu aufgelegte Bieito-„Carmen“ aus Wien. Und natürlich den bösen neuen „Freischütz“ aus München. Details dazu wie immer weiter unten in der Auflistung.
20., 21. und 22. Februar 2021: Mein Tipp zum Streamen: Erich Wolfgang Korngold „Das Wunder der Heliane“ von der Deutschen Oper Berlin ist nur noch bis einschließlich 21. Februar abrufbar. Sollten Opernfreunde nicht verpassen! Auch die anderen großen Opernhäuser (siehe Liste weiter unten) haben einiges zu bieten. Und um die Corona-Lage nicht aus den Augen zu verlieren, sei das Interview mit Bariton Christian Gerhaher auf Concerti empfohlen.
19. Februar 2021: Sorry, bin heute sehr spät dran. Aber im Zweifelsfall haben meine Enkel Vorrang. Ganz kurz nur der nochmalige Hinweis auf das Wohnzimmerkonzert der Wiener Symphoniker heute Abend um 20.15 Uhr unter Oksana Lyniv, das live auf der Website des Orchesters und auf Youtube gestreamt wird. Die designierte Bayreuther „Holländer“-Dirigentin wird unter anderem Wagners Vorspiele zu „Die Meistersinger von Nürnberg“, zu „Tristan und Isolde“ sowie zum 3. Akt „Lohengrin“ dirigieren. Dazu gibt es kurze Talks mit Axel Brüggemann und Debussys „Deux danses“ für Harfe und Orchester mit Volker Kempf als Solisten. Die Sendung wird anschließend unbegrenzt auf dem Youtube-Kanal der Wiener Symphoniker zu sehen sein.
15., 16., 17. und 18. Februar 2021: Zur Online-Premiere der Münchner „Freischütz“-Neuinszenierung äußere ich mich demnächst ausführlicher in Beers Blog, stelle aber gerne schon mal einige Kritikerstimmen vor – zwei männlich und zwei weiblich: Markus Thiel im Münchner Merkur und Wolf-Dieter Peter in der Neuen Musikzeitung, Franziska Stürtz im Deutschlandradio Kultur und Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau. Vorab nur so viel: Erfreulicherweise steht die sehens- und hörenswerte Produktion als Video on Demand auf Staatsoper.TV (ab 15. Februar 19 Uhr) und über BR-Klassik Concert auch weiterhin kostenlos zur Verfügung. Jeder kann sich selbst ein Bild machen, sollte allerdings keine Angst vor dem haben, was man gemeinhin „Regietheater“ nennt.
12., 13. und 14. Februar 2021: Christian Thielemann beschäftigt wieder die Medien, darunter in der „Welt“ Manuel Brug und auch mich. Aktuell zofft der Dirigent sich mit Semperoperintendanten Peter Theiler und nicht mehr mit Nikolaus Bachler, dem vormaligen Konkurrenten um den Intendantenposten der Salzburger Osterfestspiele. Mit letzterem hat Markus Thiel im Münchner Merkur ein schönes Interview zur alten und neuen „Freischütz“-Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper vorgelegt. Womit ich endlich nochmals auf den kostenlosen Livestream der Premiere am 13. Februar um 18.30 Uhr aufmerksam machen möchte, auf die man sich auch mit der Premierenmatinee einstimmen kann.
8., 9., 10. und 11. Februar 2021: Der 82-jährige Aktionskünstler Hermann Nitsch hat sich jetzt auch vom Nordbayerischen Kurier ausführlich interviewen lassen. Von dessen Regenbogenfarben komme ich aber nicht zur Regenbogenpresse, sondern eher zu aktuellen Überlegungen, wie die Zukunft des Kulturjournalismus aussieht und was man von den digitalen Medien lernen kann. Über ersteres hat sich Alex Ross, Autor des überaus anregenden, ja spannenden Wagnerbuchs „Die Welt nach Wagner“, im Deutschlandfunk geäußert, während man nach der Lektüre des Artikels „Der Stolz Frankreichs“ in der Süddeutschen Zeitung plötzlich neidisch auf das Nachbarland schaut, wo das Kulturleben auch und gerade in Coronazeiten einen anderen Stellwert zu haben scheint. Und natürlich lohnt es sich auch, reinzuhören in eine Sendung von SWR2, in der Axel Brüggemann, Christine Lemke-Matwey, Hans-Jürgen Mende und Holger Noltze darüber sprechen, ob und wie Kultur im Internet funktionert. Was in der Pandemie derweil nicht oder nur in Ausnahmefällen funktioniert, ist für das Gros aller Künstler die praktische Berufsausübung. Die Opernsänger Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, Kevin Conners und Christian Gerhaher sowie der Dirigent und Organist Hansjörg Albrecht haben deshalb die Aktion „Aufstehen für die Kunst“ initiiert, der sich bereits mehr als 300 Unterstützer angeschlossen haben. Hoffentlich hilft’s was!
Neuer Tipp für den 7. Februar: Die ursprünglich geplante, dann abgesagte, spontan dann doch realisierte Aufzeichnung der Wiederaufnahme der „Figaro“-Inszenierung von Jean Pierre Ponnelle von 1985 an der Wiener Staatsoper unter Philippe Jordan wird um 19 Uhr gestreamt und ist um 20.15 auch auf ORF 3 und auf myfidelio.at zu finden.
Aktualisierung zum 5. Februar aus gegebenem Anlass: Oswald Georg Bauer, DER Festspielchronist, feiert heute seinen 80. Geburtstag. Und heute vor fünfzig Jahren brannte der Hauptbahnhof in Luzern ab.
4., 5., 6. und 7. Februar 2021: „Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht!“, heißt es im „Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens aus der „Dreigroschenoper“ von Bert Brecht. Und weiter: „Und mach dann noch ’nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht.“ Das konnte gerade Bogdan Roščić, der neue Intendant der Wiener Staatsoper erleben, der diese Woche gleich zwei Live-Streams wegen Corona-Infizierungen von Beteiligten absagen musste. Dazu ein Kommentar aus der Wiener Zeitung, der nur insofern schon wieder überholt ist, als Corona inzwischen auch die Australian Open ausbremst. Gerne singe auch ich mal ein Loblied auf jene Intendanten, die in diesen schwierigen Zeiten beharrlich nicht nur planen, sondern echte, leider noch publikumslose Aufführungen auf die Reihe bringen. Damit das sehnsüchtige Publikum planen kann, hier ein paar Hinweise auf kommende Konzert- und Opernereignisse im Netz undsoweiter.
Die Wiener Symphoniker – nicht zu verwechseln mit den Wiener Philharmonikern – streamen auch im Februar auf ihrer Facebook-Seite und ihrer Website www.wienersymphoniker.at die inzwischen vierte Staffel ihrer Wohnzimmerkonzerte. Diesmal sind gleich zwei ehemalige Preisträger des Bamberger Mahler-Wettbewerbs mit dabei, die inzwischen Karriere gemacht machen. Am 5. Februar um 20.15 Uhr dirigiert Yoel Gamzou, Förderpreisträger 2007 und zuletzt Dirigent der Uraufführung des Callas-Abends von Marina Abramović an der Bayerischen Staatsoper, ein Programm mit Werken von Weber, Koetsier und Korngold und dem Tubisten Franz Winkler als Solisten. Am 12. Februar um 20.15 Uhr folgt mit den Wiener Sängerknaben und Lorenzo Viotti ein karnevaleskes Programm mit Ouvertüren, Polkas und Walzern, am 19. Februar um 20.15 Uhr ist schließlich Oksana Lyniv, 3. Preisträgerin 2004 und im Festspielsommer 2021 als „Holländer“-Dirigentin die erste Frau, die eine Festspielproduktion leitet, mit einem Wagner-Programm sowie einem Harfen-Konzert von Claude Debussy an der Reihe. Apropos Bamberg: Aktuell können bei den Bamberger Symphonikern drei Konzerte kostenlos abgerufen werden.
Opernfreunde, die was Neues sehen wollen, haben am 13. Februar die Qual der Wahl: Sowohl die Bayerische Staatsoper als auch die Staatsoper Unter den Linden streamen live bzw. übertragen auch im Fernsehen und Rundfunk Neuinszenierungen. Während die neue „Jenufa“ aus Berlin (Regie: Damiano Michieletto, Dirigent: Simon Rattle, mit Camilla Nylund in der Titelrolle) auch nach dem 13. Februar in der 3sat-Mediathek und bei Radiosendern zur Verfügung stehen dürfte, kann die Münchner „Freischütz“-Inszenierung von Dmitri Tcherniakov (der auch beim neuen „Holländer“ in Bayreuth Regie führt) nur am 13. Februar ab 18.30 Uhr kostenlos gestreamt werden. Es dirigiert Antonello Manacorda, auf der Besetzungliste steht unter anderem Anna Prohaska als Ännchen, die gerade dem Tagesspiegel ein sehr ausführliches Interview gegeben hat hat – über Singen in der Krise, ihre Liebe zu Grufties und Tenor-Witze. Nicht zu vergessen Glucks „Orphée et Euridice“ am 14. Februar um 19 Uhr live aus dem Opernhaus Zürich in einer Neuinszenierung von Christoph Marthaler!
Und gerne verweise ich nochmals auf die Neuinszenierung von Mozarts „Le clemenza di Tito“ am Salzburger Mozarteum: Man kann sich nach wie vor die spannend inszenierte Produktion (Regie: Alexander von Pfeil) ansehen – mit jungen Sängern, die nicht nur wegen ihrer wunderbar intakten Stimmen das Zeug für eine erfolgreiche Laufbahn haben.
1., 2. und 3. Februar 2021: Unter dem Titel „Wälsungenblut wird fließen“ habe ich mich ausführlich mit dem Bayreuther Festspielprogramm 2021 und einigen Personalien befasst. Nachzutragen wäre dazu noch die ausführliche Vorstellung von Ulrich Jagels, der am 1. April von Holger von Berg das Amt des kaufmännischen Geschäftsführers der Bayreuther Festspiele GmbH übernimmt. Damit niemand glaubt, dass außer dem Grünen Hügel und Wagner nichts für mich zählt, schwärme ich Ihnen allen gerne vor, wie beglückend Claudio Monetverdis „Orfeo“ in der halbszenischen Umsetzung unter John Eliot Gardiner ist, mit der er 2017 auf Tournee ging und die im Teatro La Fenice aufgezeichnet wurde. Noch bis 6. Februar in der 3sat-Mediathek!
30. und 31. Januar 2021: Der Spielplan der Bayreuther Festspiele 2021 ist raus, in der österreichischen Tageszeitung Die Presse hat Hermann Nitsch schon sein erstes Interview gegeben, das man per Tagespass in voller Länge lesen kann. Die Kernbotschaft lautet: Es wird zur konzertanten „Walküre“-Vorstellung unter Pietari Inkinen (die dreimal im Programm steht) auf der Bühne eine Nitsch-Malaktion geben, an der zehn erfahrene Nitsch-Akteure malen, für Prozessionen und sonstige Action sorgen. Nitsch im O-Ton: „Dabei denke ich an senkrechte Flächen, an denen das ganze Farbspektrum in allen Regenbogenfarben herunterrinnt, sowie an die waagrechte Fläche der Bühne, wo ebenfalls etwas stattfinden wird. Durch die Farben werde ich die Möglichkeit haben, auf die Musik einzugehen, deren großer Liebhaber ich bin, so farbig und sinnlich wie sie ist.“ Diejenigen, die eine Karte bekommen, brauchen also gar keine Angst haben.
Dass Andris Nelsons wieder als Festspieldirigent wirken wird, hat als erste und noch vor Veröffentlichung des Spielplans Freitag Mittag Regina Ehm-Klier in der Passauer Neuen Presse gemeldet. „Ich freue mich außerordentlich“, zitiert die PNP Festspielleiterin Katharina Wagner, „dass Andris Nelsons wieder bei den Bayreuther Festspielen zu erleben ist. Dieser Ausnahmekünstler zeichnet sich für mich durch seine Liebe zum Wagner’schen Werk und seine konzentrierte Arbeit, die ausschließlich die musikalische Qualität in den Mittelpunkt rückt, aus.“ Nelsons soll nach den beiden Wagner-Konzerten, die er im Festspielhaus dirigiert, auch noch mit dem Festspielorchester auf Tournee gehen. Christian Thielmann, Musikdirektor der Festspiele mit ausgelaufenem Vertrag, wird mit dem Dirigat eines konzertanten „Parsifal“ am 10. August seinen einzigen Auftritt der Festspielsaison 2021 in Bayreuth haben. Mehr Infos zu allem liefert unter anderem der Standard. Und weil heute so viel aus Österreich kommt, gebe ich gerne noch einen Tipp für Montag: Am 1. Februar um 19 Uhr streamt die Salzburger Universität Mozarteum eine Neuinszenierung von Mozarts „La clemenza di Tito“ in der Inszenierung des von mir hochgeschätzten Regisseurs Alexander von Pfeil. Nur noch am Samstag und am Sonntag bis 15 Uhr streamt die Deutsche Oper Berlin Alexander von Zemlinskys Oper „Der Zwerg“ in der Inszenierung von Tobias Kratzer, und der Holländer aus der Met (nur noch bis Samstag Mitternacht) ist auch nicht zu verachten … Schluss jetzt!
28. und 29. Januar 2021: Noch im Januar soll Festspielleiterin Katharina Wagner den Spielplan bekannt geben, von dem man aus unterschiedlichen Publikationen schon ziemlich viel, aber noch nicht jedes Blutströpfchen und i-Tüpfelchen weiß. Dazu vermutlich bald mehr. In der Neuen Zürcher Zeitung hat derweil Wagner- und Bayreuth-Experte Udo Bermbach das bisherige Rahmenprogramm Diskurs Bayreuth unter seine Lupe genommen – ein Artikel, der anhand der bisher erschienenen drei Symposiumsbände aufzeigt, wohin die Reise künftig gehen könnte, sollte, müsste. Ebenfalls aus Zürich kommt eine Personalie, die laut Tagblatt einige Rätsel aufgibt. Vom nicht näher definierten Machtmissbrauch des einen ist der Weg zur sexuellen Nötigung eines anderen nicht mehr weit: Die Abendzeitung München berichtet, dass der rechtskräftig verurteilte ehemalige Musikhochschulpräsident Siegfried Mauser genau vor einem Jahr seine Freiheitsstrafe antreten sollte, sich aber dank seines österreichischen Passes und findiger Advokaten immer noch auf freiem Fuß im Nachbarland befindet. Um schnell noch eine gute Nachricht zu bringen, sei Streamern die Hamburger Manon empfohlen (bis 29. Januar, 18 Uhr). F.A.Z.-Kritiker Jürgen Kesting kann sich zwar nicht mit David Böschs Inszenierung anfreunden, die am 24. Januar 2021 ihre Geister-Premiere hatte, dafür aber umso mehr mit Elsa Dreisig in der Titelrolle.
25., 26. und 27. Januar 2021: Eine Zusammenfassung des F.A.Z-Interviews mit Katharina Wagner liefert jetzt auch BR-Klassik mit einem Thielemann-Fokus, während die Süddeutsche Zeitung prompt und brandaktuell denselbigen ein bisschen vom Sockel hebt. Hat nicht erst jüngst noch SZ-Kritiker Reinhard J. Brembeck Thielemann ausdrücklich als den bedeutendsten Dirigenten seiner Generation bezeichnet? Dass der brav auch von mir angekündigte „Nabucco“-Live-Stream der Wiener Staatsoper mit Plácido Domingo dann doch nicht reibungslos abgelaufen ist bzw. ablaufen konnte, habe ich schon im Nachtrag zu meinem Blog-Beitrag vermerkt. Ansonsten verlinke ich diesmal, weil am 27. Januar der internationale Gedenktag an die Opfer der Nationalsozialisten ist, einen aktuellen BR-Beitrag von Antonia Morin über Antisemitismus in der Klassik sowie die erfreuliche Nachricht aus dem Kreisboten Garmisch-Partenkirchen, die besagt, das Hermann Levi, der jüdische Dirigent der „Parsifal“-Uraufführung, dessen Grabmal laut einer Recherche des Nordbayerischen Kuriers durch Nazis dem Erdboden gleichgemacht wurde, endlich eine repräsentative letzte Ruhestätte bekommen wird. Umso befremdlicher wirken da Berichte aus Leipzig, wonach der dortige Richard-Wagner-Verband Teile des in der NS-Zeit geplanten Wagner-Nationaldenkmals von Bildhauer Emil Hipp, für das Hitler den Grundstein legte, angekauft hat, um die „besondere Geschichte der Wagner-Rezeption in Leipzig zu dokumentieren“. Was unter anderem heißt, dass es dazu in zwei Jahren eine Ausstellung geben soll, die den historischen Kontext beleuchtet. Die beiden angekauften Reliefs sollen darüber hinaus, wie es laut BR-Artikel heißt, „langfristig gesehen – so wünschen es zumindest die Mitglieder des Leipziger Wagner-Verbandes – dort aufgestellt werden, wo es einmal vorgesehen war: auf dem Gelände des nicht verwirklichten Denkmals.“ Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich nicht Mitglied beim RWV Leipzig bin, denn ich müsste sonst sofort meinen Austritt erklären.
22., 23. und 24. Januar 2021: Bin heute sehr spät dran, weil ich mich etwas ausführlicher mit Plácido Domingo beschäftigt habe. Unter den aktuellen Kulturnachrichten macht heute das bezahlpflichtige Interview von Jan Brachmann mit Katharina Wagner in der F.A.Z. das Rennen, das mit „Wir planen schon jetzt mit zwei Orchestern“ übertitelt ist. Diese zwei Orchester wird es, wie die Festspielleiterin ausführt, geben müssen, damit die Festspiele im Fall eines Infektionsgeschehens auf das jeweils andere zurückgreifen und die geplanten Vorstellungen durchführen können. Ob der Chor im Chorsaal singen und auf der Bühne darstellerisch ersetzt werden soll, entscheidet sich ebenfalls nach der aktuelle Corona-Lage. Zum schon bekannten geplanten Spielplan und den Besetzungen gibt es außer einigen Präzisierungen zum Rahmen-Programm „Diskurs Bayreuth“, der Kinder-Oper und der Nennung von Tenor Attilio Glaser als Steuermann in der „Holländer“-Neuinszenierung nichts Neues. Was die Mitwirkung von Hermann Nitsch bei der Performance-„Walküre“, die Ernennung von Ulrich Jagels als Geschäftsführer und den Vertrag mit Christian Thielemann betrifft, verweist Katharina Wagner erstens auf noch nicht unterschriebene Verträge, zweitens auf die noch ausstehende formale Bestätigung der Gesellschafter und drittens auf die auch wegen ihrer Erkrankung und der dringlicheren Corona-Situation lange aufgeschobene und noch nicht abgeschlossene Neuregelung des Vertrags mit dem Musikdirektor, was eine komplexe Sache sei, „bei der viele Dinge wie Titel und Aufgaben abgestimmt werden müssen.“ Dass schon der Titel per se eine komplexe Angelegenheit sein kann, mag überraschen. Ausdrücklich bestätigt sie aber: „Wir wollen beide unbedingt zusammen weitermachen. Das steht überhaupt nicht in Frage.“
Klar erfreulich hingegen liest sich, dass in Sachen Familienarchiv wenigstens zwei vormals konkurrierende Familienzweige einander offenbar wieder näher gekommen sind. Zumindest sie als Erbin von Wolfgang Wagner sowie Daphne, Nike und Wummi, also Wolf-Siegfried, als Erben Wieland Wagners seien sich darin einig gewesen, die ererbten Nachlässe der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Man könne aber – gemeint sein dürften da in erster Linie die Erben der 2019 verstorbenen letzten Wagner-Enkelin Verena Lafferentz, in deren Besitz sich unter anderem die Korrespondenzen von Siegfried Wagner und dessen Witwe und Hitler-Freundin Winifred Wagner befinden – niemanden dazu zwingen, genau das ebenfalls zu tun. Man könne nur immer wieder an die Vernunft der Erben appellieren, die Dokumente herauszugeben. Dass es dabei auch um Geld gehen könnte, verneint Katharina Wagner ganz entschieden – zumindest für sich und die Wieland-Kinder.
19., 20. und 21. Januar 2021: Die spannende Frage, ob im Festspielsommer 2021 am Grünen Hügel das Wälsungenblut à la Hermann Nitsch fließen wird, können auch seriöse österreichische Medien wie der Standard nicht eindeutig klären, sondern nur die Festspielleiterin. Und sie wird sich offenbar erst dazu äußern, wenn die Verträge unter Dach und Fach sind. Vorsichtshalber ergänze ich meinen Tipp vom 17. Januar: Wahrscheinlich wird der angekündigte Performance-Künstler, der die geplanten drei halbkonzertanten „Walküre“-Vorstellungen aufpeppen soll und hinter dem ich nach wie vor den schon einschlägig eingearbeiteten Simon Steen-Andersen vermute, mit Videos arbeiten und hat womöglich unter anderem bei Nitsch ein Video anfragen lassen (was unschwer dessen „Mitwirkung“ an der Produktion erklären könnte). Natürlich hat der 82-jährige Nitsch die Gelegenheit genutzt, sich als Wagnerfan zu outen und den Wunsch auszusprechen, auch einmal in Bayreuth Regie zu führen, während er seine Frau bei der österreichischen Nachrichtenagentur APA aktuell wie folgt dementieren ließ: „Von Inszenieren ist keine Rede“, sagte Rita Nitsch. Kann auch schlecht sein, denn die „Walküre“-Neuinszenierung obliegt bekanntlich Valentin Schwarz, der den kompletten „Ring“ coronabedingt erst 2022 in der Ausstattung von Andrea Cozzi herausbringen wird. So oder so: Man darf gespannt sein! Schließlich hat Katharina Wagner schon im Dezember angekündigt, dass sich 2021 die Festspiele im Rahmen von Diskurs Bayreuth mit den weiteren „Ring“-Teilen auseinandersetzen werden: „Jeder soll die Möglichkeit haben, sich selbst als der junge Siegfried zu fühlen und eine Begegnung mit dem Drachen zu erleben.“ Na bitte, Drachenblut!
17. und 18. Januar 2021: Die Meldung des österreichischen News-Magazin, wonach der 82-jährige Aktionskünstler Hermann Nitsch bei der diesjährigen „Walküre“-Produktion der Bayreuther Festspiele mitwirken werde, hat passenderweise unter anderem beim BR gleich das Blut in Wallung gebracht. Doch gemach! Der ORF, der sicher die verlässlichere Quelle ist als News-Gerüchte-Spezialist Heinz Sichrowsky, relativiert die Exklusiv-Nachricht gleich mehrfach. Und ehrlich gesagt: Wenn überhaupt, dann wäre Nitsch eher für „Parsifal“ geeignet. Was den von Katharina Wagner angekündigten Performance-Künstler für die „Walküre“ betrifft, tippe ich aus naheliegenden Gründen auf Simon Steen-Andersen. Ansonsten ist die Lage weltweit weiterhin für echte Live-Zuschauer ziemlich opern-, konzert und theaterfrei – bis auf wenige Ausnahmen. In Europa lässt derzeit nur Spanien aufhorchen, bei uns melden die Häuser zum Teil schon jetzt Schließzeiten bis Ostern, auch wenn eine Untersuchung im Konzerthaus Dortmund andere Ergebnisse gezeitigt hat, die allerdings nur für die dortigen Gegebenheiten gelten. Derweil lässt die Wiener Staatsoper vorsichtshalber schon mal ihre Besucher abfragen, ob sie vor einem Besuch auch einen Corona-Schnelltest machen würden, nachdem der österreichische Gastronom, Veranstalter und Start-Up-Gründer Hennes Weiss ein entsprechendes System vorgestellt hat. Die Möglichkeiten weiterdenken kann jetzt jeder selber. Meine aktuelle Stream-Empfehlung ist für den 18. Januar um 20.15 Uhr im Livestream das jüngste Montagsstück der Bayerischen Staatsoper, ein „raffiniertes Hybrid und gerade deshalb prädestiniert für eine Neuvorstellung in diesen hybriden Zeiten“.
14., 15. und 16. Januar 2021: Auch TVO hat sich jetzt dem Vorstoß von Kulturstaatsministerin Monika Grütters gewidmet. Bemerkenswert an dem Bericht ist vor allem die schriftliche Stellungnahme von Festspielleiterin Katharina Wagner auf die Frage, ob sie die Bayreuther Festspiele dadurch in Frage gestellt sieht: „Nein. Ganz im Gegenteil. Frau Grütters betont den internationalen Stellenwert der Festspiele, die programmatische Neuaufstellung mit dem ‚Diskurs Bayreuth‘ als Podium der Festspiele für Uraufführungen, Konzerte und Gespräche und sichert damit den Fortbestand, indem sie die Strukturen an die heutigen Bedürfnisse anpassen möchte.“ Gut zurückgebrüllt, Löwin! Der aktuelle Bericht dazu aus der Lokalzeitung Nordbayerischer Kurier hat eine Bezahlschranke.
Wie unterschiedlich die Reaktionen auf Personalentscheidungen im Kulturbereich sein können, lässt sich nachvollziehen an den Kommentaren zur Ernennung von Simon Rattle zum Chefdirigenten des BR-Symphonieorchesters – mit Jan Brachmann in der F.A.Z., Markus Thiel im Münchner Merkur und dem gar von einer Liebesheirat schwärmenden Reinhard J. Brembeck auf SZPlus. Letzterer vertritt die streitbare Ansicht, Rattle sei neben Christian Thielemann „der bedeutendste Dirigent seiner Generation“. Thielemann? War da nicht noch was? Hängt die sich auffallend hinziehende Vertragsverlängerung oder -beendigung nicht doch damit zusammen, wer künftig in Bayreuth das Sagen haben soll? Fragen über Fragen.
Auch wenn derzeit aus gegebenen Gründen CNN bei mir jeden noch so attraktiven Opernstream aussticht – die Impeachment-Sitzung im Repräsentantenhaus war eine beispiellose politische Lehrstunde – gebe ich gerne noch die Empfehlung, sich bei Gelegenheit unbedingt „Carlo il Calvo“ (Karl, der Kahle) von Nicolà Antonio Porpora in der stimmigen Inszenierung von Max Emanuel Cenčić in der BR Mediathek (bis 2.1.2022) anzusehen. Ich durfte die luxuriös besetzte Aufführung mit 199 weiteren glücklichen Kartenbesitzern im Markgräflichen Opernhaus erleben, und es war in 2020 für mich das Opernereignis des Jahres. Übrigens wurde die Produktion auch beim französischen Internetportal Forumopera zur Inszenierung des Jahres gewählt. Der Kurztext dazu wegen einiger sprachlicher Feinheiten im Original: On attendait avec impatience la réouverture de ce joyau qu’est l’Opéra des Margraves à Bayreuth. Qu’un festival de musique baroque y trouve sa résidence ne manquait déjà pas de sel dans la Jerusalem wagnérienne, mais qu’une production résolument moderne réunissant une distribution flamboyante vienne éclipser la Colline sacrée, voilà qui méritait bien un trophée!
11., 12. und 13. Januar 2021: Axel Brüggemann, Autor und streitbarer Kommentator bei Crescendo, hat seinen Winterurlaub endgültig beendet und geht in seinem montäglichen Wochenkommentar mit einigen Neuigkeiten gleich in die Vollen. Erstens hat er sich mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters über deren Beweggründe für eine „radikale Bayreuth-Reform“ mündlich und schriftlich ausgetauscht; zweitens nennt er als Nachfolger für den Posten des nicht verlängerten (kaufmännischen) Geschäftsführers der Festspiel-GmbH Ulrich Nagels, aktuell noch Verwaltungsdirektor der Oper Leipzig; drittens mutmaßt er, dass Noch-Geschäftsführer Holger von Berg angeblich von Uwe Eric Laufenberg ans Staatstheater Wiesbaden geholt werden soll. Letzteres ist am ehesten zu bezweifeln, denn von Berg hat eine Rückkehroption beim Freistaat Bayern. Über einen anderen Rumor am Grünen Hügel berichtet Markus Thiel im Münchner Merkur, der das neue Buch von Tenor Pjotr Beczala genau gelesen hat, während Wagner-Heroine Waltraud Meier, die am Samstag ihren 65. Geburtstag feierte, sich auf BR Klassik im Gespräch mit Bernhard Neuhoff nicht nur an Höhepunkte in ihrer Laufbahn erinnert, sondern auf die aktuellen Nöte von Sängern aufmerksam macht. Die könnten noch länger dauern, wenn man liest, wie Klaus Lederer, der Berliner Kultursenator und Chef der Kulturministerkonferenz, die Lage auf Deutschlandfunk Kultur einschätzt. Ach Bayreuth, ach Corona!
8., 9. und 10. Januar 2021: Dass die Nachrichtenlage mit Blick auf Amerika inzwischen noch düsterer als ohnehin ist, erwähne ich nur deshalb, damit niemand glaubt, ich pflegte nur hingebungsvoll mein kulturelles Lockdownsyndrom. Ansonsten hat sich in Sachen der Festspielstruktur-Kritik von Staatsministerin Monika Grütters als SWR-Kolumnist Axel Brüggemann gemeldet, bekanntlich ein Intimus von Festspielleiterin Katharina Wagner. Von den Fakten her bringt er – bis auf die aktuellen Äußerungen von Christian Thielemann – vieles, was hinter einer Bezahlschranke schon Regina Ehm-Klier am 30. Dezember 2020 in der Passauer Neuen Presse berichtet hat. Ansonsten nimmt er wie immer kein Blatt vor den Mund. Die Kritik an Grütters halte ich für berechtigt, eine überzeugende Begründung, warum die Ministerin, die sich momentan mit drängenderen Problemen befassen sollte, diese „Nebelkerze“ losgelassen hat, liefert dis dato niemand. Ob die ungeklärte Musikdirektorenfrage dabei eine Rolle spielt? Da ich nicht weiß, wie das wird, gebe ich lieber noch einen Hinweis auf eine Rückschau. Teresa Andreae vom ORF berichtet über eine Ausstellung der Tiroler Medienkünstlerin Carmen Brucic in der Innsbrucker Galerie Thoman, die Christoph Schlingensief zeigt, wie ihn nur wenige kannten – ruhig und nachdenklich.
5., 6. und 7. Januar 2021: Keine guten Nachrichten, egal wohin man schaut – ob an der New Yorker Met, wo Intendant Peter Gelb im Interview mit dem Deutschlandfunk Auskunft gibt, oder hierzulande, wo unter anderem die Musikverlage zu kämpfen haben, wie Max Nyffeller in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichtet. Dass auch ein Arzt im Ruhestand ins Corona-Geschehen involviert wird, beschreibt eindringlich mein Vorstandskollege Dr. Jürgen Gröbel – mit praktischen Impferfahrungen und entsprechendem Appell. Wenn ich jetzt dennoch auf Opernstreams überleite, dann nur deshalb, weil wie Opernfreunde schlichtweg dankbar sein sollten, dass sowohl die Met in New York als auch die Wiener Staatsoper täglich wechselnd und kostenlos komplette Opernaufzeichnungen anbieten. Vermutlich werde ich, weil ich den Wiener „Ring“ schon im ersten Lockdown (mit etwas anderer Besetzung) hatte, mir diesmal „Die Sache Makropoulos“ unter Jakub Hruša nicht entgehen lassen …
2., 3. und 4. Januar 2021: Nennenswert Neues gibt es nicht, außer daß der Blumenschmuck beim Neujahrskonzert aus Wien besonders üppig ausfiel und das Neujahrskonzert aus Venedig mit Maskenpflicht für alle nicht blasenden Musiker etwas Gespenstisches hatte. „Hoffmanns Erzählungen“ von der Komischen Oper Berlin anstelle der notorischen „Fledermaus“ waren zum Jahreswechsel übrigens eine echte Alternative, die allerdings getrübt wird durch die sehr schwankende Tonqualität (was wahrscheinlich daran liegt, dass es sich nur um eine hausinterne Aufzeichnung handelt, die man für Besetzungsänderungen braucht). Es lohnt sich aber trotzdem, schon wegen der unglaublichen Sängerdarstellerin Nicole Chevalier – und wegen der Inszenierung. Nicht nur für Kosky-Fans ein Muß!
Warum die Süddeutsche Zeitung ausgerechnet Helmut Mauró mit der Kritik zum neuen Wagnerbuch von Alex Ross beauftragt hat? Hmm. Schwer zu sagen. Da bräuchte man einen Whistleblower aus der Redktionskonferenz, und den habe ich nicht. Ich bin erst auf Seite 237 (von 766 Seiten ohne Anhang und Fußnoten, die immerhin nochmal stolze 134 Seiten umfassen!) und finde das Buch bisher ausgesprochen spannend, weil es einen Blick von außen und daher viele auch mir unbekannte Details vermittelt, die das Gros der Wagnerbücher von deutschsprachigen Autoren eben nicht bietet.
Bleibt noch mein Streaming-Tipp: Obwohl das „Rheingold“ aus der Wiener Staatsoper lockt, bleibe ich am 2. Januar Philippe Jordan und seinem konzertanten Pariser „Ring“ treu und höre mir ab 20 Uhr auf France musique die „Götterdämmerung“ an. Man kann den ganzen „Ring“ anschließend für einen Monat noch nachhören.
31. Dezember 2020 und 1. Januar 2021: Fast hätte ich die Nachrichtenlage der letzten Tage des Jahres 2020 komplett mit der Süddeutschen Zeitung bestritten – also erstens mit dem erwartbar nur „freistaatstragenden“ Artikel von Reinhard J. Brembeck, zweitens mit der kurzen dpa-Meldung zur Reaktion von Festspielleiterin Katharina Wagner auf die Äußerungen von Staatsministerin Monika Grütters und drittens mit „Bühne frei für Kritik“, dem kulturpolitisch relevanten Kommentar von Kia Vahland. Erfreulicherweise hat Markus Thiel vom Münchner Merkur sich nicht nur auf Äußerungen an anderer Stelle berufen, sondern schnell ein aktuelles Interview mit Katharina Wagner geführt, das jetzt zwar nicht an erster Stelle steht, aber gelesen werden sollte. Viel Neues steht nicht drin, aber es sind O-Töne der Festspielleiterin und keine Mutmaßungen. Wobei man letztere angesichts ihrer sehr geschickten Antwort auf die letzte Frage durchaus anstellen wollte … Ach was! Zum Jahreswechsel stehen viele Opernfreunde eher vor der kniffligen Entscheidung, ob der „Fledermaus“-Stream aus Wien oder aus Frankfurt kommen soll. Da ich in Bamberg lebe, ziehe ich lieber „Hoffmanns Erzählungen“ von der Komischen Oper Berlin rein, denn da gibt es den Titelhelden nicht nur des Champagners wegen gleich dreifach. Was will man mehr für einen hoffentlich guten Rutsch?
28., 29. und 30. Dezember 2020: Die eine Spitzenmeldung zu Bayreuth reicht: Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultur und Medien, stellt die Strukturen der Wagner-Festspiele in Frage. Den kompletten Text des aktuellen dpa-Berichts hat unter anderem der Nordbayerische Kurier online gestellt, auf dessen Homepage es – hoffentlich nur temporär wegen Corona! – die Kategorien Kultur und Festspiele nicht mehr gibt. Wenn ich mal forsch in die Zukunft blicken darf: Am Ende könnte es darauf hinauslaufen, dass die Festspiele bayerische Staatsfestspiele und damit letztlich das werden, was König Ludwig II. immer wollte. Mehr sog i ned!
Wer den Auftakt zum Ende November, Anfang Dezember neu aufgezeichneten Radio-„Ring“ aus Paris verpasst hat, kann „Das Rheingold“ samt Vorabinfos und Interview mit Dirigent Philippe Jordan auf France musique nachhören. Und am heutigen Montag Abend um 20 Uhr geht es weiter (Le direct-Pfeil ganz oben, den direkten Link gibt es noch nicht oder ich fand ihn nicht … ) mit der attraktiv besetzten „Walküre“. Es lohnt sich bestimmt, mit der Einschränkung vielleicht, dass man plötzlich hört, dass die jahrzehntelangen Bayreuth-Übertragungen des Bayerischen Rundfunks ein aufnahmetechnisches und klangästhetisches Niveau zur Folge hatten und haben, das der enormen Dynamik gerade von Wagnervorstellungen ziemlich unvergleichlich gerecht wird. Sei’s drum: Am 30. Dezember folgt um 20 Uhr „Siegfried“, u.a. mit Andreas Schager in der Titelrolle, Gerhard Siegel als Mime, Iain Paterson als Wanderer, Jochen Schmeckenbecher als Alberich, Ricarda Merbeth als Brünnhilde.
24., 25., 26. und 27. Dezember 2020: Echte neue Nachrichten aus Bayreuth gibt es diesmal nicht, nur Nachmeldungen gewissermaßen. Denn erstens teilen die Festspiele auf ihrer Homepage mit, dass der kommende Spielplan nicht schon, wie angekündigt, zum Jahresende, sondern erst im Januar bekannt gegeben werden soll. Und zweitens hat sich Christian Thielemann über ein langes Spiegel-Interview (mit Bezahlschranke) und einen Bericht der Deutschen Presse-Agentur für den womöglich auslaufenden Posten als Musikdirektor der Festspiele nochmals in Erinnerung gebracht. Der entscheidende Satz auf Anfrage der dpa vom 23. Dezember lautet: „Die Bayreuther Festspiele beabsichtigen, einen neuen Vertrag mit Christian Thielemann abzuschließen. Die Aufgaben und der sich daraus ergebende Titel befinden sich noch in Klärung.“ Das kann alles heißen oder auch nichts. Was Axel Brüggemann, ein Intimus von Katharina Wagner dazu schreibt, kann man auf Crescendo finden. Man darf gespannt sein, wer sich am Ende durchsetzt: die Festspielleiterin, die wunschgemäß ab April ohnehin einen neuen (männlichen oder weiblichen) Geschäftsführungskollegen bekommen wird und angeblich auch mit Thielemann in den letzten Jahren nicht mehr gut konnte, oder der Verwaltungsrat der Festspiel GmbH, in dem die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth durch den Verwaltungsratsvorsitzenden Georg von Waldenfels eine ziemlich mächtige Stimme hat, die gleichzeitig auch für die Kulturpolitik im Freistaat Bayern sprechen könnte. Und nicht vergessen: Am 26. Dezember um 20 Uhr beginnt der konzertante Pariser „Ring“ auf Radio France Musique, den man dort im Tagesprogramm findet. Es lohnt sich, auch wenn man sich einen wagnergstählten BR-Tonmeister dafür gewünscht hätte.
21., 22. und 23. Dezember 2020: Die jüngste Nachricht aus Bayreuth über Stefan Mickisch ist inhaltlich brisant und wirft ein bezeichnendes Licht auf das, was man journalistische Sorgfalt nennt. Es begann mit einer seriösen kurzen Meldung von Radio Mainwelle am 15. Dezember, die vier Tage später etwas überarbeitet auf BR Klassik erschien, leider zum Schlechteren. Denn der sicher gut bezahlte Münchner Sitzredakteur googelte zwar fleißig, redigierte aber sein Halb- bzw. Nichtwissen über die Verhältnisse in Bayreuth mit hinein. Dass der „Grüne Hügel“ und die Villa Wahnfried strukturell und in den Zuständigkeiten zwei Paar Stiefel sind, weiß dieser BR-Journalist offenbar nicht. Hingegen hat Roman Kocholl vom Nordbayerischen Kurier die am 20. Dezember online gestellte Story sauber und ausführlich recherchiert. So geht guter Journalismus! Und es ist erfreulich, dass der NK diesen Artikel nicht hinter der Bezahlschranke versteckt hat. Dankbar bin ich selbstverständlich auch Sven Friedrich, der mit seiner Facebook-Reaktion die Sache ins Rollen gebracht und dazu im NK sagte: „Wenn die Vernünftigen immer die Klappe halten und sagen: lass die mal reden, dann darf man sich nicht wundern, dass zumindest der Eindruck entsteht, dass die Vollidioten die Deutungshoheit übernommen haben. Ich gehöre zu denen, die sagen: Man muss dem organisierten Schwachsinn auch etwas entgegenhalten dürfen.“ Bei der Gelegenheit gerne noch ein Schwenk zu Pianist Igor Levit und einem gewichtigen neuen Eintrag im BadBlogofMusick zu Levit, Mauró und die Münchner Musikhochschule.
18., 19. und 20. Dezember 2020: Bei der Berliner „Lohengrin“-Neuproduktion auf Arte Concert musste erst nachgebessert werden, aber er ist jetzt bis 12. Januar zu haben. Unter den mit attraktiven Besetzungen neu einstudierten Alt-Produktionen könnte für mich heute am 18. Dezember um 18 Uhr der kostenlose Live-Stream der alten Otto Schenk-Inszenierung vom Strauss’schen „Rosenkavalier“ aus der Wiener Staatsoper das Rennen machen, denn erstens dirigiert Philippe Jordan, und auch die Solistenbesetzung kann sich sehen und hören lassen. Wer als Anwender noch nicht registriert ist, findet hier alle Infos. Die Konkurrenz ist heute allerdings groß, denn auch das SZ-Benefizkonzert des BR Symphonieorchesters unter Herbert Blomstedt mit der wunderbaren Julia Lezhneva auf BR Klassik kommt als Live-Stream. Die wichtigsten Corona-Nachrichten kommen für mich heute wie so oft von Markus Thiel aus dem Münchner Merkur, aus der Nürnberger Zeitung von Thomas Heinold, nicht zu vergessen der Kommentar von Eric Gujer aus der NZZ.
15., 16. und 17. Dezember 2020: Es darf geraten werden, warum die Berliner „Lohengrin“-Neuproduktion anders als angekündigt auf Arte Concert am 15. Dezember um 10 Uhr (noch?) nicht als Video-on-Demand verfügbar ist. Es könnte daran gelegen haben, dass erstens die Tonqualität im Vergleich zu anderen ähnlichen Aufzeichnungen der jüngsten Zeit deutlich schlechter ausfiel, und zweitens der zumindest im 1. und 2. Akt (den 3. Akt wollte ich ursprünglich streamen) fast jeden Ton anschleifende Roberto Alagna in der Titelrolle einfach eine zu herbe Enttäuschung war. Sei’s drum. Ein paar Kritiker haben sich die halbe oder ganze Nacht deswegen um die Ohren gehauen, darunter Manuel Brug in der Welt, Kai Lührs-Kaiser für rbb und Peter P. Pachl in der Neuen Musik-Zeitung.
Eindeutig wichtiger sind mir die Neuigkeiten in Sachen Münchner Musikhochschule. Was dazu schon vor fast zwei Jahren im Spiegel stand, lohnt sich auch jetzt noch zu lesen. Der aktuelle Prozess gegen Professor Hans-Jürgen von Bose endete, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, mit einem Freispruch – und dazu die aktuellen, sehr ausführlichen und bedenkenswerten Anmerkungen von Moritz Eggert in seinem Bad-Boy-Blog.
12., 13. und 14. Dezember 2020: Zwar fragt man sich, warum die TV- und Online-Premiere der Berliner Lohengrin-Neuproduktion der Staatsoper Unter den Linden am 13. Dezember nur zeitversetzt ab 22.20 Uhr zu haben sein soll, aber wir können uns ja alle vornehmen, heute Nacht sehr spät ins Bett zu gehen, damit wir dann morgen Nacht auch noch was vom 3. Akt mitkriegen. Grundsätzlich aber lasse ich das Maulen gerne sein und freue mich auf die Produktion nicht nur der Solisten wegen. Die Welt liefert dazu ein Interview mit Roberto Alagna, dem Titelprotagonisten mit Rollendebüt, das allerdings vor geraumer Zeit gemacht wurde, als für Elsa noch die zwischenzeitlich erkrankte Sonya Yoncheva auf dem Besetzungszettel stand und nicht Einspringerin Vida Miknevičiūtė. Weitere Solisten der Inszenierung von Calixto Bieito sind u. a. René Pape als König Heinrich, Martin Gantner als Telramund und Ekaterina Gubanova als Ortrud. Es spielt, wie Maria Ossowski auf rbb schreibt, eine reduzierte (d.h. coronagesicherte) Staatskapelle Berlin unter der musikalischen Leitung von Matthias Pintscher, der Chor darf in voller Größe auf der Hinterbühne singen. Wer vorher noch Kapazitäten frei hat, könnte wahlweise „Mahagonny“ aus der Met mit Teresa Stratas und Astrid Varnay reinziehen – oder mit vorheriger Anmeldung live aus der Wiener Staatsoper ab 19 Uhr „Tosca“ mit Netrebko-Eyvazov. Da Opernfreunde noch länger auf Ersatzlösungen angewiesen sind, könnten sie sich auch für den Plan des italienischen Kulturminister Dario Franceschini interessieren, über den die F.A.Z. berichtet. Ob die digitalen Angebote allerdings auch alle lohnen? Na ja, beim Ring-Ersatz aus Las Vegas habe ich ein paar Zweifel.
Ein Tipp für alle, die Genaueres über die Corona-Impfstoffe wissen wollen, die auf uns zukommen: Die European Medicines Agency (EMA) veranstaltet am Freitag, 11. Dezember ab 13 Uhr eine Online-Informationsveranstaltung zur Entwicklung, Erprobung und dem Zulassungsprozess der Impfstoffe.
11. Dezember 2020: Heute nur ganz kurz: Die beiden wichtigsten Festspiele haben die Weichen für ihren Corona-Sommer gestellt. Was in Bayreuth kommen soll, ist dem umfassenden dpa-Bericht aus dem Donaukurier zu entnehmen, dass sich auch finanziell etwas getan hat, liefert ohne Bezahlschranke, dafür journalistisch holprig das Bayreuther Tagblatt. In Salzburg soll es mindestens Zwei-Drittel-Festspiele geben, was laut der Süddeutschen Zeitung zumindest theoretisch wundervoll werden könnte. Alles Weitere dann morgen …
8., 9. und 10. Dezember 2020: Gleich vorab zur Eröffnungs-Gala der Mailänder Scala: Wer will, kann sie heute Abend (8.12., 19.05 Uhr) auf BR Klassik im Radio hören, wer kann, sollte den dreistündigen Abend auf Arte Concert gelegentlich streamen, denn es gibt auch was zu gucken (bis 6. Juni 2021 verfügbar). Einerseits ist beeindruckend, wie das Musiktheater in Italien seine gesellschaftliche Relevanz auch ohne Publikum mit einer in Rekordtempo realisierten Ad-hoc-TV-Produktion zu behaupten weiß, andererseits wird das imponierende Aufgebot an Opernstars nach meiner Meinung beschädigt durch den auch szenisch unverantwortlichen Auftritt von Plácido Domingo, der einfach nicht aufhört und immer noch auf willfährige Intendanten trifft, die offenbar lieber einem in wirklich jeder Hinsicht alten Mann die Bühne öffnen als dem zahlreichen besser singenden Nachwuchs. Um Auftrittsmöglichkeiten geht es auch einer Reihe prominenter Künstler, die unter dem Motto „Aufstehen für die Kunst“ versuchen, juristisch etwas gegen die Theaterschließungen zu unternehmen. Ein Musterbeispiel dafür, dass in Bayreuth die Uhren anders gehen als in Salzburg, ist die brandaktuelle Nachrichtenlage zu den Festspielen. Während die Österreicher am 10. Dezember ihr Programm für den Sommer 2021 vorstellen wollen, gibt es aus Oberfranken nur den inhaltlich unergiebigen Versuch in der Lokalzeitung (mit Bezahlschranke), Antworten darauf zu bekommen, was im nächsten Sommer wird. Immerhin, das Titelzitat passt: „Wagnerianer sind zäh“.
5., 6. und 7. Dezember 2020: Leider war die „Falstaff“-Onlinepremiere aus der Bayerischen Staatsoper in meinen Augen szenisch ein Reinfall – und mit ihrer furchtbar aufgesetzten Corona-Schluss-„Lösung“ auch für die Ohren schlichtweg empörend. Mehr mag ich dazu nicht schreiben, sondern gebe ergänzend Links zu Kritiken, die wie immer durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen: Franziska Stürz auf BR Klassik, Markus Thiel im Münchner Merkur und in der Münchner Abendzeitung. Das Video-on-Demand ist ab sofort für 14,90 Euro auf Staatsoper-TV zu haben, kostenlos zu hören ist dieser „Falstaff“ komplett nach wie vor auf BR Klassik. Und gleich nochmal die Münchner Abendzeitung, wo Robert Braunmüller über die aktuelle Lage der Staatstheater und das Ergebnis des Pilotprojekts am Nationaltheater und dem Münchner Gasteig berichtet.
Womit wir auch schon beim Konzertleben angelangt wären, zu dem ich heute gerne drei Infos beisteuere. Erstens bieten die Bamberger Symphoniker am 5. Dezember 2020 um 20 Uhr im Livestream ein Konzert unter der Leitung von Christoph Eschenbach mit Mozarts Haffner-Symphonie, Poulencs Orgelkonzert (Solist: Christian Schmitt) sowie mit der „Orgelsymphonie“ von Camille Saint-Saёns. Und zweitens leitet Herbert Blomstedt, der mit seinen 92 Jahren auffallend umtriebige Ehrendirigent der Bamberger Symphoniker, am 18. Dezember um 20.30 Uhr im Münchner Herkulessaal ein Benefizkonzert mit Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks , das ebenfalls live gestreamt und gesendet wird und als Solisten Christian Immler, Tilman Lichdi und die wunderbare Sopranistin Julia Lezhneva aufbietet, welch letztere in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung den Dirigenten schon vorab ein bisschen in den Himmel gehoben hat. Und drittens können Konzertfreunde, die beim publikumslosen, aber weltweit übertragenen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker als Applaudierende interaktiv mitwirken wollen, sich, wie der ORF berichtet, für ihren akustischen Beitrag anmelden.
Zum Nikolaustag verweise ich gerne noch auf den entsprechenden Eintrag aus meinem Wagnerjahr-Blog von 2013, auf den 216. Geburtstag von Wilhelmine Schröder-Devrient und auf meinen aktuellen Tagebuch-Adventskalender auf dieser Website. Und schließlich, weil Regisseur Jakob Peters-Messer einfach ein Könner ist und ich außerdem seit ihrem Erstengagement in Nürnberg ein Fan von Marina Prudenskaya (Azucena) bin, noch ein Hinweis auf den gekürzten „Trovatore“ aus Leipzig, der vielleicht nur bis Montag abrufbar ist.
2., 3. und 4. Dezember 2020: Beinahe wäre diesmal der Welt-Aids-Tag (WAT) bei mir untergegangen, nachdem ich mir auch noch einen Cosima-Tagebuch-Adventskalender aufgehalst habe. Aber dank Harald Schneider, dem rührigen Chorleiter, Musiklehrer und Vorstandsmitglied beim RWV Bamberg, trage ich dessen Link zu den von ihm organisierten WAT-Konzerten in Bamberg schon deshalb gerne nach, weil in den Audio-Häppchen aus den vergangenen zwanzig Jahren unter anderem Arnd Rühlmann vertreten ist, auf den ich in dieser Kolumne erst kürzlich hingewiesen habe. Der aktuelle bayerische Kulturpreisträger war im WAT-Konzert 2007 eine preisverdächtige „Hexe“ von Georg Kreisler. Ansonsten steht für mich am 2. Dezember natürlich die „Falstaff“-Online-Premiere aus der Bayerischen Staatsoper an. Könnte ein toller Abend werden, wenn man Egbert Tholl und der von ihm interviewten Ailyn Pérez als Alice Ford glaubt! Übrigens streamt (siehe weiter unten in der Übersicht) inzwischen auch das Gärtnerplatztheater und – reizvoller noch – die Oper von Neapel, wo gerade eine „Cavalleria rusticana“ mit Jonas Kaufmann und Elina Garanca aufgezeichnet wird, die an der Wiener Staatsoper in der „Parsifal“-Inszenierung von Kirill Serebrennikow als Kundry debütieren wird (Premiere für 1. April 2021 geplant).
30. November und 1. Dezember 2020: Nicht nur die Angebote an Livestreams und Videos-on-Demand haben deutlich zugenommen, sogar im normalen Fernsehen gibt es plötzlich Musiktheater nicht nur mit Arien-Galas. Das Opernhaus Zürich hat am Wochenende auf 3sat und auf Arte mit „I Capuleti e i Montecchi“ und „Simon Boccanegra“ gleich zwei Aufzeichnungen im Programm, aus der Bayerischen Staatsoper wird gestreamt, was das Zeug hält: Am 30. November um 20.15 Uhr die aktuelle Aufzeichnung der uralten Inszenierung von Giacomo Puccinis „La Bohème“ mit Jonas Kaufmann und Rachel Willis-Sørensen in den Hauptrollen, am 2. Dezember um 19 Uhr folgt die Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „Falstaff“. Sogar die Oper Köln setzt neuerdings auf Präsenz via Internet. Und kein Wagner? Doch doch. In dieser Woche der sehenswerte „Parsifal“ aus der New Yorker Met. Und wiederum auf Arte am 3. Advent eine „Lohengrin“-Neuinszenierung aus der Berliner Staatsoper Unter den Linden im Fernsehen mit Roberto Alagna in der Titelrolle, von dem man sich natürlich wünscht, dass er inzwischen an seinen Deutschkenntnissen gefeilt hat! Weiter unten weitere Tipps in der ständig aktualisierten Übersicht. Was die Weihnachtszeit ohne Musik und Theater bedeutet, kommentiert Maria Ossowski auf BR Klassik.
27., 28. und 29. November 2020: Die längeren Schließungen von Opernhäusern sind keine Ausnahme mehr: Die Staatsoper Stuttgart bleibt bis Ende Januar zu, weitere werden folgen. Zur aktuellen Lage gibt Peter Jungblut auf BR24 einen Überblick, die tieferen Einsichten zum Lockdown liefert Bernd Feuchtner im Tagesspiegel. Ebendort gibt es wieder Streaming-Tipps, die Wiener Zeitung bietet unter dem griffigen Titel „Not-Oper auf dem Notebook“ eine Übersicht. Während Christian Thielemann sich mal wieder durch ein Interview in Erinnerung bringt – sein Vertrag als Musikdirektor der Bayreuther Festspiele harrt nach wie vor der Verlängerung oder Nicht-Verlängerung –, gibt es wenigstens positive Nachrichten für Bayreuth: Der Bund hat für die Festspielhaussanierung weitere 89 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Was jetzt laut Verwaltungsratsvorsitzenden Georg von Waldenfels fehlt, sind weitere Finanzzusagen aus Bayern. Man darf gespannt sein, welche Kröten da noch zu schlucken sind.
25. und 26. November 2020: Für alle, die sich noch nicht genauer mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes befasst haben, sei die Stellungnahme vom Deutschen Kulturrat nachgereicht. Immerhin werden Kultureinrichtungen nicht mehr mit Freizeiteinrichtungen in einen Topf geworfen. Was speziell der bayerische Kunstminister zur aktuellen Lage zu sagen hat, ist einer Debatte im SZ Kultursalon mit Bernd Sibler zu entnehmen. In der Pandemie-Praxis gehen inzwischen immer mehr Häuser dazu über, aktuelle Aufführungen von Konzerten und Opern ohne Publikum aufzuzeichnen und zu streamen. Mit dabei sind gerade auch zwei Dirigentinnen: Oksana Lyniv, die im kommenden Festspielsommer mit dem „Fliegenden Holländer„in Bayreuth debütieren soll, hat am Freitag mit dem BR-Symphonieorchester ein Geisterkonzert bestritten, das auf BR Klassik Concert abrufbar ist, Joana Mallwitz wird am Samstag mit Franz Schuberts großer C-Dur-Symphonie beim Konzerthausorchester in Berlin debütieren; der Livestream startet am 28. November um 20.15 Uhr. Bemerkenswert auch das nächste Montagsstück der Bayerischen Staatsoper: Die uralte Otto-Schenk-Inszenierung von Giacomo Puccinis „La Bohème“ aus dem Jahr 1969 wird aktuell mit Jonas Kaufmann als Rodolfo und Rachel Willis-Sørensen als Mimì unter Asher Fish aufgezeichnet und am 30. November um 20.15 Uhr kostenlos gestreamt. Und am 2. Dezember um 19 Uhr folgt im kostenlosen Livestream die Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „Falstaff“ mit Wolfgang Koch in der Titelrolle (Dirigent: Michele Mariotti, Regie: Mateja Koležnik); beide Opern sind anschließend für 30 Tage noch kostenpflichtig als Video-on-Demand zu haben. Für Fans von Jonas Kaufmann kann es übrigens gleich am 4. Dezember weitergehen: Das Teatro San Carlo in Neapel streamt Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ mit Kaufmann als Turridu und Elīna Garanča als Santuzza unter Dirigent Juraj Valčuha
23. und 24. November 2020: Es gab gute Gründe, warum ich zum Verleihungsvideo des Kulturpreises Bayern (siehe 14. und 15. November) Zeitfenster geliefert habe, denn die Veranstaltung war insgesamt einfach nur bräsig. Was man von der digitalen Präsentation zum Faust-Preis nicht behaupten kann. Im Gegenteil: Es lohnt sich, die komplette Veranstaltung anzuschauen. Aber Vorsicht! Man kriegt noch mehr Sehnsucht danach, endlich wieder in ein Theater oder Opernhaus gehen und eine echte Vorstellung erleben zu können. Dass man in der Zwischenzeit mehr in Bücher gucken sollte, rät Elke Heidenreich in der Süddeutschen Zeitung. In der heutigen SZ findet sich außerdem eine zweisprachig abgedruckte Preziose von Fitzgerad Kusz, die Glosse auf der Bayernseite ist auch ganz nett, allerdings stimmt es verwunderlich, dass Autor Maximilian Gerl sich den größten Beirut-Bayreuth-Klassiker verkneift. Oder kennt er etwa die Fafnerkopf-Geschichte von 1876 nicht? Nebenan in Nürnberg sorgt sich Joana Mallwitz nach dem Konzerthaus-Aus um die kulturelle Zukunft der Stadt, weiter weg hat das Opernhaus Zürich bis 2. Januar alle Vorstellungen abgesagt und ergänzt sein Streaming-Angebot um zwei TV-Ausstrahlungen Anfang Dezember (siehe weiter unten). Auch die Pariser Oper musste erneut ihre Pläne ändern. Der für 23. November angekündigte Beginn der Aufzeichnung und Rundfunkausstrahlung des wenigstens konzertanten Rings wurde mit Umbesetzungen auf Ende Dezember, Anfang Januar verschoben. Da kann man sich wenigstens schon jetzt auf die Feiertage freuen.
20., 21. und 22. November 2020: Zum Wochenende hier zunächst eine kleine Fortsetzung zum Thema Mannschaft – ebenfalls nautisch und komplett fußballfrei. Am 24. September 1871 hörten die Wagners in Tribschen aus der Ferne unerklärliche Kanonenschüsse, tags darauf notierte Cosima in ihrem Tagebuch:
Die Kanonenschüsse bedeuteten den Untergang eines Dampfschiffes beinahe dicht vor unsrem Hause; zwei Schiffe sind aneinander gekommen, und das kleinste ist in Grund gebohrt worden. Bezeichnend ist es, daß nur die Passagiere sollen ertrunken sein und daß Kapitän und Mannschaft sich gerettet hätten.
Am Ende ihres Eintrags über den weiteren Tagesablauf ergänzte sie noch, dass zwei Frauen bei dem Dampfschiffunglück umgekommen seien. Umso erfreulicher klingt da eine aktuelle Polizei-Meldung aus Luzern, die besagt, dass die Hunde-Freilaufzone um das Tribschener Horn endlich fertiggestellt ist – ein umstrittenes Projekt, das es bis zu einer Beschwerde beim schweizerischen Bundesgericht in Lausanne brachte. Was Hundefreund Wagner darüber gedacht hätte, kann sich jeder selber ausmalen.
Was die aktuelle Coronalage für den Balthasar-Neumann-Chor und sein Instrumentalensemble bedeutet, erläutert deren Chef Thomas Hengelbrock in einem NDR-Interview, das vorläufige Aus für den neuen Konzertsaal in Nürnberg kommentiert Ursula Adamski-Störmer auf BR-Klassik. Bleibt für dieses Wochenende noch die tröstliche Nachricht, dass die Berliner Staatsoper Unter den Linden ab heute ein Barocktage-Wochenende mit drei kostenlosen Opernvideos ab jeweils 19.30 Uhr für 24 Stunden anbietet.
18. und 19. November 2020: Nein, über das gestrige Fußballspiel lasse ich mich lieber an anderer Stelle aus. Um das ohnehin Unerfreuliche noch zu steigern, sei mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass auch die Münchner Musikhochschule für negative Schlagzeilen gut ist. Nach den endlosen Auseinandersetzungen um den ehemaligen, rechtskräftig wegen sexueller Nötigung zu einer Gefängnisstrafe verurteilten Präsidenten Siegfried Mauser gibt es einen neuerlichen Tiefpunkt mit einem Protagonisten aus dem Lehrkörper des Instituts: Aktuell steht der Komponist und ehemalige Professor Hans-Jürgen von Bose wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht. Die Süddeutsche Zeitung stellt in dem Zusammenhang sogar die Frage, ob es an der Hochschule für Musik und Theater unter Mauser ein System des Machtmissbrauchs gab; das seit 1957 genutzte Hauptgebäude an der Arcisstraße ist ohnehin verseucht, war es doch der „Führerbau“ in NS-Zeiten. Auch im Deutschlandfunk Kultur wird nachgehakt, ob an dieser Institution nicht noch bis in jüngere Zeiten eine „Kultur des Sexismus“ an der Tagesordnung war. Bessere Nachrichten gibt es hoffentlich dann übermorgen.
Nur zur Erinnerung: Nicht nur Fans von Claudia Mahnke sollten sich schon bis spätestens Donnerstag Abend den Stream von Herzog Blaubarts Burg aus Stuttgart ansehen, denn am Freitag um 19 Uhr kommt aus Wien Otto Schenks legendäre „Rosenkavalier“-Inszenierung in einer Aufführung von 1994 unter Carlos Kleiber.
16. und 17. November 2020: Wie unterschiedliche Künstler auf den zweiten Lockdown reagieren, präsentiert die Süddeutsche Zeitung in einer Serie, die zu lesen sich lohnt. Ansonsten ist die Lage hierzulande momentan eher ruhig. Womit der geneigte Leser Zeit hat für den längeren Kommentar zur Extrawurst der Kulturnation von Detlef Brandenburg in der Deutschen Bühne, oder Muße für Videos, mit denen die F.A.Z. in an vergessene Theaterstücke erinnert, oder für die Bestenliste der Schallplattenkritik aus der Neuen Musik-Zeitung. Bleibt noch der Hinweis auf zwei neue Wochenprogramme zum Streamen in New York und Wien (weiter unten in der Auflistung) sowie ein luxuriöses Montagsstück der Bayerischen Staatsoper: 16. November 2020, 20.15 Uhr, kostenlos im Livestream: Thema Zueignung, u.a. mit Liedern von Richard Strauss, präsentiert von Diana Damrau, Klaus Florian Vogt und dem Bayerischen Staatsorchester unter Asher Fish.
14. und 15. November 2020: Über den Sonderpreis für Joana Mallwitz beim Kulturpreis Bayern hat BR24 ein kleines Video online gestellt, die komplette digitale Verleihung mit Kurzporträts und Stellungnahmen der Ausgezeichneten finden Sie hier – auch deshalb, weil die oberpfälzische Preisträgerin Sängerin Christa Mayer ist (bei ca. 53:15) und der oberfränkische Preisträger, der Schauspieler, Kleinkünstler, Autor, Theaterleiter und Regisseur Arnd Rühlmann aus Bamberg (Rühlmann bei ca. 59:58, Mallwitz bei 1:18:55). Rühlmann kriegt von mir übrigens einen undotierten Sonderpreis, denn bei der Frage nach seinem größten Wunsch nannte er die „Abschaffung des Patriarchats“. Danke, Arnd! Für wen, warum und wo es für Kulturschaffende Geld vom Staat gibt, hat aktuell BR Klassik zusammengefasst, die kritische Frage nach der Systemrelevanz von Kultur stellte Karin Cerny im Magazin Profil. Ebenfalls aus Österreich kommt die Meldung, dass die Salzburger Festspiele vorsichtshalber ihre Programmpräsentation auf frühestens Mitte Dezember verschoben haben – und mein Bild des Tages:
Das ist ein wunderbarer Beweis dafür, dass Modelleisenbahnfreunde auch opern- und wagneraffin sein können. Mein Dankeschön dafür geht in den Wienerwald zu Erwin Messer und Ulrike Messer-Krol. Wer wissen will, welches Opernhaus da nachgebaut wurde, kann es morgen beim Online-Merker erfahren! (Foto: Erwin Messer). Übrigens lohnt es sich, in der unten stehenden Liste zu scrollen. Es gibt u.a. neue Streams aus Hannover, Rom und Stuttgart
12. und 13. November 2020: Auf BR Klassik kann man nachlesen, wie der Verfassungsrechtler Dieter Grimm den Kultur-Lockdown sieht. Und in der „jetzt red i“-Sendung vom Mittwoch Abend im Bayerischen Fernsehen stellten sich Bernd Sibler, Bayerischer Staatsminister für Kunst und Wissenschaft (CSU), und Julian Nida-Rümelin, Professor für Philosophie und ehem. Kulturstaatsminister (SPD), den Fragen, Forderungen und Wünschen von Künstlern und Publikum. Die komplette Sendung zum Thema „Wenn der Vorhang fällt – Stirbt die Kultur in der Corona-Krise?“ kann man online nachverfolgen. Wenigstens im Livestream dürfen Konzertfreunde am Freitag die Bamberger Symponiker erleben: Am 13. November 2020 um 20 Uhr spielt das Orchester unter der Leitung von Herbert Blomstedt Bruckners Symphonie Nr. 8. Das Konzert wird live von Medici TV übertragen, der kostenlose Livestream ist auf Website der Symphoniker aufrufbar. Weitere Konzertstreams sind angekündigt.
11.11.2020: Was für ein Datum! Sicher haben sich das viele Heiratswillige auch gedacht, die jetzt höchstens noch eine XXXS-Hochzeit feiern können. Aber immerhin gibt es seit gestern den Impfstoff-Lichtstreif am Corona-Horizont. Während die Wiener Philharmoniker auf Quarantäne-Tournee in Japan genuine Konzertauftritte mit Publikum haben, spielt sich hierzulande alles ersatzweise ab: Die Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim bestreitet am Sonntag ein Benefiz-Konzert ohne Publikum mit Werken von Beethoven und András Schiff als Solisten, das auf den Websites der Staatsoper Unter den Linden und dem Sender rbb live gestreamt und tags darauf um 23.45 Uhr auch im rbb-Fernsehen gesendet wird. Mit den Streams und Sendungen wird dazu aufgerufen, zu Gunsten freischaffender Musikerinnen und Musiker an den Nothilfefonds der Deutschen Orchester-Stiftung zu spenden.
Auch das Opernhaus Zürich streamt wieder und stellt an drei Wochenenden nochmals seine drei Produktionen online, die Anfang September 2020 aufgezeichnet und mit einem umfangreichen Vor- und Pausenprogramm versehen wurden. Wer damals „Boris Godunow“ mit Michael Volle in der Titelrolle verpasst hat, kann das von Freitag, 13. November ab 18 Uhr bis Sonntag, 15. November 24 Uhr nachholen. Es lohnt sich garantiert auch ein zweites Mal, denn diese Inszenierung von Barrie Kosky ist ebenfalls ein großer Wurf. Nicht zu vergessen „Don Giovanni“ aus Barcelona, eine „klassische“ Inszenierung von Christof Loy (bis 15. November) …
9. und 10. November 2020: Der „fürchterliche Cauchemar“ – so beschrieb Richard Wagner am 3. Oktober 1855 an Franz Liszt seine durchaus konkreten Pläne, für längere Zeit des Geldes wegen nach Amerika zu gehen – ist ausgestanden, die albtraumhaften Coronazahlen sind geblieben. Immerhin kann man sich kostenlos zurückbeamen in jene Zeiten, als die Opern-Welt scheint’s noch ganz heil war: Auf der Startseite der New Yorker Met ist nur heute Otto Schenks reichlich museale, aber dennoch sehenswerte und ziemlich phänomenal besetzte „Meistersinger“-Inszenierung in einer Aufführung von 2014 zu finden. Wer gerne streamt: Crescendo hat ein neues Kulturportal online gestellt, das beim Suchen und Finden hilft, gleiches gilt für einen Artikel über Streams aus Opernhäusern der Emilia Romagna aus der Wiener Tageszeitung Die Presse.
Der bekanntlich kulturaffine Anwalt Peter Raue, der unter anderem die Interessen von Eva Wagner-Pasquier vertrat, als es um die Nicht-Verlängerung ihres Geschäftsführervertrags ging, hat sich unter dem Titel „Das Kulturverbot ist krachend rechtswidrig“ in einer Kolumne der BZ zum Teil-Lockdown geäußert. Sehr unterschiedliche Kulturschaffende kommen in der neuen Serie Bühne? Frei! der SZ zu Wort; heute ist es der Bamberger Schriftsteller Martin Beyer. Bei der Gelegenheit sei auch noch auf eine schöne Kritik des aktuell letzten Konzerts der Bamberger Symphoniker mit Barbara Hannigan verwiesen (wofür ich, wie so viele Musikfreunde, leider keine Karte bekommen habe). Noch ein kurzer Schwenk nach Nürnberg, weil Joana Mallwitz, die dortige Generalmusikdirektorin, eine weitere Auszeichnung bekommt, und nach Bayreuth, wo auf der Homepage der Festspiele (die ansonsten unfassbar aktualisierungsbedürftig ist) ein kleiner Nachruf auf den ehemaligen Chefbeleuchter Manfred Voss steht.<
7. und 8. November 2020: Während der Wahlauszählungsmarathon in Amerika weitergeht, steigen in Europa die Streamingangebote. Die Oper Stuttgart bietet wieder wichtige Operngesamtaufnahmen im Wochenturnus an und hat mit der legendären „Freischütz“-Inszenierung von Achim Freyer von 1981 mit Catarina Ligendza als Agathe begonnen. In Schweden, wo die Theater noch nicht geschlossen sind, streamt die Oper Malmö ab heute Vorstellungen live. Die Aktion startet am 7. November mit der Premiere von Verdis „Falstaff“ in der Inszenierung von Lotte de Beer. Tickets für die Livestreams kosten 100 Kronen, das sind nicht ganz 10 Euro. Und aus Barcelona streamt das Teatro Liceu am 8. November um 17 Uhr auf seinem YouTube-Kanal kostenlos Mozarts „Don Giovanni“ in der Regie von Christoph Loy unter Josep Pons.
Nicht nur in Bayreuth, Berlin, Landshut, Würzburg und andernorts wurden Produktionen von Wagners „Ring“-Tetralogie durch das Corona-Virus gestoppt bzw. unterbrochen. Die Neuinszenierung von Calixto Bieito an der Pariser Oper konnte – wie der neue Bayreuther „Ring“ unter Regisseur Valentin Schwarz – auf der Bühne bisher gar nicht realisiert werden, auch wenn zumindest die ersten beiden Teile schon geprobt wurden. Die danach für die Bastille Oper und das Auditorium von Radio France geplanten konzertanten kompletten „Ring“-Aufführungen mit Publikum können ebenfalls nicht stattfinden. Die Oper kündigt jetzt für Ende November jetzt eine konzertante Aufführung ohne Publikum an, die bei Radio France Musique übertragen wird. Die Termine: „Das Rheingold“ 23.11.2020, 19.30 Uhr, „Die Walküre“ 24.11.2020, 18.30 Uhr, „Siegfried“, 26.11.2020,18 Uhr, „Götterdämmerung“ 28.11.2020, 18 Uhr. Die Besetzung ist luxuriös, Dirigent Philippe Jordan ist einer der noch jüngeren Interpreten, die wirklich etwas zu sagen haben. Ein „Ring“, der sich bestimmt lohnt. Weitere Streams und Sendungen weiter unten …
5. und 6. November 2020: Nach ständigem CNN-Schauen habe ich mich in den digitalisierten Wagner gerettet und bin, was mich mitnichten überraschte, in punkto Amerika passend fündig geworden, in einer Chorszene aus dem Lustspiel in antiker Manier von Richard Wagner „Eine Kapitulation“:
O Erfindungsgeist! Erfindungsgeist!
Wie schnell du dir doch zu helfen weißt.
Nadar! Nadar!
Du Freiheitsaar! –
Die Republik sich schuf er zur Gondel!
Was ist dagegen Amerika’s Blondel! –
Nein, nur wer den Inhalt dieses teilweise von Hans Richter vertonten und vor 150 Jahren in Tribschen angesichts des Deutsch-Französischen Kriegs entstandenen Bühnenwerks kennt, wird verstehen, was Wagner da meinte. Aber dass Amerika’s Blondel sich auf Gondel reimt, ist einfach zu und zu schön, auch wenn dieser Blondel eher mit seinem Land Schlitten fährt. (Apropos: Das Teatro La Fenice bietet online wieder Konzerte und Opernaufführungen an.)
Nach diesem Versuch, sich aus der Flut negativer Nachrichten zu retten – erst das schreckliche Attentat in Wien, dann die anders schreckliche Pressekonferenz des amerikanischen Präsidenten, bei der er auf seine Weise nicht weniger als die älteste Demokratie der Welt zu Grabe zu tragen gedenkt –, mache ich gerne auf eine in Bamberg initiierte Unterschriftensammlung aufmerksam. Unter dem Titel „Wir sind das Publikum“ setzt sich die Förderstiftung der Bamberger Symphoniker für die Wiedereröffnung der Theater, Konzert- und Opernhäuser ab Dezember ein. Bleibt noch ein Hinweis auf die kostenlosen Streams der Wiener Staatsoper: Wenn man nicht schon einen Account hat, muss man sich vorher hier registrieren. Kritiken zu den Aufführungen findet man am ehesten beim Online Merker.<ACHTUNG! Jetzt wieder täglich kostenlose Streams nicht nur aus New York, sondern ab 3. November auch aus Wien, dort sogar mit ganz aktuellen Aufführungen (siehe Liste weiter unten).Am 4. November um 18 Uhr: Mozart-Requiem unter Karajan auf RAI5
2., 3. und 4. November 2020: In Österreich, der europäischen Speerspitze gegen Corona-Kulturabbau ist heute der letzte Tag vor dem Lockdown, bei uns ist schon seit gestern Abend kulturell der Ofen erst mal wieder aus. Hier eine aktuelle kleine Übersicht aus der Neuen Musikzeitung, ansonsten lasse ich die kritischen Stimmen zur Lage liegen und bevorzuge Kritiken zu einigen der letzten Musiktheaterpremieren im deutschsprachigen Raum.
Barrie Kosky hat es mit Jacques Offenbachs Operette „Die Großherzogin von Gerolstein“ an der Komischen Oper nochmal richtig krachen lassen, mit nur achtzehn Musikern im Graben, während das Theater Solothurn schnell noch Paul Burkhards vergessene Oper „Casanova in der Schweiz“ herausgebringen konnte, vor sage und schreibe dreißig (!) zugelassenen Besuchern plus Kritikern. Am Landestheater Salzburg feierte vor deutlich mehr Publikum Charles Gounods „Margarethe“ Premiere, allerdings eher konzertant, denn Chor und Orchester befanden sich gestaffelt auf der Bühne, davor, auf dem Orchestergraben die sehr sparsam agierenden Solisten. In ähnlicher Aufstellung ist im Opernhaus Leipzig die gekürzte Version von Wagner „Lohengrin“ schief gegangen, allerdings offenbar weniger wegen der erheblichen Striche und musikalisch, wie Bernhard Doppler im Deutschlandfunk Kultur befand, sondern, wie MDR-Kritiker Stefan Petraschewsky feststellte, wegen der Regiemätzchen.
Ohne letztere kann Frank Castorf gar nicht, was sich auch in seiner Neuinszenierung der Oper „Die Vögel“ von Walter Braunfels in München gezeigt hat. Allerdings ist das bei der immer gleich wirkenden Optik, die seine multimedialen Ausstatter dazu liefern, kein Aufreger mehr, sondern nur noch langweilig. Nachzulesen in der Süddeutschen, in der Welt und bei BR Klassik. Musikalisch lohnt es sich, wie man am Samstag auch online erleben konnte, aber bestimmt.
Womit wir bei den Streams der Bayerischen Staatsoper wären, die mit „Montagsstücke“ ab heute, 2. November, eine Serie startet, die den Lockdown-Monat November überbrücken soll. Außerdem neu: Der Stream der Premiere von „Die Vögel“ wird als 30-tägiges Video-on-Demand ab 5. November auf staatsoper.tv abrufbar sein, allerdings nicht kostenlos, wie im ersten Lockdown, sondern zum Preis von 9,90 Euro. Die „Montagsstücke“ werden jeweils am darauffolgenden Tag als Video-on-Demand online gestellt; hier kostet das 24-Stunden-Ticket 4,90 Euro.
Der Rest ist erstmal Schweigen, zumal noch die US-Wahl überstanden sein will. Warum nur habe ich plötzlich Franz Mazura im Ohr, als Dr. Schön in Patrice Chéreaus „Lulu“-Inszenierung, 2. Akt Schluss: „Postscriptum? Jetzt – kommt – die Hinrichtung …“
31. Oktober und 1. November 2020: Noch ein paar Stimmen zum Lockdown II: von Bernhard Neuhoff und BR Klassik, aus der Süddeutschen Zeitung mit einer Umfrage und von Kammersänger Kevin Conners aus dem Ensemble der Bayerischen Staatsoper. Dort findet heute die Premiere der Oper „Die Vögel“ von Walter Braunfels statt, der Münchner Merkur hat dazu Dirigent Ingo Metzmacher interviewt. Die vor hundert Jahren im Münchner Nationaltheater uraufgeführte Oper wird in der Neuinszenierung von Frank Castorf heute zeitgleich um 18 Uhr auf Staatsoper-TV gezeigt: Achtung, nur der vorverlegte Livestream bleibt kostenlos, für die künftigen Videos on Demand der Staatsoper muss man bezahlen. Wegen Corona vorgezogen findet morgen in Leipzig unter Ulf Schirmer auch die Premiere eines gekürzten „Lohengrin“ statt. Ob das die Lösung sein kann?
Um nicht nur Trübsal zu blasen, sei die geneigte Leserschaft gerne auf die Reihe BR retro hingewiesen, mit kurzen und längeren Filmbeiträgen aus den 50er und 60er Jahren, eine wunderbare Fundgrube, aus der ich die ziemlich betuliche Festspielreportage von 1961 empfehle, mit Interviews mit Wolfgang Wagner und Grace Bumbry und einer am Schluss durchs Bild huschenden jungen Anja Silja. Geradezu beglückend – soviel Lokalpatriotismus darf sein – ist der Besuch von Georg Lohmeier in Bamberg und sein Versuch, hinter die Geheimnisse des Rauchbiers zu kommen. Vorsicht, der Film ist harte Kost für eingefleischte Befürworter*innen der Gleichberechtigung, aber schon der hier geschilderte Stammtisch- und Bierdümpfel-Alltag und der vorgeführte kulinarische Pleonasmus sind zu köstlich – und der Blick in die Räucherkammer schlichtweg nicht zu überbieten. Einfach herrlich! Und hier noch das Wort zum Sonntag aus Cosimas Tagebüchern:
Mittwoch 1ten [November 1876] Allerheiligen: Sehr arges Wetter, so daß R. sagt, er glaube eher, daß es Allerteufel sei, welcher losgelassen sei.29. und 30. Oktober 2020: Ab Montag sind auch bei uns die Theater und Konzerthäuser wieder geschlossen, Jan Brachmann kommentiert in der F.A.Z., was das für die Kulturbranche bedeutet. Besonders kleinteilig wurde der Weg zum Lockdown in Bayern vollzogen, was man am Beispiel der Bayerischen Staatsoper gut nachvollziehen kann, die qua Pilotversuch seit September zunächst vor immerhin 500 Besuchern spielen durfte (während für das Gros der Kulturveranstalter nur 200 zugelassen waren). Zuletzt, in dieser Woche, war im 2100 Zuschauer fassenden Nationaltheater nur noch ein fünfzig Köpfe zählendes Publikum erlaubt, was wohl auch trotz entsprechender Anträge auf Ausnahmeregelung am Samstag so sein wird, wenn die Neuinszenierung der Oper „Die Vögel“ von Walter Braunfels über die Bühne geht. Der ursprünglich für 8. November geplante Livestream wurde vorgezogen auf 31. Oktober um 18 Uhr. Anschließend ist die Produktion 30 Tage als Video on Demand kostenlos verfügbar. Was es für die Künstler bedeutet, vor einem leeren oder fast leeren Zuschauerraum zu spielen, hat unter dem Titel „Kunst ohne Zuschauer“ die SZ eruiert. Bariton Christian Gerhaher stellt unter anderem fest: Die Künste sind nicht systemrelevant und sie haben kein Recht, sich in dieser Krise wichtiger zu nehmen als andere, vergleichbar leidende Branchen. Aber wenn unsere Gesellschaft ihre reiche, global einzigartige Musik- und Theatertradition nicht retten kann, macht sie sich weniger lebenswert. Ich glaube, die Vorstellung eines Lebens ohne Kultur muss zur Erkenntnis führen, dass hier unbedingt erhalten werden muss, ohne was man – wie in einer geistigen Wüste – nicht leben möchte. </em
28. Oktober 2020: Dass die Lage ernst ist, zeigt die Tatsache, dass ich kaum noch nachkomme beim Sichten relevanter Artikel. Markus Thiel vom Münchner Merkur fasst das Wesentliche zusammen und interviewt auch gleich Nikolaus Bachler, die Speerspitze des Widerstands, die Süddeutsche Zeitung beleuchtet mit „Bühnen im Krisenmodus“ nicht nur die Münchner Szene. Schaut man nach Berlin – der Artikel von Udo Badelt vom Tagesspiegel wurde erst einen Tag später online gestellt als die verlinkten Texte aus München – wird einem erstens klar, wie stark Corona sich auch aufs Verfallsdatum von Nachrichten auswirkt, und zweitens, welchen Stellenwert Kultur bei bayerischen Politikern hat. Plötzlich erscheint einem da auch die Meldung auf BR24 vom Kulturhilfspaket in einem anderen Licht. Um gleich beim Bayerischen Rundfunk zu bleiben: BR Klassik trommelt für seine heutige Sendung des Konzertabends von Vivica Genaux bei Bayreuth Baroque im Radio und als Videostream, und in Zeiten rapide abnehmender Live-Musik lohnt es sich, ausführlich auf die kostenlosen Opernstreams der New Yorker Met hinzuweisen, die in Hinblick auf die US-Präsidentschaftswahl aktuell lauter Polit-Opern ausgewählt hat. James Jorden vom Observer hat das Wochenprogramm vorgestellt, die tagesaktuellen Links finden Sie weiter unten.
Was das lustige Wagnerstellenraten von meinem vorigen Eintrag betrifft, so muss ich – mit der Bitte um Nachsicht – entschieden nachbessern. Es fehlte nämlich die wesentliche Information, dass Wotan nicht nur mit dem einen, zum Mund geführten Schnapsglas abgebildet ist, sondern dass er, wie man sieht, vorher bereits acht Gläser geleert hat. Der bei mir eingegangene Vorschlag „Nun halt ich, was mich erhebt“ ist zwar gar nicht übel, hat mir aber klar gemacht, dass das etwas schräge Rätsel sonst nicht zu lösen ist. Auf ein Neues!26. und 27. Oktober 2020: Seit heute müssen in Belgien und Italien die Theater, Opern- und Konzerthäuser sowie Kinos wieder geschlossen bleiben, Tschechien war ab 12. Oktober nur der Vorreiter. Und bei uns? Haben unter anderem am Wochenende in München bayerische Künstler und Kunstliebhaber demonstriert, um darauf aufmerksam zu machen, dass Kunst durchaus systemrelevant ist. Bemerkenswert vor allem Gerhard Polts Videobotschaft, dem dazu die Fabel von der Grille und der Ameise eingefallen ist: Laut SZ sagte er, die Ameise schaffe den ganzen Sommer, die Grille zirpe immer nur. „Und Zirpen hat natürlich keine große Relevanz.“ Das Zirpen über das Zirpen übrigens auch – zumindest in Hof, wo das derzeit in einer Ausweichspielstätte agierende Dreispartentheater neuerdings keine kostenlosen Pressekarten mehr vergibt. Da bleibt einem nur noch die Flucht nach Nordwest, zum Schauspiel Köln, das eine immersive „Walküre“ im Programm hat, worüber Jung-Wagnerianer Thomas A. Herrig in der F.A.Z. so schön gezirpt hat, dass ich alle Kanzlerinnen-Appelle zum Daheimbleiben in den Orkus blasen wollte. Schon der wunderbare Titel „Auf einen Schnaps mit Wotans Töchtern“ ist bei mir auf besonders fruchtbaren Boden gefallen, denn er erinnerte mich sofort auf ein lustiges Wagnerstellenraten mit meinem alten Freund und Kollegen Wolfgang Kunath Ende der 70er-Jahre, festgehalten auf einem Bierdeckel (was auch Friedrich Merz begeistern könnte): Mit wenigen Strichen, aber gut erkennbar skizzierte er einen Wotan (nach dem Vorbild Donald McIntyres im Chéreau-„Ring“), der gerade ein Schnapsglas zum Mund führt. Wer mir als erster vermeldet, was er dabei singt, bekommt als Buchpreis „Ich habe heute leider keinen gehörnten Helm für dich.“ oder Wagners wonnige Walküren-Wahl, erdacht von einem Team der „Ring“-Erstaufführung am Landestheater Niederbayern.
24. und 25. Oktober 2020: Noch einmal, weil es sich lohnt, ein paar Stimmen zur SZ-Polemik und den Folgen. Für alle, die sich noch nicht eingelesen haben, liefert BR Klassik eine gute Übersicht, beim NDR geht Christiane Peitz vom Tagesspiegel im Interview noch mehr in die Tiefe, die NZZ bietet von Anna Schneider, Fokus von Jan Fleischhauer eine etwas andere Sicht der Dinge. Bleiben noch Philipp Peyman Engel für die Jüdische Allgemeine sowie Svenja Flaßpöhler, die im Philosophie Magazin auf Carolin Ehmckes Text „Ich bin auch müde“ antwortet.
Dass Christoph Schlingensief am 24. Oktober sechzig Jahre alt geworden wäre, feiert der WDR schon die ganze Woche mit Sendungen und selbst der ORF weiß ihn aktuell zu würdigen. Bleiben noch die Streaming-Tipps der Neuen Musikzeitung, dann ist Schluss für dieses Wochenende, an dem eine kleine Gruppe Bamberger Wagnerfreunde vorhatte, die wunderbare Ausstellung der ebenfalls viel zu früh verstorbenen rosalie in Wahnfried zu besuchen, aber der inzwischen dunkelroten Corona-Ampel in Bayreuth wegen doch besser zuhause blieb. Fast hätte ich vergessen: Am Sonntag ist World Opera Day!
23. Oktober 2020: Der Süddeutschen Zeitung ist spät, aber immerhin die Ehrenrettung gelungen, dank der Entgegnung auf den Artikel über Igor Levit von Carolin Emcke in der Donnerstagsausgabe. Man kann sich ja gut vorstellen, dass wegen der Polemik vom vergangenen Freitag nicht nur Leser ihr Abonnement, sondern auch namhafte Mitarbeiter, die das Profil der Zeitung mit ausmachen, gekündigt haben oder kündigen wollten. Hier noch ein unterschiedliche paar Stimmen von Kai-Hinrich Renner aus der Berliner Zeitung, Jan Brachmann aus der F.A.Z. und, etwas weiter gefasst, von Christiane Peitz aus dem Tagesspiegel.
Auch die nächste Schreckensmeldung kommt aus München mit den verschärften Corona-Auflagen für Theater und Konzertpodien. Wenigstens aus Bayreuth wird Positives berichtet. Christine Lemke-Matwey von der Zeit hat mit Katharina Wagner gesprochen, wobei die Festspielleiterin nicht nur ausführlich über ihre Krankheit und Genesung, sondern auch über ihre Pläne für die Festspiele Auskunft gibt. Die Kurzversion des nur für Abonnenten zugänglichen Interviews gibt es von der dpa.
21. und 22. Oktober 2020: Falls Wolfgang Krach und Judith Wittwer, die neuen Chefredakteure der Süddeutschen Zeitung, mit der Polemik von Helmut Mauró gegen Igor Levit vorhatten, ihr Produkt ins Gespräch zu bringen, dann ist ihnen das zweifellos gelungen. Auf die Veröffentlichung des Artikels „Igor Levit ist müde“ auf der ersten Feuilletonseite in der Freitagsausgabe folgte nicht nur öffentlicher Widerspruch. Sondern die Verantwortlichen sahen sich gezwungen, in der heutigen Ausgabe vom 21. Oktober schriftlich Igor Levit um Entschuldigung zu bitten. Dieser ungewöhnlichen Aktion vorausgegangen war der Versuch der SZ, von Igor Levit selbst eine Stellungnahme einzuholen. Maren Borchers von Levits Presseagentur „forartists“ antwortete am 19. Oktober darauf, dass Levit für eine „Antwort bzw. eine Entgegnung“ nicht zur Verfügung stehe. „Warum sollte Herr Levit sich darauf einlassen, in einen Dialog mit Herrn Mauró über einen unsäglichen und in vielerlei Hinsicht hoch fragwürdigen Artikel einzutreten?“ Und als persönliche Bemerkung schreibt Borchers an SZ-Chefredakteur Krach weiter: „Allein der völlig unzweideutig antisemitisch konnotierte Begriff der ‚Opferanspruchsideologie‘ soll verletzen, und dies ist auch gelungen. Herr Mauró und auch Sie persönlich werden sich damit auseinandersetzen müssen, hier antisemitischen Ressentiments Öffentlichkeit gegeben zu haben. Der Beifall aus den rechten Echokammern folgt prompt. Ob diese Tatsache Sie erfreut oder erschreckt, vermag ich nicht zu beurteilen. Sie stehen ja – als Chefredakteur der SZ für mich und genauso für Herrn Levit bedauerlicher- und auch irritierenderweise – zu diesem Text.“
Neben der jetzt erfolgten Entschuldigung „In eigener Sache“ druckt die SZ in ihrer Mittwochsausgabe auf fünf von sechs Spalten der Leserbriefseite unter dem Titel „Viel Kritik und wenig Verständnis für eine Polemik“ einen Fülle von ersten Leserbriefen ab. In „Reaktionen aus dem Netz“ werden außerdem einige exemplarische Tweets dokumentiert, darunter auch eine Reaktion der Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl, die hier eine Zusammenfassung ihrer schlüssigen Argumente gegen diese Polemik anbietet.
Zum guten Schluss noch zwei Meldungen aus der Wagner-Welt: In allen drei Gebäuden des Bayreuther Wagner-Museums ist für fast ein Jahr eine umwerfende Ausstellung von rosalie zu sehen (über die ich noch gesondert schreiben werde), und die Richard-Wagner-Gesellschaft Riga hat nun offiziell die Renovierung des historischen Deutschen Theaters in der Rigaer Altstadt übernommen, ein Theaterbau, in dem Richard Wagner von 1837 bis 1839 wirkte und der ihn auch beim Festspielhausbau inspirierte.
19. und 20. Oktober 2020: Die Diskussion um die Polemik des SZ-Autors Helmut Mauró gegen Pianist Igor Levit geht weiter, die Opus-Klassik-Verleihung in Berlin kann man sich bei Bedarf komplett aus der ZDF-Mediathek holen, wenn man sich für Klassik-Marketing interessiert. Besser man begnügt sich mit – ja, Norman Lebrecht auf SlippedDisc ist dafür bekannt, dass er die Dinge stark zuspitzt – „mit der wohl traurigsten Preisrede je“ von Orgelmusiker Cameron Carpenter. Ebenfalls aus Berlin kommt ein informatives Interview mit Olaf Maninger, Erfinder der Digital Concert Hall und Cellist der Berliner Philharmoniker, im Tagesspiegel darüber, was Corona mit Orchestermusikern macht. Und nicht zu vergessen: Ab heute läuft auf WDR3 die Schlingensief-Woche zum 60. Geburtstag des Künstlers am 24. Oktober.
17. und 18. Oktober 2020: Als gäbe es wegen Corona nicht Probleme genug, hat die Süddeutsche Zeitung gestern eine schlimme Polemik ihres Musikkritikers Helmut Mauró gegen den Pianisten Igor Levit veröffentlicht, in der, wie Patrick Bahners von der F.A.Z. twittert, „einem Juden vorgeworfen wird, aus seinem Opferstatus Kapital zu schlagen“. Die Resonanz auf denf Artikel „Igor Levit ist müde“ ist heftig: Auf BR Klassik kommentiert Bernhard Neuhoff „So unterirdisch kann ‚Musikkritik‘ sein“, in der Zeit ist die Replik von Johannes Schreiber mit „Auf der falschen Klaviatur“ überschrieben, beim rbb analysiert der Journalist und Literaturwissenschaftler Johannes Franzen, warum dieser „Angriff auf Igor Levit“ ein solcher Aufreger ist. Wer es noch genauer wissen will, sollte sich die einschlägigen Tweets von Natascha Strobl, der österreichischen Politikwissenschaftlerin und Expertin für Rechtsextremismus und die Neue Rechte, nicht entgehen lassen. Nach so viel Lesestoff noch ein Radio-Tipp für Schnell-Entschlossene: Am 17. Oktober ab 13 Uhr wird die aktuell letzte Vorstellung von „Carlo il calvo“, der wunderbar besetzten und wunderbar inszenierten Neuproduktion von Bayreuth Baroque, aus dem Concertgebouw Amsterdam im Radion und Webcast live übertragen.
15. und 16. Oktober 2020: Habe nicht nur optisch eine kleine Umstellung vorgenommen, denn aus dem ursprünglichen Ansatz, unsere Mitglieder und Freunde möglichst tagesaktuell über das Angebot an Opernstreams zu informieren, ist längst eine Art kultureller Corona-Ticker geworden. Von der Berliner „Walküre“ kommt eine Meldung zur Maskenpflicht aus der BZ, die aufzeigt, wie sehr wir doch alle wegen Corona ständig dazulernen müssen, aus München die Nachricht, dass das Pilotprojekt an der Bayerischen Staatsoper positive Ergebnisse gebracht hat. Bleibt die Frage, ob Markus Söder und die zuständigen Minister daraus auch die richtigen Schlüsse ziehen. Das Interview von Markus Thiel mit dem aus Österreich stammenden, in München lebenden Tenor Wolfgang Ablinger-Sperrhacke mit dem Titel „Oper ist sicherer als ein Restaurant“ im Münchner Merkur zielt aus nahe liegenden Gründen nicht nur auf die Landes- und Bundespolitik und ist unbedingt lesenswert. Und weil’s grade so schön passt und man die Politiker mit entsprechenden Masken förmlich vor sich sieht, auch ein Auszug aus Cosimas Tagebüchern:
Sonnabend 15ten [Oktober 1870] Bei Tisch erzählt R., daß bayerische und preußische Truppen in Kampf geraten sind, letztere wollen überall die schwarz-weiße Fahne aufstecken, erstere bestehen darauf, daß entweder für alle die schwarz-rot-goldne, oder aber für die Bayern die weiß-blaue, für die Preußen die schwarz-weiße etc. gelte, und dies mit Recht. Wir beklagen den engen bornierten Gesichtspunkt der Preußen in dieser Frage. Regentag, R. nimmt den zweiten Akt von Siegfried mit Richter vor; die letzten Worte Fafner’s an Siegfried ergreifen mich unsäglich, ich sagte zu R., es wäre eine Rührung der Art, wie wenn ich ein sterbendes Tier betrachtete, was rührender vielleicht ist, wenigstens auf andre Art uns bewegt als ein sterbender Mensch; R. erwidert: „Die Ergebung ist beim Tier augenblicklicher, weil der Tod ihm unerwartet kommt, während der Mensch das ganze Leben gegen ihn ankämpft.“ Siegfried und Fafner bezeichnen wir als Kasperl und das Tier, welches ihn happen will, R. sagt, es ist derselbe Typus.
Tipps und Links vom 13. und 14. Oktober: Bei Peter Jungblut auf BR Klassik kann man lesen, dass im Opernhaus Stuttgart ab sofort eine „Cavalleria rusticana“ zu erleben ist, die der Franke nur als lidschäftig bezeichnen kann. Alle, die das Wort noch nicht kennen, mögen sich vorstellen, wie das klingt, wenn Pietro Mascagnis veristischer Reißer instrumental mit einem Streichquintett, ein paar Bläsern und dem Dirigenten am Klavier realisiert wird. Da sind 24 Musiker für den allerdings konsequent auf Abstand inszenierten „Eugen Onegin“ am Münchner Gärtnerplatztheater fast schon Luxus! Ach, Corona … Was die stark begrenzten Besucherzahlen betrifft, hat die Opernkonferenz, die die dreizehn größten deutschsprachigen Opernhäuser vertritt, von der Politik gefordert, mindestens die Hälfte der Plätze freizugeben. Wird nicht leicht, bei den Ansteckungszahlen. Die ohnehin längerfristig geschlossene New Yorker Met springt in jedem Fall gerne und kostenlos ein, mit ihrer aktuellen Donizetti-Streaming-Woche bis einschließlich Montag (siehe weiter unten).
Tipps und Links vom 12. Oktober: Erstmals habe ich im Netz eine „Walküre“-Kritik gefunden, in der mehr darüber steht, was Stefan Herheim wohl gemeint haben könnte. Ob das wirklich weiterhilft? Von den Flüchtlingen, die Wagners „Ring“ improvisieren ist es auf jeden Fall nicht weit in die Corona-Realität, wie Rick Fulker für die Deutsche Welle recherchiert hat. Speziell die finanziellen Aspekte hat sich Axel Brüggemann in seiner Klassik-Woche auf Crescendo vorgenommen und dabei auch wenig Erfreuliches entdeckt. Bleibt noch die gute dpa-Nachricht aus Bayreuth, wonach Katharina Wagner mit dem Rauchen aufgehört hat, gesundheitsbewusster lebt und hofft, die kommenden Festspiele mit möglichst wenig Einschränkungen realisieren zu können. Für alle, die unter Wagner-Entzugserscheinungen leiden: Die großartige und bis auf Kundry exquisit besetzte „Parsifal“-Inszenierung der New Yorker Met von 2013 (mit Jonas Kaufmann, Peter Mattei, René Pape und Evgeny Nikitin) ist heute kostenlos online zu haben.
Tipps und Links vom 10. und 11. Oktober: Bin gerade noch rechtzeitig zurück von meinem Kurzaufenthalt in Berlin, mit sehr gemischten Gefühlen. Denn zwar habe auch ich in der „Walküre“ dankbar den vollen Wagnerklang und die großartigen Solisten in vollen Zügen genießen können. Aber anders als Christine Lemke-Matwey in der „Zeit“ haben mich von der Inszenierung nur einige Details wie eben unter anderem der inzestuöse Abschiedkuss zwischen Wotan und Brünnhilde beeindruckt. Der Rest aber ist ein sehr irritiertes Schweigen, denn die Defizite dieser Neuinszenierung sind entschieden zu groß, und zwar ganz gewiss nicht nur in Geschmacksfragen. Die Dankbarkeit für das Erlebnis vom vollen Wagnerklang in Berlin ist nachträglich sogar noch größer geworden, wenn ich im NDR lese, mit welchen Abstrichen in Braunschweig Beethovens „Fidelio“ ab heute musikalisch umgesetzt wird. Bleiben noch die Ersatzhandlungen: Für dieses Wochenende verweise ich wieder einmal gerne auf die Streaming-Tipps der Neuen Musik-Zeitung. Zwölf Augen sehen eben mehr als zwei.
Tipps und Links vom 7., 8. und 9. Oktober: Ja, endlich gibt es auch wieder Opernvorstellungen in Nürnberg. Die bisher geplanten Aufführungen der Neuproduktion von Claudio Monteverdis „L’Orfeo“ scheinen zwar aktuell alle ausverkauft zu sein, aber nach Auskunft des Staatstheaters sind unter Umständen mehr Plätze verfügbar, als man online sieht. Es lohnt sich also, es telefonisch unter +49-(0)180/1-344-276 (Festnetz 3,9 ct/Min; Mobilfunk bis 42 ct/Min) zu versuchen. Hier dazu die Kritiken von BR Klassik, aus der Süddeutschen Zeitung, dem Münchner Merkur, der Neuen Musikzeitung und von mir. Derzeit sind immer noch nur 200 Zuschauer zugelassen. Es wirkt im Opernhaus-Parkett nicht ganz so schlimm, weil jede zweite Reihe komplett ausgebaut wurde (und damit ungewohnte Beinfreiheit gegeben ist). Andernorts gibt es ganz andere Probleme, nämlich Corona-Infizierte, und zwar in Wiesbaden und offenbar besonders krass im französischen Rouen. Mal sehen, was mich in der „Walküre“ im neuen Corona-Hotspot Berlin erwartet …Tipps und Links vom 6. Oktober: Der Artikel von Marie Schoeß auf BR24 über das Ende der Soforthilfen ist zwar schon am 30. September erschienen, aber er beleuchtet die Situation von freischaffenden Künstlern in Bayern ausführlich. Den größeren Blickwinkel nimmt Maria Ossowski in ihrem NDR-Radio-Essay „Ein New Deal für die Kultur?“ vom 2. Oktober ein und stellt unter anderem fest. „Corona hat nicht nur den Alltag der Künstlerinnen und Künstler dramatisch verändert, sondern auch unsere Wahrnehmung ihres Wirkens.“ Ihr Fazit: „Nicht nur die politischen Entscheidungsträger, auch wir als Bürger müssen das kulturelle Schaffen in Deutschland schützen. Nur dann kann sich das Versprechen der Bundeskanzlerin vor dem Parlament am vergangenen Mittwoch einlösen: ‚Das Leben, wie wir es kannten, wird zurückkehren. Was für eine Freude wird das sein.‘ “ Aus der länger stillgelegten New Yorker Met kommt derweil etwas Ersatz-Freude für Wagnerianer: eine ganze Woche lang kostenlose Streams von Wagner-Inszenierungen, darunter die empfehlenswerten Inszenierungen von „Tristan und Isolde“ und „Parsifal“ sowie ein kompletter älterer „Ring“ (siehe weiter unten).
Tipps und Links vom 2., 3. und 4. Oktober: Die ansteckungsfreien Ergebnisse des Pilotprojekts im Münchner Nationaltheater und im Gasteig mit jeweils 500 erlaubten Besuchern im Saal reichen der bayerischen Staatsregierung offenbar nicht aus. Mit einer Erweiterung auf die Nürnberger Meistersingerhalle läuft das Projekt zwei Wochen weiter – und alle anderen Opern-, Theater- und Konzertpodien haben das Nachsehen. Entsprechende Berichte dazu liefern die Süddeutsche Zeitung und die Münchner Abendzeitung, letztere mit einem Kommentar von Robert Braunmüller. Dass wir dennoch eher in einer Art Theaterparadies leben, veranschaulicht das Interview mit Peter Gelb, dem Chef der längerfristig geschlossenen New Yorker Met, auf concerti. Um das bevorstehende verlängerte Wochenende mit einer positiven Meldung zu versüßen, habe ich leider nur die Willenserklärung gefunden, dass es „Bayreuth Summertime“ auch in Zukunft geben soll. Ob sie dazu nächstes Jahr Mungo Jerry einladen? Ray Dorset tritt immer noch auf …
Tipps und Links vom 30. September und 1. Oktober: Bevor einige Kritiken zur „Walküre“-Neuinszenierung an der Deutschen Oper Berlin nachgereicht seien, möge ein Tagebucheintrag Cosima Wagners vom 29. September 1878 seine Wirkung nicht verfehlen, wonach Richard Wagner mit dem jungen Bühnenmeister Fritz Brandt „alles, Freud und Leid“ der Bayreuther „Ring“-Uraufführung besprochen hatte:
R. sagt, daß er keinem da draußen ein Recht zugestehe, über diese Aufführung kritisch abzuurteilen, so schön und unvergleichlich war sie im großen ganzen, „unter uns aber müssen wir uns sagen, daß manches nicht so war, wie es hätte sein sollen, z.B. die Wiese der Götter vor Walhall zu wenig frei, zu eingeengt durch die Stufen, die Höhle der Erda wie ein Tor in gewöhnlichen Zauberpossen-Erscheinungen, die Dampfverwandlung zu Nibelheim, es hätten müssen Schächte sein, eine Dekoration der Länge nach aufzuziehen mit eben den Schächten und ab und zu Glut, dann das Joch zu hoch*, das Terrain zu schmal, dadurch der Kampf schlecht und Wotan’s Dahinbrausen mißglückt, im Siegfried wiederum die Stufen und ein zu kleines Terrain für den Kampf, wiederum auch die störenden Stufen bei Brünnhilden’s Ringen, der Raum für die Rheintöchter zu klein und die Überschwemmung des Holzstoßes und der Halle der Gibichungen zu kleinlich. Ferner die Kostüme schlecht, alle fast; so stellt es sich heraus, daß im ganzen, der Konzeption nach, diese Aufführung außerordentlich war und nur in einigen Details fehlerhaft“. R. sagt, sein Leiden von dieser Zeit, mit welcher Geduld er über alles geschwiegen! … *[Zeichen im Text, am Rand:] „das werde ich ändern, wenn ich einmal die Walküre im Himmel zur Rechten Gottes aufführe und, der Alte und ich, wir zusehen.“
Ob Stefan Herheim mit seinem Team auch leidet und geduldig schweigt? Hier die Besprechungen von Michael Stallknecht in der Süddeutschen Zeitung, Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau, Manuel Brug in der Welt, Eleonore Büning in der Neuen Zürcher Zeitung und Ulrich Amling vom Tagesspiegel. Bleibt noch der Hinweis auf die Opernwelt-Saisonbilanz, bei der Tobias Kratzer mit seiner Bayreuther „Tannhäuser“-Inszenierung ganz schön abgeräumt hat. Chapeau!
Tipps und Links vom 28. und 29. September: Wer’s bisher nicht geschafft hat, muss sich sputen. „Boris Godunow“ als Video on Demand von der Oper Zürich ist nur noch am 28. September bis 24 Uhr kostenlos verfügbar – eine unglaubliche Aufführung (Inszenierung: Barrie Kosky), unbedingt zu empfehlen! „Die Walküre“ an der Deutschen Oper Berlin in der Regie von Stefan Herheim hingegen scheint zumindest szenisch nicht zu überzeugen. Hier der Tagesthemen-Kurzbericht sowie die ersten Kritiken von Peter Jungblut auf BR24 und Maria Ossowski auf rbb24 sowie der Aspekte-Beitrag über Lise Davidsen. Bleibt leider noch der mindestens 79-jährige Altstar Plácido Domingo, der einfach nicht aufhören kann und sich deshalb mit neuerlichen Interviewäußerungen reinwaschen will. Warum, frage ich mich, ist er dann von seinem Chefposten in Los Angeles zurückgetreten und wollte der die Übergriffe untersuchenden Musikergewerkschaft AGMA eine halbe Million Dollar spenden – für ein Stillhalteabkommen, das dann aufgeflogen ist? Dazu zur Erinnerung ein schon älterer, aber immer noch gültiger Kommentar von Malte Hemmerich auf niusic.de. Die langfristig geschlossene New Yorker Met streamt aktuell kostenlos eine Mozart-Woche (siehe in der Liste weiter unten), und danach folgen sieben Tage mit Wagner-Produktionen …
Tipps und Links vom 26. und 27. September: Der streitbare Intendant Uwe-Eric Laufenberg sorgt schon wieder für Schlagzeilen: Das Hessische Staatstheater Wiesbaden musste gestern seinen Spielbetrieb einstellen, die Hessenschau beleuchtet den Streit um das Hygienekonzept etwas ausführlicher. Man darf gespannt sein, wie das weiter geht. Für BR Klassik hat Julia Schölzel die designierte „Holländer“-Dirigentin Oksana Lyniv interviewt, die tatsächlich die erste weibliche Dirigentin einer Bayreuther Festspielproduktion ist und sich ausführlich zu dieser Mission äußert. Das Pilotprojekt an der Bayerischen Staatsoper hat, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, nur positive Ergebnisse erbracht. Wollen wir hoffen, dass das auch die Bayerische Staatsregierung so sieht. Auf die SZ-Kritiken von Egbert Tholl zum Züricher „Boris Godunow“ und speziell über Michael Volle in der Titelrolle verweise ich deshalb gerne, weil die Produktion ab Samstag Abend um 18 Uhr (mit Vorprogramm) auf der Homepage der Oper Zürich als kostenloser Livestream zu erleben ist und danach noch für 48 Stunden als Video on Demand kostenlos zur Verfügung steht. Sollte man nicht verpassen!
Tipps und Links vom 24. und 25. September: Schon wieder eine Schreckensmeldung: Die New Yorker Met bleibt, wie Intendant Peter Gelb mitteilt, bis zur nächsten Saison, das heißt bis September 2021 geschlossen. Das ist, wie in der New York Times zu lesen steht, „ein erschreckendes Signal für die Kultur“. Da bleiben sogar in Wien die Krokodilstränen aus, die manche/r normalerweise über die Absage des Wiener Opernballs vergossen hätte. Damit niemand trostlos in die nächsten Tage gehen muss, sei schnell noch auf die Nominierungen zum Faust-Preis des Deutschen Bühnenvereins verwiesen. Unter den Nominierten sind Sebastian Ellrich für sein „Lohengrin“-Bühnenbild am Theater Chemnitz, Jochen Biganzoli für seine „Tristan“-Inszenierung am Theater Hagen und Lise Davidsen, die im letzten Festspielsommer als „Tannhäuser“-Elisabeth brillierte und in der „Walküre“-Neuinszenierung von Stefan Herheim an der Deutschen Oper Berlin ab 27. September als Sieglinde zu erleben ist. Und nicht vergessen: Am Freitag beginnt das kostenlose Streaming-Wochenende der Oper Zürich (Details siehe weiter unten)!Tipps und Links vom 23. September: Die positive Nachricht ist doch, dass in Zürich die Oper, so wie wir sie kennen, offenbar doch nicht zu Grabe getragen wird, obwohl bei Modest Mussorgskis „Boris Godunow“ Chor und Orchester nicht im selben Raum, sondern einen Kilometer entfernt agieren: Hier Links zu den Kritiken von Bernd Künzig auf BR Klassik und im Gespräch mit der SWR2-Redaktion, Kerstin Holm in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Joseph Auchter auf seniorweb. Zusätzlich zu empfehlen ist das kurze Video „Sound-Übertragung von nebenan“ mit Tonmeister Oleg Surgutschow auf der Homepage der Oper Zürich. Und nicht zu vergessen: Am Freitag startet das kostenlose Streaming-Wochenende aus dem Opernhaus Zürich mit folgendem Programm: am 25. September Premiere von Emmerich Kálmáns Operette Die Csárdásfürstin (Inszenierung: Jan Philipp Gloger, mit Annette Dasch und Pavol Breslik); am 26. September Live-Übertragung der grossformatigen Neuproduktion Boris Godunow von Modest Mussorgski (Inszenierung: Barrie Kosky, mit Michael Volle in der Titelrolle); am 27. September Wiederaufnahme der Erfolgsproduktion Maria Stuarda von Gaetano Donizetti (mit Diana Damrau).Tipps und Links vom 22. September: Schreckensmeldungen aus aller Welt: In Madrid erzwingen zu eng beeinander sitzende Zuschauer in den Rängen des Teatro Real den Abbruch einer Vorstellung von Verdis „Maskenballs“, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, in Zürich hört Kritiker vom St. Galler Tagblatt bei der Neuproduktion von „Boris Godunow“ mit der Liveübertragung von Chorgesang und Orchestermusik schon die Totenglocken für die Oper läuten, und die New York Times hat aufgedeckt, dass die Met, um den Vertrag mit James Levine nach internen MeToo-Untersuchungen aufzulösen, eine Abfindung in Höhe von 3,5 Millionen Dollar bezahlen musste, da seinem vor langer Zeit abgeschlossenen Vertrag die heute übliche „moralische Klausel“ und damit die rechtliche Grundlage für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehlte. Allen, die immer noch dazu neigen, sexistische Übergriffe von berühmten Künstlern als Kavaliersdelikte aufzufassen, sei die Lektüre eines Beitrags von Maren Kroymann und Lieselotte Steinbrügge aus der Süddeutschen Zeitung zum Fall Matzneff nahegelegt. Genug für heute!
Tipps und Links vom 21. September: Heute stehen Genesung und Rückkehr der Festspielleiterin an ihren Arbeitsplatz im Fokus. Manuel Brug hat Katharina Wagner und Heinz-Dieter Sense für „Die Welt“ (mit Bezahlschranke) ausführlich interviewt, der Nordbayerische Kurier liefert die längste Kurzfassung davon. In künstlerischer Hinsicht relevant sind dabei zwei Namensnennungen: Die Hauptverantwortlichen der „Holländer“-Neuinszenierung 2021 sind Dirigentin Oksana Lyniv (als erste Frau im Bayreuther Orchestergraben) und Regisseur Dmitri Tcherniakov; Interviewer Brug kündigt – noch unbestätigt – zudem Asmik Grigorian als Senta an. Unabhängig davon hat Peter Uehling in der Berliner Zeitung ein ziemlich kritisches Auge auf Bayreuth geworfen. Für Puccini-Fans bietet die New Yorker Met eine abwechslungsreiche Streaming-Woche (siehe weiter unten), einen schönen Ersatz-Wiesn-Auftakt fünf Bläsern des Bayerischen Staatsorchesters mit der Höllenfahrtpolka. Und die pfiffigste Überschrift ist eindeutig Axel Brüggemann in seinem Wochenkommentar bei Crescendo gelungen.
Tipps und Links vom 18., 19. und 20. September: Netrebko-Covid-19-Meldungen haben Konjunktur. Die größte Überraschung kommt allerdings nicht aus Russland, sondern aus Leipzig: Opernintendant Ulf Schirmer hat bekannt gegeben, dass er anstelle der Übernahme der wegen Corona in Barcelona noch nicht aufgeführten „Lohengrin“-Inszenierung von Katharina Wagner jetzt einen „kreativ verkürzten“ Rumpf-„Lohengrin“ ohne die Wagner-Urenkelin plant. Während in Berlin, wie der Tagesspiegel berichtet, in den Sälen schon etwas mehr geht und bei der ungekürzten „Walküre“-Neuinszenierung von Stefan Herheim ab 27. September jetzt statt 450 immerhin 770 Zuschauer im Schachbrettmuster platziert werden dürfen, hat in Bayern laut Münchner Abendzeitung auch der Eilantrag von Münchenmusik-Chef Andreas Schessl nichts gefruchtet. Zum guten Schluss ein TV- und ein Einkaufs-Tipp: Heute, am 18. September, wird in Wien bei angekündigt bestem Wetter im Schönbrunner Schlosspark das traditionelle „Sommernachtskonzert“ der Wiener Philharmoniker vor 1250 geladenen Gästen nachgeholt. Dirigent ist Valery Gergiev, es singt Jonas Kaufmann. Zeitversetzte Live-Übertragungen bieten ORF 2 um 20.15 Uhr und 3sat um 21.55 Uhr. Und wer noch eine außergewöhnliche Maske mit erweitertem Hörgenuss sucht: Iván Fischer vom Budapest Festival Orchestra bietet sie an. Man sieht dann übrigens aus wie ein kreativ verkürzter Rumpf-Lohengrin …
Tipps und Links vom 17. September: Die Rückkehr Katharina Wagners an ihren Arbeitsplatz nach langer schwerer Erkrankung ist immer noch Thema in allen Medien. Hier die dpa-Meldung von Britta Schultejans und ein ein Video aus der Mediathek des Bayerischen Rundfunks. Und während das RKI Wien als Risikogebiet eingestuft hat, lobt Regisseur Christof Loy auf Heute.at im Vorfeld seiner heutigen Premiere mit der Verismo-Oper „Zazà“ von Ruggero Leoncavallo am Theater an der Wien die österreichische Kulturpolitik – aus ganz theaterpraktischen Gründen. Was er meint, lässt sich unter anderem an der jüngsten Kritik von Jan Brachmann aus der F.A.Z. ablesen. Es kann an der Frankfurter Oper aber auch anders gehen, wie die Frankfurter Rundschau vorberichtet … Dazu schnell noch eine prominente Corona-Erkrankung: Anna Netrebko!
Tipps und Links vom 16. September: In der Passauer Neuen Presse hat Redakteurin Regina Ehm-Klier, die unter anderem stellvertretende Vorsitzende des Festspielfördervereins Taff ist, heute einen Artikel veröffentlicht, in dem Katharina Wagner erstmals Aussagen zu ihrer Erkrankung macht und bestätigt, dass sie sechs Wochen lang im Koma gelegen habe. Die Festspielleiterin ist nach mehreren Operationen – darunter die Entfernung von Lungenthrombosen – und Rehamaßnahmen in verschiedenen Kliniken nach eigenen Angaben wieder „vollständig genesen“ und nehme unter strengen Corona-Regelungen am Montag ihre Arbeit wieder auf.Tipps und Links vom 15. September: Langsam beginnen die Aktivitäten an den Opernhäusern, mit spürbaren Unterschieden: an der Berliner Staatsoper, wie der Tagesspiegel berichtet, wurde die Saison mit einer Wiederaufnahme der Neuenfels-Inszenierung von „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss gestartet, am Theater Magdeburg mit einer Neuinszenierung von Mozarts „La clemenza di Tito“ durch Dietrich Hilsdorf und „seinem Regieassistenten-Neutrum namens Corona“, wie Joachim Lange in der Neuen Musik-Zeitung schreibt. Dazu noch zwei Meldungen aus zwei Wiener Theatern, die bestimmt keiner will: Die Kronenzeitung und der ORF schlagen Corona-Alarm.
Tipps und Links vom 14. September: Neben der nun auch in Beers Blog verbreiteten Wagnerianer-Top-Nachricht „Die Chefin kommt zurück!“ steht für mich heute eindeutig ein Artikel aus dem Tagesspiegel im Fokus: Das Interview von Frederick Hanssen mit der Akustikerin Brigitte Graner öffnet einem nicht nur die Augen für die aktuellen Hörerfahrungen in minimal besetzten Sälen. Die Frage „Stehen Künstleragenturen weltweit vor dem Aus?“ stellt Antonia Morin auf BR Klassik, während Bariton Matthias Görne in der Welt, bzw. der „Welt am Sonntag“ für die Kultur generell schwarz sieht. Ach, Corona.
Tipps und Links vom 12. und 13. September: Die Top-Nachricht kommt aus Großbritannien, die Norman Lebrecht schon am Donnerstag auf SlippedDisc exklusiv vermeldete. Zwar stimmt sein Titel „Katharina Wagner is back at work“ nicht ganz, weil die Bayreuther Festspiele sich traditionell von 1. bis 20. September in Betriebsurlaub befinden. Aber ansonsten ist die Meldung korrekt, wie meine entsprechende Rückfrage in Bayreuth – ebenfalls ganz offiziell – ergeben hat. Wir freuen uns mit, dass die Festspielleiterin von ihrer langen schweren Erkrankung endlich genesen ist. Und um in der Familie zu bleiben: Auch Nike Wagner ist an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt: „Ja, auch das Beethovenfest feiert 2021 eine Auferstehung nach den depressiven Monaten von Corona!“, sagte sie bei der Vorstellung des Programm-Updates, wie die Deutsche Welle berichtet. Zwei Wagnerinnen an einem Wochenende, das muss eigentlich reichen, oder?
Tipps und Links vom 10. und 11. September: Von Normalität kann natürlich noch keine Rede sein, aber allmählich kommt das Theater-, Konzert- und Opernleben wieder in die Gänge, was bedeutet, dass auch dieser Service peu à peu heruntergeschraubt werden kann. In München ist das Nationaltheater nun nicht mehr allein privilegiert, 500 anstelle von nur 200 Zuschauern reinlassen zu dürfen. Auch im Gasteig läuft jetzt ein Pilotprojekt, wie BR Klassik berichtet. Hoffentlich klappt das bald auch in der Bamberger Konzerthalle, denn der aktuelle Versuch, die jeweils 200 Karten für vier Abokonzerte im September an jene Symphoniker-Abonnenten zu vergeben, die telefonisch an der ewig belegten Nummer vom BVD-Kartenservice durchgekommen sind, ist für alle anderen Musikfreunde, die es immer noch und immer wieder versuchen, weil es keine entsprechende Ansage gibt, nur frustrierend. Übrigens wird es an der Deutschen Oper Berlin, wenn Corona nicht noch dazwischen funkt, am 27. September mit der „Walküre“ die erste genuine Wagner-Premiere im Saal geben, mit einer großartigen Solistenriege. Drücken wir alle die Daumen! Und nicht vergessen: Am Freitag, 11. September um 18 Uhr, bietet BR Klassik Concert den kostenlosen Livestream der konzertanten Oper „Gismondo“ von Leonardo Vinci aus dem Markgräflichen Opernhaus mit Max Emanuel Cencić und seiner Sänger- und Musikerriege. Aktueller Nachtrag: Die Wiener Staatsoper bietet ebenfalls kostenlose – und vorerst auch international – Livestreams an, für die man sich registrieren muss: Das Programm startet Freitag, 11. September um 20 Uhr mit „Elektra“ in der Inszenierung von Harry Kupfer.
Tipps und Links vom 9. September: Nachdem die derzeitigen Geschäftsführer der Festspiel-GmbH und deren Pressesprecher bereits das Programm der Festspiele 2021 umrissen haben, hat laut der Deutschen Presse-Agentur jetzt auch Verwaltungsratsvorsitzender Georg von Waldenfels nachgelegt bzw. offiziell bestätigt. Wenigstens hat er die Namen der künstlerisch Verantwortlichen für die „Holländer“-Neuinszenierung noch außen vor gelassen, denn schließlich soll auch Festspielleiterin Katharina Wagner, wenn sie nach langer Krankheitspause wieder antritt, noch etwas zu sagen haben. Selbst die Tagesschau hat inzwischen die spärlich besetzten Zuschauerreihen in deutschen Theatern entdeckt: „Leere Ränge, kurze Opern, keine Küsse“ heißt es in dem NDR-Bericht, während Ulrich Khuon vom Deutschen Bühnenverein im Intervie mit dem Deutschlandfunk Kultur schon weiter nach vorne schaut. Hier noch eine Aktualisierung zu den Übertragungen von Bayreuth Baroque, die sich fast täglich ändern … Heute und morgen Abend läuft ab jeweils 20.30 Uhr auf den Facebookseiten von BR-KLASSIK, BR Franken sowie Bayreuth Baroque eine Liveübertragung von „Carlo il calvo“, der Videostream der hinreißenden Aufführung mit einer solistischen Traumbesetzung soll jetzt im November folgen.
Tipps und Links vom 8. September: Nochmal Abramović, weil’s so schön ist: „Die Welt“ hat nämlich gleich zwei Kritiken veröffentlicht, eine von Manuel Brug im normalen Kulturteil und eine in der Mode-Abteilung der „Welt am Sonntag“, wo Clark Parkin das Ganze selbstverständlich als großes Kunstwerk verkauft. Drei weitere Tageszeitungsartikel bieten sich an, um zu beleuchten, wie unterschiedlich sich aktuell die Hygieneschutzmaßnahmen zum Beispiel in Dortmund in Konzert und Oper sowie in den Mehrspartenhäusern in Graz und in Plauen ausnehmen. Während man am Vogtlandtheater die Händel-Oper „Tamerlano“ offenbar noch aufteilt, um pausenlose Aufführungen zu haben, ist man in Bayreuth ausnahmsweise schon weiter. Heute Abend findet im Markgräflichen Opernhaus die letzte Aufführung von „Carlo il calvo“ statt. Wer keine Karten hat, kann das mit zwei Pausen fünfstündige Sängerfest zumindest akustisch ab 18 Uhr live miterleben, auf BR Klassik. Eine Videoaufzeichnung soll online im Oktober nachgereicht werden.
Tipps und Links vom 7. September: Sorry, ein wichtiger Geburtstag hat meinen Zeitplan doch etwas durcheinander gebracht. Zuerst reiche ich gerne einen Satz aus der „Carlo il calvo“-Kritik in der Süddeutschen Zeitung nach, weil der Link dazu für die meisten vor der Bezahlschranke endete: „Zwar geht dem boulevardesken Krimi“, schreibt Egbert Tholl, „im Laufe der fünf Stunden ein wenig die Luft aus, zwar wird man von 100 000 Koloraturen ganz wuschig im Kopf, aber die Gesangsleistungen sind atemberaubend.“ Auch die Artikel über das Festival Bayreuth Baroque von Markus Thiel im Münchner Merkur und von Marco Frei in der NZZ seien gerne verlinkt. Was die Bayreuther Festspiele betrifft, so hat Pressesprecher Hubertus Herrmann der Bayreuther Sonntagszeitung und dem Stadtportal InBayreuth ein paar klärende Auskünfte zum Programm 2021 und der Kartenbestellung gegeben: „Geplant sind“, so wird Herrmann zitiert, „die Neuinszenierung ‚Der fliegende Holländer‘ und die Wiederaufnahmen von ‚Tannhäuser‘, ‚Lohengrin‘ und ‚Die Meistersinger von Nürnberg‘ sowie konzertante Aufführungen als Ersatzprogramm für verschobene Spieltage der ‚Ring des Nibelungen‘-Neuproduktion. Für 2020 gekaufte Karten bleiben auch 2021 gültig, ‚Ring‘-Tickets bis 2022. Das bewährte Karten-Bestellverfahren ist auf Mai 2021 verschoben, alles andere wäre grob fahrlässig.“ Apropos 2022: Da soll (neben der verschobenen Neuinszenierung der „Ring“-Tetralogie) unter anderem auch „Parsifal“ auf dem Programm stehen, mit Piotr Beczała in der Titelrolle, Anja Harteros und Ludovic Tézier, wie der Tenor im Interview mit dem spanischen Platea Magazine ankündigt hat. Hoffentlich gibt es dann schon den Impfstoff und wirksame Corona-Medikamente. Denn wie Frankfurts Intendant Bernd Loebe im dpa-Interview so schön sagt: „Niemand denkt aktuell an ‚Parsifal‘.“
Tipps und Links vom 5. und 6. September: Zum Barockopernwunder in Bayreuth gibt es weitere Kritiken: Joachim Lange jubelt in der Wiener Zeitung und Egbert Tholl legt in der Süddeutschen Zeitung nach. Wie die Bayerische Staatsoper befindet sich auch die Oper Frankfurt noch im Einakter-Modus. Über die eingekürzte „Puritani“-Vorstellung zur Saisoneröffnung berichtet Bernhard Uske in der Frankfurter Rundschau. In den österreichischen Medien dreht sich jetzt fast alles um die erste Saison des neuen Staatsoperndirektor Bogdan Roščić und den neuen Musikdirektor Philippe Jordan, der in Wien in seiner fünften Spielzeit einen neuen „Ring“ dirigieren wird. Aktuell wird Jordan in seiner Abschiedssaison an der Pariser Oper zwei konzertante „Ring“-Zyklen dirigieren (deren szenische Realisation unter Calixto Bieito wegen Corona offenbar storniert wurde). Der konzertante „Ring“ findet von 23. bis 28. November zur Saisoneröffnung der Bastille-Oper statt, von 30. November bis 6. Dezember im Auditorium von Radio France.
Zum heutigen Live-Stream ab 18.30 Uhr von „7 Deaths of Maria Callas“ verweise ich gerne auf meinen zweiteiligen Premierenbericht, mit der Anmerkung, dass die Wirkung einer solchen Produktion, wenn man sie im Nationaltheater von einem sehr guten Platz im 3. Rang erlebt, grundsätzlich eine andere ist als bei einer Aufzeichnung. Und damit keiner denkt, ich wolle mit meinem moderaten Verriss Recht haben, verlinke ich gerne auch die Jubel-Kritik von Laszlo Molnar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der das alles komplett anders gesehen hat und überreiche einmal mehr Markus Thiel vom Münchner Merkur den Preis für die beste Kurz-Überschrift: In seinem „Jessas Marina“ steckt eigentlich schon alles drin. Wozu mein Fernsehprogramm am Sonntag fast nahtlos passt: ab 16.45 Uhr gucke ich Arte, denn dort wird aus dem Mailänder Dom zu Ehren der Opfer der Pandemie Verdis Requiem unter Riccardi Chailly gesendet.
Tipps und Links vom 4. September: Ein fünfstündiger Barockopernabend mit zwei Pausen, das ist nicht nur für Freunde der Barockmusik eine gute Nachricht! Es geht also – wenn die Belüftung des Zuschauerraums gut funktioniert, und das ist beim Markgräflichen Opernhaus der Fall – auch deutlich länger und ohne rabiate Kürzungen (bei den Ausgrabungen, die Max Emanuel Cenčić realisiert, weiß allerdings niemand so genau, was dieser außergewöhnliche Sänger, Szeniker und Impresario von vornherein streicht). Hier die ersten Kritiken zu „Carlo il Calvo“ von der Deutschen Presse-Agentur, von Roman Kocholl im Nordbayerischen Kurier und von Peter Jungblut für den Bayerischen Rundfunk, der am 8. September um 18 Uhr live auf BR Klassik eine Aufzeichnung von „Karl, dem Kahlen“ sendet; für Oktober ist jetzt außerdem ein Video-On-Demand angekündigt. Zu den Mitwirkenden dieser Inszenierung zählen neben Cenčić auch Julia Lezhneva und Bruno de Sa, die ich in den letzten Jahren an gleicher Stelle in „Siroe, König von Persien“ sowie in „Polifemo“ schon begeistert erleben durfte. Noch ein kurzer Blick nach Berlin, wo unter anderem die „Walküre“-Premiere Ende September, wie der Tagesspiegel berichtet, noch nicht in trockenen Tüchern ist, und nach Wien, wo Staatsopernbesucher laut Kurier aufgefordert werden, der Aerosole wegen sowohl Bravo- als auch Buhrufe sein zu lassen. Zurück nach Bayern mit einer guten und einer weniger guten BR-Nachricht: Die Hilfsprogramme für Künstler des Freistaats sind noch nicht ausgeschöpft, bis 30. September können noch Anträge gestellt werden. Was die Zahl der Zuschauer betrifft, wird es mit Ausnahme des Pilotprojekts am Münchner Nationaltheater laut Kunstminister Bernd Sibler so schnell keine Änderungen geben.
Tipps und Links vom 3. September: Heute Abend startet das neue Festival Bayreuth Baroque – und ich bin mir schon vorab sicher, dass es ein großartiger Erfolg für alle sein wird, für die Verantwortlichen, die Künstler und sonstigen Mitwirkenden und natürlich das Publikum, zu dem ich bei den jeweils letzten Vorstellungen der beiden Opern zählen werde. Schade nur, dass in Bayern mit Ausnahme des Nationaltheaters immer noch die Beschränkung auf 200 Zuschauer gilt. Womit ich bei weiteren Kritiken zur Münchner Uraufführung von „7 Deaths of Maria Callas“ wäre: Lesenwert sind Markus Thiel im Münchner Merkur, Robert Braunmüller in der Münchner Abendzeitung und Johanna Schmeller in der taz. Mehr darüber demnächst auch hier …
Tipps und Links vom 2. September: Es dauert noch etwas, bis ich meine Kritik zu „7 Deaths of Maria Callas“ geschrieben habe, daher hier schon mal das, was greifbar und lesenswert ist: von Peter Jungblut auf BR24 , von Jörn Florian Fuchs auf Deutschlandfunk Kulturund Cordula Dieckmann von der Deutschen Presse-Agentur. Mehr zur Uraufführung morgen und demnächst in Beers Blog. Natürlich bringt das Pilotprojekt an der Staatsoper auch die Bedürfnisse anderer Kulturinstitutionen in den Fokus. In der Süddeutschen Zeitung schreibt dazu Egbert Tholl, in der Münchner Abendzeitung wie gehabt Robert Braunmüller. Dass inzwischen auch die Künstler-Agenturen am Abgrund stehen und schließen müssen, beleuchten Michael Stalllknecht in der SZ und ein Gespräch auf Deutschlandfunk Kultur.
Tipps und Links vom 1. September: Heureka! Bin heute Abend bei der Münchner Uraufführung „7 Deaths of Maria Callas“ mit dabei! Zu danken ist die schon lang erwartete Lockerung der extrem restriktiven bayerischen Corona-Vorschriften für Theater dem zähen Ringen von Intendant Nikolaus Bachler und einem Pilotprojekt an der Bayerischen Staatsoper, die jetzt anstatt vor 200 vor immerhin 500 Zuschauern spielen darf. Robert Braunmüller fasst die neue Lage in der Münchner Abendzeitung zusammen, die informative Vorschau zu dieser ungewöhnlichen Opern-Produktion von Rita Argauer in der Süddeutschen sei nochmals verlinkt. Auch das Festival Bayreuth Baroque, das am 3. September erstmals im Markgräflichen Opernhaus eröffnet wird, scheint (ohne dass das jemand laut sagt) ein Pilotprojekt zu sein, denn dort stehen unter anderem zwei Barockopern mit Pausen (!) auf dem Programm. Beide Opern und zwei luxuriös besetzte Recitals werden vom BR aufgezeichnet und gesendet, wer sich schon mal in „Gismondo“ reinhören will: Die schon erschienene CD ist ein hörenswertes Fest, wie Egbert Tholl in der SZ schreibt.Tipps und Links vom 31. August: Sorry, bin heute etwas spät dran, ausgerechnet, wenn ich einen heißen Tipp zum Streamen habe, der in unserer Zeitzone nur morgen früh zu nachtschlafener Zeit ab 1.30 Uhr und dann bis kurz nach Mitternacht funktoniert: Patrice Chéreaus „Elektra“-Inszenierung, die unter anderem die Metropolitan Opera aus Aix en Provence übernommen hat, kann am 1. September (MEZ) in der New Yorker Besetzung mit Nina Stemme in der Titelrolle gestreamt werden. Überhaupt ist die neue Woche mit kostenlosen Videos-on-Demand der Met mit lauten Opern des 20. Jahrhunderts sehenswert, darunter auch „Porgy and Bess“ in einer Aufzeichnung vom 1. Februar 2020 mit Angel Blue und Golda Schultz. Ansonsten sind die Zeitungen voll von Salzburg-Bilanzen und Bayreuth-Baroque-Vorschauen. Was erstere betrifft, empfehle ich das Interview von Markus Thiel mit Intendant Markus Hinterhäuser im Münchner Merkur, sowie die Anmerkungen von Reinhard Kriechbaum auf Drehpunkt Kultur über das heuer etwas andere Salzburger Publikum. Der Bayerische Rundfunk widmet sich dem neuen Festival Bayreuth Baroque verdienstvoll intensiv, denn ohne die Einnahmen durch Radiobertragungen und Streams fiele das zu erwartende Corona-Defizit sicher noch verheerender aus. Im Markgräflichen Opernhaus gilt – wie andernorts in Bayern – nach wie vor die Regel, dass maximal nur 200 Zuschauer zugelassen sind. Zum Schluss heute noch ein Kinotipp aus der NZZ über das Schlingensief-Porträt von Bettina Böhler „In das Schweigen hineinschreien“.Tipps und Links vom 29. und 30. August: Zum Corona-Operndrama im besonders restriktiven Bayern hat Robert Braunmüller in der Münchner Abendzeitung jetzt auch Staatsopernintendanten Nikolaus Bachler interviewt. Auch Markus Thiel im Münchner Merkur hat mit einer knackigen Überschrift nachgelegt. Und die Wiener Zeitung beleuchtet ein Thema, das durch die Pandemie mehr ins Bewusstsein gerückt ist: das heutige Star-System. An einen Star der 30er Jahre, an die tragisch endende jüdische Tenor-Legende Joseph Schmidt, erinnern Ioan Holender, Barrie Kosky und Alfred Fassbind in der jüngsten kulTour-Folge auf Servus TV – mit Einspielungen, die unglaublich sind.Tipps und Links vom 28. August: Vor allem die Lage an den bayerischen Opern-, Theater- und Konzerthäusern steht heute im Mittelpunkt: Robert Braunmüller in der Münchner Abendzeitung sowie Susanne Hermanski und Egbert Tholl in der Süddeutschen Zeitung berichten über den Appell zweier Münchner Spitzenorchester an Ministerpräsident Markus Söder. Auch bei der SZ-Vorschau von Rita Argauer auf die Uraufführung von Marina Abramovićs „7 Deaths of Maria Callas“ an der Bayerischen Staatsoper am 1. September muss man immer mitdenken, dass in einem der größten europäischen Opernhäuser derzeit nur 200 Zuschauer sitzen dürfen. Da blickt man dann doch neidisch nach Österreich und speziell Salzburg, wo das Risiko sich offenbar gelohnt hat, wie Margarete Affenzeller und Ljubiša Tošić im Standard feststellen. Und wundert sich nicht, dass Helga Rabl-Stadler im Standard-Interview mit Stephan Hilpold zwar noch sehr besorgt, aber vergleichsweise gelassen klingt und Reinhard Kriechbaum auf Drehpunkt Kultur nachdrücklich auf den Festspiel-Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinermeier hinweist. Bleibt noch ein Jubiläum: Heute vor 170 Jahren wurde in Weimar Richard Wagners „Lohengrin“ uraufgeführt, worüber es hier einen kleinen Artikel von mir und beim WDR einen Audiobeitrag von Holger Noltze gibt.Tipps und Links vom 27. August: Die gute Nachricht aus Berlin: Stefan Herheim feilt an der Deutsche Oper an seiner „Walküre“-Inszenierung, die gute Nachricht aus Bayreuth: Der BR überträgt vier Termine des neuen Festivals Bayreuth Baroque, und zwar die beiden Opernproduktionen „Carlo il Calvo“ von Nicola Porpora und „Gismondo, Re di Polonia“ von Leonardo Vinci live im Radio am 8. bzw. 11. September ab 18 Uhr auf BR Klassik (sowie „Gismondo“ im Video-Livestream) und die beiden Arien-Abende mit Joyce DiDonato und Vivica Genaux zeitversetzt am 6. und 12. September. Wie es an der Frankfurter Oper weitergeht, berichtet die Frankfurter Rundschau, einen Einblick in die Corona-Einschränkungen beim Saisonstart in Wien die Wiener Zeitung. Noch zwei Tipps für Fans: Heute Abend um 20.30 Uhr sendet Arte das Salzburger Recital von Anna Netrebko mit ihrem Mann und Tenorpartner Yusif Eyvazov, und auf YouTube verfügbar ist ein vierzigminütiges Gespräch mit Johannes Martin Kränzle: Sabine Sonntag, die ihren wegen Corona abgesagten Vortrag über „Wagner im Kino“ voraussichtlich am 12. Januar 2021 in Bamberg nachholen wird, lädt unter dem Titel „Arbeitsplatz Theater“ zu einer weiteren Opernvideokonferenz am 3. September ein. Ein Bestandteil dieses kostenpflichtigen Web-Seminars ist dieses Gespräch mit Johannes Martin Kränzle, das noch vor den Salzburger Festspielen stattfand und in dem die beiden unter anderem auch über seine Wagner-Rollen sprechen.Tipps und Links vom 26. August: Wie es wohl in der Musik- und Theaterwelt weitergehen wird? Christian Wildhagen wägt in der Neuen Zürcher Zeitung ab zwischen Bedürfnis und Risiko. Zwar haben die Salzburger Festspiele gezeigt, dass und wie etwas geht, aber Festspiele sind per se eine Ausnahme, haben andere Gegebenheiten und Möglichkeiten als die Repertoiretheater. Wovon Barrie Kosky beim Interview im Tagesspiegel ein Lied zu singen weiß. Hoffentlich nicht weithin hörbar, denn dann gibt es, wie die Frankfurter Rundschau berichtet, laut einer experimentellen Studie der Universität Bristol viel mehr Aerosole. Klingt nicht gerade gut, was Wagneropern mit Chor betrifft. Wie es scheint, hat man an der Wiener Staatsoper zumindest insofern schon mal vorgesorgt, als Bravorufe, wie der Kurier meldet, nicht mehr erwünscht sind. Vielleicht lohnt es sich, ohnehin erst mal abzuwarten, welche Erkenntnisse das Dreifach-Corona-Konzert von Tim Bendzko in Leipzig bringt, das der Spiegel in eine Reportage gegossen hat. Ach, Corona!Tipps und Links vom 25. August: Zum heutigen großen Jubiläumstag – die Hochzeit von Cosima und Richard Wagner vor 150 Jahren habe ich aus gegebenem Anlass und vorsorglich bereits vor einer Woche ausführlicher gewürdigt, dazu gibt es seit heute einen sehr langen Beitrag zum 175. Geburtstag von König Ludwig II., in dem beide Ereignisse gewissermaßen aufeinander zulaufen – noch ein paar Links. Eine schöne Gesamtwürdigung ist Georg Blüml in der Tagespost gelungen, der Ludwig-Kenner Hans Kratzer von der Süddeutschen Zeitung kratzt in seiner Glosse sogar ein bisschen am Geburtsdatum, und für Bergfreunde empfehle ich wahlweise den Artikel von Robert Braunmüller in der Münchner Abendzeitung, einen Beitrag über das Schachenhaus von Füssen aktuell beziehungsweise die Buchneuerscheinung „In den Bergen lebt die Freiheit“ von den beiden SZ-Autoren Sandra Freudenberg und Stephan Rosenboom. Dazu noch eine Übersicht zu einschlägigen Kini-Sendungen beim Bayerischen Rundfunk.
Zum aktuellen Kulturleben gibt es unter dem Titel „Wie sich eine ‚Kulturnation‘ ihrer wertvollsten Tradition beraubt“ einen knackigen Kommentar von Wolfgang Herles auf Tichys Einblick während Egbert Tholl in der SZ ganz konkret vom „Salzburger Signal“ schreibt. Und damit Bayreuth nicht zu kurz kommt schnell noch die Kritik von Frank Piontek über das Wagner-Konzert auf der Seebühne in der Wilhelminenaue aus dem Opernfreund. Puh, genug für heute.Tipps und Links vom 24. August: Gestern Abend stand bei mir nicht das Wagner-Konzert in der Bayreuther Wilhelminenaue auf dem Programm, sondern nach langer Pause mal wieder Fußball: mein erstes komplettes „Geisterspiel“ im Fernsehen. Zwar bin ich bestimmt kein Fan von riesigen Menschenmassen, aber ich muss sagen, mir hat das Publikum ernsthaft gefehlt. Dazu passt das Interview mit dem jetzigen TV-Kommentator Jorge Valdano, der unter anderem selbst Fußballspieler, Trainer und Manager war, in der Süddeutschen Zeitung. Bestimmt nicht wie bei einer Fahrt ins Büro dürfte sich der (mindestens) 79-jährige Ex-Startenor Plácido Domingo nach MeToo-Vorwürfen und -Ermittlungen sowie einer Covid-19-Erkrankung bei seinem Comeback am Samstag in Caserta bei Neapel gefühlt haben. Anton Cupak, Herausgeber vom Onlinemerker, schreibt zu den geplanten weiteren Auftritten etwas gönnerisch: „Die Wiener Staatsoper – und nicht nur die – ermöglicht ihm einen ehrenvollen Abgang, von seinen Fans wird er bejubelt werden. Das steht ihm zu, doch dann hat Ruhe zu sein!“ Steht dem Sänger, der nach Bekanntwerden der Vorwürfe von seiner Chefpositon an der Oper Los Angeles Oper zurücktrat und dessen Auftritte seither in den U.S.A. und in seinem Heimatland Spanien bestimmt nicht grundlos abgesagt wurden, das wirklich zu? Hat sich ein offenbar komplett virenresistenter harter Kern von Fans am Salzburger Flughafen nicht schon bei der Überreichung des Österreichischen Musikpreis 2020 bedankt? Die Salzburger Festspiele, die mit diesem Preis übrigens rein gar nichts zu tun haben, sind zum Jubiläumstermin mit einem Memorandum an die Öffentlichkeit getreten, das ein Video der Landesregierung Salzburg kurz vorstellt und im kompletten Wortlaut bei Drehpunkt Kultur zu finden ist. Ein Glück, dass die Bayreuther Festspiele bis zu ihrem 150. Jubiläum 2026 noch ein bisschen Zeit haben … Zum guten Schluss noch ein kleines Filmchen. In ihrem achtminütigen Karambolage-Beitrag „Das Ritual: Die Bayreuther Festspiele“ auf Arte nimmt uns Jeanette Konrad mit nach Bayreuth und erinnert sich an ihren ersten Festspielbesuch 2016. Dass die Fakten nicht immer stimmen, ist ehrlich gesagt drittrangig, denn die optische Umsetzung macht einfach richtig Spaß, um nicht zu sagen leuchtende Augen.Tipps und Links vom 22. und 23. August: Heute ist der eigentliche Juliäumstag in Salzburg, was sich auch im Fernsehprogramm (siehe etwas weiter unten bei Übertragungen der Salzburger Festspiele) spiegelt. Nach den Dokumentationen über Opernhighlights und die Festspielgeschichte sowie einer Aufzeichnung der aktuellen „Jedermann“-Produktion auf 3sat kann es morgen dort nahtlos schon am Vormittag mit „Simon Boccanegra“ weitergehen, am späten Nachmittag folgt auf Arte erst das Konzert des West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim (u.a. mit dem Siegfried-Idyll) und nach Mitternacht eine Aufzeichnung der „Aida“ von 2017 mit Anna Netrebko in der Titelrolle. In der Arte Mediathek kann man darüberhinaus noch bis 7. September eine Dokumentation sowie eine komplette Aufzeichnung des legendären Karajan-„Rosenkavalier“ von 1960 abrufen. Letzteren sollte man nicht verpassen, wenn man Sängerkritikerpapst Jügen Kesting glaubt, der wiederum zusammen mit dem Sänger und Leiter des Operstudios der Wiener Staatsoper Michael Kraus von Ioan Holender für Servus TV zu einer Ausgabe des Festspieltalks im Schloss Leopoldskron geladen wurde, die ich hiermit unterthänigst ebenfalls als lohnend anzupreisen mich erheische. Schluss der mit sprachlichen Nostalgie und zurück nach Bayreuth, von wo ein kostenpflichtiges Interview aus dem Nordbayerischen Kurier mit Michael Volle, einem der Protagonisten des Wagner-Konzerts am 23. August in der Wilhelminenaue, inzwischen über die Deutsche Presse-Agentur in Kurzform doch ins Netz gefunden hat. Neben Volle, Günther Groissböck, Daniel Schmutzhard und Annette Dasch wird auf der Seebühne auch Andreas Schager auftreten, der sich laut F.A.Z. in dem Verein „Opera meets nature“ für Baumpflanzprojekte engagiert, aus der mehrere Nibelungenwälder hervorgehen sollen. Mit seiner fetzigen Überschrift „Walküre für junge Eichen“ hat es der Berichterstatter gut gemeint, liegt aber voll daneben, denn angesichts der Tatsache, dass in der mittelhessischen Provinz jetzt Eichen und Eschen gepflanzt werden, hätte er zweifelsfrei „Walküre für junge Eschen“ titeln müssen. Wer als erster den zweiten Wagner-Fehler in diesem Text findet und meldet, hat was gut bei mir!Tipps und Links vom 21. August: Heute vor zehn Jahren ist Christoph Schlingensief gestorben und deshalb in allen Feuilletons präsent. Für die Frankfurter Rundschau hat Ulrich Seidler seine Witwe und Mitarbeiterin Aino Laberenz interviewt, in den Kinos läuft aktuell der empfehlenswerte Film „In das Schweigen hineinschreien“ von Bettina Böhler, der MDR liefert dazu einen kurzen Trailer – und natürlich verlinke ich gerne nochmals den Bayreuth-Teil des Aspekte-Gesprächs von Gregor Gysi mit Schlingensief. Dass auch ich ihn vermisse, mag man an meinen „Parsifal“-Kritiken ablesen. Schade, dass bei den Festspielen niemand auf die Idee gekommen ist, wenigstens heute eine Aufzeichnung seiner „Parsifal“-Inszenierung zu streamen.Tipps und Links vom 20. August: Natürlich fragen sich Opern- und Konzertfreunde, warum in Österreich und in der Schweiz so viel mehr möglich ist als in Bayern: Robert Braunmüller geht der Sache in der Münchner Abendzeitung nach. Dass das Heil allerdings doch nicht in Freiluftveranstaltungen liegt, kann man beispielsweise am Kurzbericht von Ulrike Messer-Krol im Onlinemerker über den „Tristan“ bei den Weinviertler Wagnerfestspielen ablesen. Oder am tvo-Bericht über das in Gastspiel des Sängerpaars Petra Maria Schnitzer und Peter Seiffert in der Bayreuther Wilhelminenaue, der nicht nur angesichts der vielen leer gebliebenen Stühle zu denken gibt. Drücken wir also die Daumen, dass das Wetter am Sonntag mitspielt und das Großaufgebot an Festspielsängern auf der Seebühne diesmal wenigstens auf die erlaubten 400 Zuhörer trifft.Tipps und Links vom 19. August: Das neue Gutachten von zwei Medizinern der Charité hat für erwartbaren Wirbel gesorgt, die aktuelle Berichterstattung dazu geht weiter, zum Beispiel bei rbb24 und dem Tagesspiegel. Was Corona bei Musikverlagen anrichtet und welche unabsehbaren Folgen das haben kann, beschreibt Volker Hagedorn ausführlich in der Zeit , während die Theater in Thüringen , wie die Welt berichtet, offenbar aufatmen können. In Russland sieht laut Manuel Brug in der Welt die Lage ganz anders aus, speziell beim Mariinski-Theater in St. Petersburg. Und aus Russland kommt auch ein Namensmissbrauch, von dem ich bisher noch nichts wusste: Herbert Wulf berichtet auf der Plattform des IPG-Journals für Fragen internationaler und europäischer Politik unter dem Titel „Outsourcing der Gewalt“ über eine private Söldner- und Militärfirma Wagner, die sich in ihrer Namensgebung auf Richard Wagner bezieht. Vielleicht hat da jemand die Walkürenrittszene in Francis Ford Coppolas Antikriegsfilm „Apocalypse Now“ falsch verstanden? Wie auch immer: Das ist keine gute Nachricht.Tipps und Links vom 18. August: Im Brennpunkt steht ein neues Gutachten von zwei Medizinern der Charité. Um keine falschen Rückschlüsse zu ziehen, lohnt es sich, genau zu lesen. Dazu aktuelle Berichte vom rbb24, ntv und dem Tagesspiegel. Aus Bayreuth kommt eine Kritik zu „Sonnenflammen“, einer Opernproduktion im ehemaligen Reichshofkino, wo, wie Roland H. Dippel in der Neuen Musikzeitung es formuliert, „die zum Äußersten entschlossene Anhängerschaft Siegfried Wagners erbitterten Widerstand gegen die wegen Corona abgesagten Vorstellungen leistete“. Na denn …Tipps und Links vom 17. August: Die einzige wichtige Nachricht aus Bayreuth ist leider keine gute. Das neue Festival Bayreuth Baroque (3. bis 13. September) unter der künstlerischen Leitung von Max Emanuel Cenic kann zwar stattfinden, allerdings dürfen pro Vorstellung nur 200 Zuschauer statt maximal 490 ins gut klimatisierte Markgräfliche Opernhaus. Das heißt: Der gesamte Kartenverkauf für die Opern- und Konzertveranstaltungen im Opernhaus wird storniert, die bisherigen Kartenkäufer können in einem exklusiven Vorverkauf dann nochmals ihr Glück (dann ohne Maskenpflicht am Platz) versuchen. Immerhin: Noch steht zu lesen, dass die beiden Barockopern – Nicola Antonio Porporas „Carlo il Calvo“ und Leonardo Vincis „Gismondo, Re di Polonia“ – mit Pause(n) durchgeführt werden. Hoffentlich klappt das! Apropos: Auch beim Freiluft-Arienabend mit Peter Seiffert, Petra Maria Schnitzer, Emil Simeonov und Klavierbegleitung am Freitag auf der Seebühne in der Wilhelminenaue zählte der Nordbayerische Kurier nur 200 Besucher, obwohl dort sicher mehr zugelassen waren.
Tipps und Links vom 15. und 16. August: Das Wochenende steht ganz im Zeichen der Salzburger Festspiele, denn sowohl im Radio als auch im Fernsehen gibt es attraktive Sendungen (siehe Auflistung direkt im Anschluss). Dazu vorab zum Lesen zwei weitere ausführliche Artikel von Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung und Marco Frei in der Neuen Zürcher Zeitung. Aus Bayreuth gibt es außer einem Interview mit dem Opernsängerpaar Peter Seiffert und Petra Maria Schnitzer nichts Nennenswertes zu berichten, aus Bayern immerhin, dass das Ministerium für Wissenschaft und Kunst eine Studie zur Aerosolverbreitung durch Chorgesang und Blasinstrumente mit 120 000 Euro unterstützt. Ob dann alles gut wird? Noch schnell ein Tipp für Spät-Gucker und Streamer: Arte zeigt am 16. August um 23.50 Uhr eine Aufzeichnung der Ruhrtriennale 2019 von György Ligetis Requiem, das der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó unter dem Titel „Evolution“ spektakulär inszenierte (anschließend online bis 14. November).
Tipps und Links vom 14. August: Außer einem Interview mit Max Emanuel Cenčić, dem Wiener Countertenor und Gründungsdirektor des neuen Festivals Bayreuth Baroque in der Kleinen Zeitung, gibt es heute nicht viel Neues. Für alle, die Zeit dafür haben, setze ich nochmals die Links zu zwei Diskussionsveranstaltungen, die kurz vor Beginn der Nicht-Festspielzeit in unterschiedlichen Ansätzen und Besetzungen Bayreuth zum Thema hatten: Die SWR-Diskussion „Richard Wagners Bayreuth im Corona-Zeitalter“ mit Heinz-Dieter Sense (Geschäftsführender Direktor der Bayreuther Festspiele), Professor Stephan Mösch (Hochschule für Musik Karlsruhe), Patric Seibert (Regisseur, Dramaturg und Mitwirkender im Castorf-„Ring“) sowie Moderator Bernd Künzig lohnt vor allem wegen der Beiträge vom aus Bayreuth stammenden Bayreuth-Kenner Mösch, beim Expertengespräch der Wochenzeitung „Die Zeit“ unter dem Titel „Die Festspiele fallen aus. Wie geht es weiter mit Bayreuth?“ redete sich Wahnfried-Direktor Sven Friedrich in Topform. Wer abgesehen davon Lust auf Englisch hat, dem sei aus der Einsteiger-Serie der Tageszeitung The Guardian die Wagner-Einführung von Martin Kettle empfohlen, auch wegen einiger attraktiver Audio- und Video-Links. Fast hätte ich vergessen, dass heute das verkürzte Lucernce Festival startet. Arte begleitet das Auftaktwochenende mit Livestreams von Konzerten mit Martha Argerich, Herbert Blomstedt sowie Solist*innen des Lucerne Festival Orchestras ab heute um 18.30 Uhr.
Tipps und Links vom 13. August: Heute vor 144 Jahren wurden mit der „Rheingold“-Erstaufführung in Bayreuth die ersten Wagnerfestspiele eröffnet. Wer aus diesem Grund heute nach frei verfügbaren Bayreuther „Rheingold“-Aufzeichnungen sucht, wird wie folgt fündig: erstens beim Bayerischen Rundfunk, wo man den kompletten Petrenko-„Ring“ von 2015 hören (bis 31. Dezember 2020) und die Videos der „Ring“-Inszenierungen von Patrice Chéreau von 1989/80 (bis 6. September) und Harry Kupfer von 1991/92 (bis 25. August) nacherleben kann, und zwar ganz nach eigenem Zeitplan. Für Liebhaber noch älterer Aufnahmen hat Rüdiger Winter auf Operalounge eine ausführliche vergleichende Besprechung über die Bayreuther „Ring“-Einspielungen unter Rudolf Kempe vorgelegt. Und weil wir gerade bei historischen Interpretationen sind: Im Spiegel nimmt sich Thomas Schmoll beispielhafte Beethoven-Einspielungen auf Originalinstrumenten vor. Die Lektüre legt eindeutig und drängend die Frage nahe, wann die Festspiele ihrem Publikum endlich auch einmal Originalklang bieten. Im Moment haben Kent Nagano, Concerto Köln und die Kunststiftung NRW mit ihrem Wagner-Lesarten-Projekt eindeutig die Nase vorn. Zurück zur Gegenwart und zur Comedy, denn die heutige Edition der „Superbayern“ fragt bei Edmund, Hubert und Markus nach, ob sie es schade finden, dass sie heuer nicht zur Festspieleröffnung kommen konnten …
Tipps und Links vom 12. August: Dass Judith von Sternburg, eine meiner Lieblingskritikerinnen, sehr genau hinzuschauen weiß, zeigt auch ihre aktuelle Masken-Glosse in der Frankfurter Rundschau.
Dass die Bayreuther Festspiele nicht nur einen neuen Pressesprecher, sondern auch einen neuen Technikdirektor haben, zeigt Ulrike Glaßer-Günther in ihrer tvo-Reportage „Ein Corona-Besuch im Festspielhaus“ vom 11. August. Ausführlich kommt Peter Krottenthaler zu Wort, der von der Deutschen Oper am Rhein (mit Musiktheaterhäusern in Düsseldorf und Duisburg) an den Grünen Hügel gewechselt ist – als der nun schon dritte Nachfolger (nach Christoph Bauch und Andreas von Graffenried) des langjährigen Technikchefs Karl-Heinz Matitschka (2001 bis zur vorzeitigen Freistellung Ende August 2013). Über die Aussagen von Pressesprecher Hubertus Herrmann, warum man Bayreuth nicht mit anderen Häusern und Salzburg vergleichen sollte, kann man geteilter Meinung sein. Natürlich hoffen nicht nur die Festspiele auf einen Festspielsommer 2021 ohne Corona, aber reduzierte Orchesterfassungen (die sogar schon von Wagner selbst autorisiert wurden) von vornherein für Bayreuth und seinen beengten Orchestergraben auszuschließen, ist vielleicht ein bisschen kurzsichtig. Dass zum Schluss auch noch Katharina Wagner eingeblendet wird, ohne Hinweis, von wann die Bilder stammen, ist zwar gut gemeint, aber journalistisch nicht ganz sauber.
Nochmals mache ich gerne auf die umfassende Werkschau zum 75. Geburtstag von Wim Wenders bis 14. September in der ARD-Mediathek und besonders auf die „Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten“ aufmerksam. Es lohnt sich!
Tipps und Links vom 11. August: Immer noch freue ich mich, von der Salzburger „Così“ zu lesen, besonders gern von Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau. Auch die Nürnberger GMD Joana Mallwitz steht dabei im Fokus, diesmal beim BR. Und Intendant Markus Hinterhäuser wurde ausführlicher von Jörn Florian Fuchs im Deutschlandfunk befragt. Mein heutiger Blick nach Bayreuth geht zurück zu einem jener Regisseure, die ein „Ring“-Projekt vor sich hatten, das dann doch nicht zustande kam– zumeist aus Gründen, von denen die Öffentlichkeit nichts erfuhr, nichts erfahren sollte. Bei Wim Wenders, der die Tetralogie im großen Wagner-Jubiläumsjahr 2013 inszenieren sollte, war das auch so. Das Projekt soll wegen der Filmrechte gescheitert sein, bekanntlich sprang Frank Castorf ein. Zum 75. Geburtstag von Wim Wenders zeigt die ARD in ihrer Mediathek bis 14. September eine umfassende Werkschau. Aus Bayreuth-Sicht besonders zu empfehlen sind die „Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten“, ein so bezeichneter Tagebuchfilm über Yōji Yamamoto, der Heiner Müller dazu inspirierte, den japanischen Modeschöpfer für seine „Tristan“-Inszenierung (1993 bis 1999) zu gewinnen. Gibt es jemanden, der diesen „Tristan“ erlebt hat und in diesem Zusammenhang nicht gleich Waltraud Meier in ihrem kostbar leuchtenden Liebestod-Gewand vor sich sieht?
Tipps und Links vom 10. August: Von der Nachrichtenlage her ist es eigentlich Schnee von vorvorgestern, aber da die entsprechenden Artikel im Nordbayerischen Kurier vom 24. und 27. Juni nicht frei zugänglich waren und sind, wird es wohl erst jetzt durch eine Reportage des Bayerischen Rundfunks, die heute morgen in Allegro erstmals gesendet wurde, in der Breite publik: Die Stadt Bayreuth plant auf Vorschlag ihres Kulturreferenten Benedikt Stegmayer, im Chamberlainhaus bei Wahnfried ein NS-Dokumentationszentrum einzurichten. Was ja nur heißen kann, dass sich inzwischen die Auffassung durchgesetzt hat, dass das, was in diesem Zusammenhang das Wagnermuseum bietet, nicht ausreichend ist. Man darf gespannt sein, was aus dem Vorhaben letztendlich wird. Es ist aber in jedem Fall eine gute Nachricht.
All jene, die die Absage der diesjährigen Festspiele immer noch bedauern, seien angesichts der gerade vorherrschenden Temperaturen gerne darauf hingewiesen, dass ähnlich wie jetzt in Salzburg selbstverständlich auch am Grünen Hügel ein Fächer-Verbot gelten würde. Das heißt, im Backofen Festspielhaus dürfte man nicht einmal mit dem Besetzungszettel fächeln. Bei der Gelegenheit sei nochmals der dringende Wunsch nach einer gut funktionierenden Klimaanlage in den Zuschauerraum geworfen, auch wenn Experten darob aus unterschiedlichen Gründen nur sehr bedenklich den Kopf schütteln. Ist ja nur ein frommer Wunsch!
Von der Universität Bamberg kommt die Meldung, dass Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach vor vermutlich 850 Jahren geboren wurden. Die Professorin Ingrid Bennewitz (unter anderem übrigens auch Mitglied des RWV Bamberg) forscht seit Jahrzehnten intensiv über die beiden fränkischen Autoren, die heutzutage vor allem deshalb noch bekannt sind, weil Richard Wagner deren Werke aufgriff und neu interpretierte.
Tipps und Links vom 8. und 9. August: Ach, der Chéreau-„Ring“! Was für ein Genie-Streich! Und was für ein Privileg, ihn von 1976 bis 1980 jeden Sommer zum Teil mehrfach erlebt zu haben! Diese Produktion war nicht nur in der Interpretationsgeschichte der Markstein im 20. Jahrhundert, sondern auch theaterpraktisch der absolute Höhepunkt der „Werkstatt Bayreuth“. Was es ausmacht, wenn der Regisseur ernsthaft Jahr für Jahr konsequent weiterarbeitet, weiterfeilt, wenn er nach der Premiere nicht abreist, sondern auch bei den weiteren Vorstellungen präsent ist! Unter anderem auch dadurch erklärt sich die Einmaligkeit dieser Inszenierung: Chéreau war in den fünf Aufführungsjahren nur während zweier „Ring“-Zyklen nicht in Bayreuth. Allein seine nervöse Anwesenheit auf der Bühne, hinter den Kulissen – um den unkalkulierbaren Bühnennebel kümmerte er sich stets selbst – war für die Mitwirkenden ein unerhörter Ansporn, sängerdarstellerisch alles zu geben. Und das merkt man auch noch Jahrzehnte später. (Auf BR Klassik weiterhin verfügbar bis 6. September)
Genug geschwärmt, ab in die Niederungen der heutigen Opernwelt. Wozu ich den Österreichischen Musiktheaterpreis zähle. Kein Wunder: Wird doch Plácido Domingo für sein Lebenswerk geehrt – offenbar unter kompletter Ausschaltung jüngerer Erkenntnisse, was im Vorfeld der Verleihungszeremonie am Salzburger Flughafen den Ex-Tenor befeuert hat, sich gegen Weinstein-Vergleiche zu wehren. Weder der ebenfalls ausgezeichnete Günther Groissböck noch die anderen männlichen und weiblichen Preisträger haben etwas dagegen gehabt, sich gemeinsam mit Domingo dekorieren zu lassen.
Apropos Salzburg: Hier der neueste Stand in Sachen Corona aus der Wiener Zeitung und aus dem Kurier. Und als Nachtrag die Premierenkritiken der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit.
Tipps und Links vom 6. und 7. August: Kleiner Nachtrag zur Salzburger „Così fan tutte“ mit den Kritiken von Christian Wildhagen in der Neuen Zürcher Zeitung, von Markus Thiel im Münchner Merkur und zur Ergänzung eine Kritik von Wolf-Dieter Peter aus dem Jahr 2008 über Christoph Loys Frankfurter „Così“-Inszenierung auf Deutschlandfunk Kultur. Diese „Ausgrabung“ hat einige österreichische Kritiker dazu verführt, die jetzige Salzburger Produktion gleich als bloßes Remake abzustempeln, was natürlich blanker Unsinn ist, wenn man berücksichtigt, wann, warum und unter welchen Umständen und Einschränkungen die jetzige Inszenierung entstanden ist. Liebhaber der legendären „Ring“-Inszenierung zum Zentenarium der Bayreuther Festspiele dürften schon mal vorschlafen, denn am 7. August um 20.15 Uhr geht mit dem „Rheingold“ auf ARD-alpha die lange „Ring“-Nacht los. Der Bayerische Rundfunk hat die Einführung zu dieser „Ring“-Marathonon-Sendung schon online gestellt – ein von Maximilian Maier moderierter Film, der mit Zeitzeugen (wie Gabriele Schnaut und Siegfried Jerusalem) und heutigen Akteuren (wie Valentin Schwarz und Jan Philipp Gloger) zurückschaut auf Patrice Chéreaus „Jahrhundert-Ring“ und gleichzeitig neugierig macht auf die Performance „The Loop of the Nibelung“ von Simon Steen-Andersen. Es lohnt sich, beides anzuschauen. Mit einer weiteren guten Nachricht aus Bayreuth kann ich diesmal nicht aufwarten. Aber zumindest mit einer kuriosen, denn von 7. bis 16. August gibt es einen ganz speziellen Audiowalk durch die Festspielstadt.
Tipps und Links vom 4. und 5. August: Die Salzburger „Così fan tutte“ hat viel berechtigten Jubel ausgelöst, ob bei Robert Braunmüller in der Münchner Abendzeitung oder bei Ljubiša Tošic im Standard. Und der österreichische Kurier legt eine Sammlung von Pressestimmen zur Festspieleröffnung vor, darunter auch Kritisches zum Corona-Sicherheitskonzept. Damit die Mutter aller Opernfestspiele nicht ganz in Vergessenheit gerät, vermelde ich gerne, dass die Stadt Bayreuth aus Anlass des 90. Todestags von Siegfried Wagner am 4. August einen Kranz an seiner letzten Ruhestätte auf dem Stadtfriedhof niederlegt. Was mich darauf gestoßen hat, dass ich zwar schon öfter über den Wagner-Kronprinzen, aber noch nichts über sein Ende geschrieben habe. Hier schon mal der Arztbericht von Dr. Hermann Koerber: „Bis gegen Morgen war er noch bei völligem Bewußtsein; von 7 Uhr ab, Montag morgens, den 4. August, nicht mehr, gab aber auf Anruf noch gebrochene Antworten, um mit dem Aussetzen der Atemzüge wiederum in tiefste Bewußtlosikeit zu versinken. Wenige Minuten vor dem Tode öffneten sich die Augen weit, der Blick war groß nach oben gerichtet, die Gesichtszüge wurden auffallend jugendlich, der charakteristische Gesichtsausdruck Siegfried Wagners trat scharf hervor. Um 5.30 Uhr, Montag, den 4. August nachmittags, ist Siegfried Wagner verschieden. Ein eigentlicher Todeskampf ist im erspart geblieben. Zweifellos ist Siegfried ein Opfer der von ihm persönlich durchgeführten Vorbereitungen der diesjährigen Festspiele geworden.“ Peter P. Pachl schreibt in seiner Biographie „Siegfried Wagner. Genie im Schatten“ weiter: „Im Bericht des Assistenzartzes Knopp, der im Unterschied zum Bericht Dr. Koerbers nicht vom Verwaltungsausschuß der Festspiele veröffentlicht wird, sind Siegfrieds letzte Worte festgehalten. Knopp […] bezeugt, daß um ca. 3.30 Uhr am Nachmittag des 4. August Siegfried Wagner als letztes zur Oberschwester gesagt hat: ‚Geh weg!‘ Ohne diesen ‚letzten Worten‘ allzuviel Gewicht beizumessen, ist doch auffallend,“, so Pachl weiter, „daß sie sich gegen das allzu geschäftige Gebaren eines Geschlechts richten, das Siegfried von früh an im Wege stand: als Mutter, als Halbschwester, als Schwester, als Gouvernante, als Ehefrau – und zuletzt als Oberschwester.“ Damit das Datum schnell einen freundlicheren Anstrich bekommt, verweise ich sehr gerne darauf, dass am 4. August 1782 Wolfgang Amadeus Mozart in Wien Constanze Weber geheiratet hat.
Tipps und Links vom 3. August: Aus den vielen „Elektra“-Kritiken habe ich zwei ausgewählt: von Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau und von Ljubiša Tošić im Standard. In letzterer Zeitung gibt es unter dem Titel „Wen repräsentieren die Festspiele?“ einen weiteren lesenswerten Artikel, der nicht nur jubelt. Schnell noch die gute Nachricht aus Bayreuth: Das Festival junger Künstler findet derzeit statt, natürlich unter Corona-Auflagen, dafür aber unter dem Motto „Sommer der Liebe“.
Aus der Fülle von Artikeln zum Festspiel-Zentenarium hier nur diejenigen, die für die Mutigen und Kurzentschlossenen relevant sein könnten. Dass es erstens noch Karten gibt, berichtet BR Klassik (wo auch ein Link für die Rundfunkübertragungen zu finden ist), das Salzburger Hygienekonzept hat Rudolf Braunmüller von der Münchner Abendzeitung sich von Festspiel-Prädidentin Helga Rabl-Stadler erklären lassen und der ORF meldet bereits die kommenden Corona-Tests auf bayerischer Seite. Drücken wir die Daumen, dass alles gut geht! Und zur Sicherheit hier noch die Links zu den Übertragungen der Salzburger Festspiele direkt von deren Homepage sowie von Arte und 3sat. Mit des gestrigen Jubilar Jürgen Kesting und seinem Salzburger Jubiläumsartikel ist dann Schluss. Es macht sich schon gut, so ein lapidares Unser Autor besucht die Salzburger Festspiele seit 1970.
Tipps und Links vom 31. Juli: Morgen starten die Salzburger Festspiele mit ein klein bisschen Wagner (Siegfried-Idyll mit dem West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim am 16. August, Wesendonck-Lieder mit Elina Garanca und den Wiener Philharmonikern und Christian Thielemann am 21. und 22. August) und Karten für Kurzentschlossene, übermorgen starten die Weinviertler Festspiele mit sehr viel Wagner Open-Air (darunter veritable Aufführungen von „Tristan und Isolde“ und dem „Fliegenden Holländer“) und einer Solistenschar, die sich sehen und hören lassen kann). Das Plakatmotiv auch.
Von den leider nur virtuellen Bayreuther Festspiele wird vor allem das ins Netz gerettete Rahmenprogramm „Diskurs Bayreuth“ Wirkung zeigen, denn es bietet Gespräche, die sich lohnen, und mit der Video-Arbeit „The Loop of the Ring“ von Simon Steen-Andersen ungewöhnliche Einblicke ins Festspielhaus. Übrigens hat Kooperationspartner BR für die virtuelle Festspielzeit bisher nicht angekündigte weitere Rundfunk-Archiv-Schätze online gestellt: die „Meistersinger“ von 1952 unter Hans Knappertsbusch und „Parsifal“ von 1953 unter Clemens Krauss (abrufbar bis 14. August). Wie immer verlinke ich gerne auch die aktuellen Streaming-Tipps der Neuen Musikzeitung und als gute Nachricht, dass Stimmenkritikerpapst Jürgen Kesting heute seinen 80. Geburtstag feiert und als hochseltenes Geschenk eine wunderbare Hommage von Cecilia Bartoli in der F.A.Z. bekommen hat.
Tipps und Links vom 30. Juli: Ein vergleichsweise ruhiger Tag, aber das wird sich bald ändern, fangen schließlich am 1. August tatsächlich die ersten Corona-Festspiele in Salzburg an, nicht zuletzt dank Helga Rabl-Stadler, wie Harald Eggebrecht in der Süddeutschen Zeitung schreibt. Die beiden Opernpremieren werden am Eröffnungstag zeitversetzt um 20.30 Uhr und tags darauf um 17 Uhr live auf Arte übertragen. Hier der Link zur Übersicht zu allen Salzburg-Übertragungen, dazu Vorberichte zu „Elektra“ und „Così fan tutte“. Wie unterschiedlich Bayreuth und Salzburg mit Corona umgehen, beleuchtet auch die Kulturdoku Festspielstädte und die Krise am 1. August um 19.20 Uhr auf 3sat.
Tipps und Links vom 29. Juli: Sorry, heute bin ich wirklich spät dran, aber Analoges hat bei mir allemal Vorrang – und Treffen mit realen Menschen, die man länger nicht gesehen hat, dauern halt. Also mache ich es kurz: Heute startet Diskurs Bayreuth offiziell, obwohl beim BR schon gestern das erste Gespräch verfügbar war. Und das lohnt sich, auch wenn es manchmal durchaus seine Längen hat, bis Daniel Barenboim und Thea Dorn sich wirklich warm geredet haben. Über alles Diskursive demnächst mehr. Aus Salzburg kommt die Nachricht, dass Joana Mallwitz mitnichten die erste Frau am Dirigentenpult bei den Festspielen ist. Schon vor ihr haben Julia Jones (2004) und als Einspringerin Anne Manson (1994) Festspielaufführungen geleitet haben. Ändert aber nichts an der Tatsache, das Dirigentinnen immer noch die Ausnahme von der Regel sind. Na ja, die meisten Leser dieses Blogs wissen eh‘ aus berufenem Munde, dass der Prozess der Emanzipation des Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich geht! Gern empfehle ich noch das gestern eingestellte Pop up Wagner-Video Blaue Mädchen von und mit Arabella Hellmann auf der Homepage der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth. Die Vorsitzende des innovativsten Wagnerverbands weltweit kann nämlich auch gut erzählen. Ihrer Initiative ist auch zu danken, dass ehemalige blaue Mädchen am 25. Juli 2020 beim gemeinsamen Picknick im Festspielpark den Genesungswunsch für Katharina Wagner an der Doppeltür des Königsportals angebracht haben.
Tipps und Links vom 7. Juli: Wie ein gut gemachtes virtuelles Festspielprogramm aussieht, kann man an dem sehen, was das Festival von Aix en Provence neben seinen noch weiter laufenden Streamings (siehe weiter unten) anbietet. Seit gestern und noch bis 15. Juli gibt es unter dem Motto #LASCÈNENUMÉRIQUE jeweils ein vierteiliges digitales Tagesprogramm zu einem Schwerpunktthema, das in der Regel die abendliche Opernproduktion (ab 21 Uhr) ist. Was ich mir bestimmt nicht entgehen lasse, sind „Tosca“ am 11. Juli (Regie: Christophe Honoré), das Recital mit Christian Gerhaher und Gerold Huber sowie „Mahagonny“ am 12. Juli, die immer wieder unglaubliche „Carmen“-Inszenierung von Dmitri Tcherniakov am 13. Juli und natürlich das Programm vom 15. Juli, das hier beispielhaft ausführlich vorgestellt sei: Am Morgen ab 7 Uhr gibt es eines der letzten Interviews von Patrice Chéreau zu sehen sowie ein Interview mit seiner Klytämnestra Waltraud Meier (beides an diesem Tag auch später abrufbar), mittags um 12 Uhr folgt die Podiumsdiskussion „Building a future: the Festival in its own region“ mit Festivalleiter Pierre Audi, Maja Hoffmann, Macha Makeïeff, Jean-François Chougnet sowie Timothée Picard als Moderator, um 19 Uhr wird ein Konzert des London Symphony Orchestra unter Duncan Ward mit Werken von Leonard Bernstein, Gabriel Fauré, Hector Berlioz und George Gershwin gezeigt, um 21 Uhr folgt dann, präsentiert von Waltraud Meier, Patrice Chéreaus letzte Opernarbeit, „Elektra“ von Richard Strauss unter der musikalischen Leitung von Esa-Pekka Salonen.
Und gleich nochmal Chéreau: Auf der Homepage der aktuell besonders gebeutelten Pariser Oper, die auch wegen vieler Streiks schon vor Corona aus dem Ruder lief und früher als geplant von ihrem Chef verlassen wurde, findet sich aufschlussreiches Material über den Regisseur, dem die Oper von November 2017 bis März 2018 eine umfangreiche Ausstellung widmete.
Tipps und Links vom 6. Juli: Natürlich sind die virtuellen Bayreuther Festspiele die Meldung des Tages. Aber ehrlich gesagt ist das Programm nicht nur mit ziemlich heißer Nadel und auffallend kurz gestrickt. Sondern es offenbart, dass die BF Medien GmbH zumindest in punkto Publikumsfreundlichkeitnicht besonders gut aufgestellt sein kann. Wie sonst ist zu erklären, dass die aktuelleren Erfolgsproduktionen der Festspiele – wie Tobias Kratzers „Tannhäuser“-Inszenierung von 2019, Barrie Koskys „Meistersinger“ von 2017 und beispielsweise auch der Ratten-„Lohengrin von Hans Neuenfels von 2010 und Stefan Herheims „Parsifal“ von 2008 – nicht wenigstens über die Homepage der Festspiele oder die Mediatheken der TV-Sender gestreamt werden? Alle diese Produktionen wurden über die BF Medien GmbH auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt.
Die aktuellste Festspiel-Produktion der virtuellen Festspiele 2020 ist die letzte „Ring“-Inszenierung unter Kirill Petrenko und Frank Castorf (2013–2017), die allerdings nur im Rundfunk übertragen wird (Aufzeichnung von 2015, Petrenkos letztem Bayreuth-Jahr). Zu sehen gibt es nur zwei schon „historische“ Tetralogien, deren DVDs die meisten Wagnerianer ohnehin im Regal haben: den „Jahrhundert-Ring“ von Patrice Chéreau unter Pierre Boulez (1976–1980) in einer Non-stop-Marathonsendung am 7. und 8. August sowie Harry Kupfers Inszenierung unter Daniel Barenboim (1988–1992) von 25. bis 28. Juli. Davon, dass die Aufzeichnungen auch anschließend und vielleicht bis zum regulären Festspielende (am 29. bzw. 30. August) noch irgendwo gestreamt bzw. gehört werden können, steht bisher nichts in den offiziellen Verlautbarungen. Dass dahinter rechtliche Fragen stehen, liegt auf der Hand. Der Castorf-„Ring“ beispielsweise soll, wie Axel Brüggemann in Crescendo schreibt, nur über die Deutsche Grammophon zu haben sein, die offenbar lieber selber vermarktet. Und welche Rechte hat dann eigentlich noch die BF Medien GmbH?
Soll ich zu dem erst offiziell dementierten und jetzt doch stattfindenden Festspiel-Eröffnungskonzert am 25. Juli live aus Bayreuth noch etwas sagen? Vor allem zu der heißen Frage, wo es veranstaltet wird? Bekanntlich hat Festspiel GmbH-Geschäftsführer Heinz-Dieter Sense, wie der Nordbayerische Kurier am 18. Juni exklusiv meldete, gesagt, dass es am 25. Juli keine Veranstaltung im Festspielhaus geben wird. Auch die Pressemitteilung der Festspiele schweigt sich auffallend zum Veranstaltungsort aus. Auf BR24 ist inzwischen zu lesen, dass BR Klassik das Konzert live aus dem Festspielhaus überträgt. Es ist also ein einziges Kuddelmuddel. Gute Kooperation sieht anders aus. Wie auch immer: Thielemann-Fans dürfen sich jetzt freuen, dass ihr Idol den angekündigten reinen Erholungs- und Besinnungsurlaub am Grünen Hügel nun doch noch mit einem Dirigat versüßen kann. Ach, Bayreuth!
Apropos: Es gibt immer mehr Künstler, die wie der designierte Bayreuth-Wotan Günther Groissböck die Sache selbst in die Hand nehmen und ihr Glück nicht nur in herkömmlichen Formaten suchen: zum Beispiel beim Wagner Open Air am 23. August auf der Seebühne in der Wilhelminenaue. Der Vorverkauf beginnt in Kürze.
Tipps und Links vom 4. und 5. Juli: Warum ich aktuell nicht ganz bei der Sache bin? Weil ich momentan hier bin, wo es keine Opern, sondern nur eine bei jedem Wetter großartige Natur gibt:
Da beschäftigt man sich zwangsläufig weniger mit Tagesaktuellem, sondern mit dem, was nachhaltig ist. Zum Beispiel nachzulesen in der F.A.Z., in der 23-teiligen Serie „Wagners schönste Stellen“ aus dem Jahr 2013. Was die Streams betrifft – das Gros der Opernhäuser stellt mit Saisonende die kostenlosen Angebote von kompletten Opernvideos erstmal ein, dafür ist von den abgesagten und nicht abgesagten Festivals einiges zu erwarten – empfehle ich aktuell neben dem Stuttgarter „Ring“ für Neugierige die Uraufführung von „Ritratto“ (nur noch bis 5. Juli weitgehend werbefrei) aus Amsterdam.
Tipps und Links vom 3. Juli: Ab heute 17 Uhr streamt die Oper Stuttgart ihren legendären „Ring“ unter Lothar Zagrosek von vier verschiedenen Regisseuren in wöchentlichem Wechsel (siehe auch ausführlicher Blog-Artikel dazu). Dazu passt in jedem Fall das Wagner-ABC auf BR Klassik, bei dem es mit Fragen, die wirklich nur für absolute Anfänger schwierig sein könnten, Wagner-Überraschungspakete zu gewinnen. Läuft bis 25. Juli, also bis zum nicht stattfindenden Festspielbeginn 2020. Apropos: Inzwischen ist auch publik gemacht worden, was die Stadt Bayreuth unter dem Slogan „Bayreuth Summertime“ so plant. Es wird vor allem Konzerte aller Art geben (soweit sie den dann geltenden Hygienevorschriften entsprechen), auch in Wahnfried, und auch mit namhaften Bayreuth-Solisten. Die ursprünglich für den Sommer geplante rosalie-Ausstellung hingegen wird in Wahnfried erst ab Anfang Oktober zu sehen sein.
Tipps und Links vom 1. und 2. Juli: Für Festspielfreunde ist heute um 18.30 Uhr der Kulturplatz des TV-Senders TVO ein Muss (siehe Link weiter unten), denn da gibt es das Interview von Ulrike Glaßer-Günther mit Georg Freiherr von Waldenfels, dem Verwaltungsratsvorsitzenden der Bayreuther Festspiele GmbH, in der Langversion. Apropos Bayreuth: Stephan Mösch hat eine kürzere Version seines Symposium-Vortrags bei Diskurs Bayreuth 2019 über die Entstehung des „Jahrhundert-Rings“ 1976 in der F.A.Z. veröffentlicht. Und zweitens kommt aus der Festspielstadt die Meldung, dass es ab 6. Juli wenigstens Führungen im Festspielhaus gibt, die sonst um diese Jahreszeit aus bekannten Gründen nicht möglich sind. Und drittens kann man das Interview von Roman Kocholl mit „Ring“-Regisseur Valentin Schwarz, das im Nordbayerischen Kurier nur für Abonnenten bzw. Zahlungswillige zu haben ist, jetzt kostenlos in der Stuttgarter Zeitung lesen.
Wer unschlüssig ist, was er heute oder morgen Abend streamen will, dem lege ich Vincenzo Bellinis „I puritani“ aus Stuttgart ans Herz. Eine großartige Aufführung, zu der auch folgender Tagebucheintrag von Cosima Wagner animieren mag:
Sonnabend 3ten August [1872] R. singt eine Kantilene aus den „Puritanern“, dabei bemerkend, daß Bellini solche Melodien gehabt, wie sie schöner nicht geträumt werden können. Dabei gedenkt er Rubini’s, wie wundervoll er dies gesungen, und meint: „Auf ganz andre Wege müssen unsere deutschen Sänger sich begeben, diese Begabung haben sie nicht; durch das, was ihnen versagt ist, müssen sie sich zu Unerhörtem aufschwingen, wie Wieland durch die fehlenden Füße zum Fliegen gebracht wurde.“
Und weil ich es heute mit Zitaten habe, gleich noch eine schöne Beethoven-Sentenz:
Donnerstag 1ten Juli [1869] Die Freude des Tages war heute die Ankunft des Portraits Beethoven’s, welches R. hat kopieren lassen (nach dem von Härtel besessenen Original). Wie einen Freund und Wohltäter empfangen wir den Großen, und R. sagt, wir haben Freuden, die keine andren haben, wir führen ein Leben wie wenige. [ …] Noch einmal auf das Portrait Beethoven’s zurückkommend sagt mir R.: „Ich verdanke dir auch diese Freude, ohne dich wäre ich niemals dazu gekommen, an so etwas zu denken, ich wäre aufgeregt geblieben und verrückt.“
Tipps und Links vom 27. und 28. Juni: Nikolaus Bachler, noch Intendant der Bayerischen Staatsoper, geht in seine letzte Saison und hat sich in einem ausführlichen, nicht frei zugänglichen Interview mit Egbert Tholl in der Süddeutschen Zeitung so freiherzig gegen die zu praktizierenden Corona-Verordnungen geäußert, dass es die wesentlichen Sätze auch kostenlos in einer Kurzversion der Deutschen Presse-Agentur gibt. Seinen Satz „Unser Publikum ist das artigste unter der Sonne“ hat Herausgeber Anton Cubak vom Online-Merker treffend wie folgt kommentiert: „Genau das ist der Fehler, die Deutschen sind obrigkeitshörig bis zum ‚Geht nicht mehr‘. Nikolaus Bachler ist geborener Österreicher (Steirer) und fühlt sich deswegen im Kampfmodus wohl!“ Stellt sich noch die Frage, ob die Bayerische Staatsoper zu denjenigen gehört, die alle ihre coronageschädigten Künstler anständig behandelt. Markus Thiel beschreibt die Misere im Münchner Merkur, die unter anderem auch den Skandal um Beethovens Neunte unter Jonathan Nott in Genf (auf Arte nur noch heute verfügbar!) einbezieht. Und nicht vergessen: Am Sonntag um 18 Uhr „Wahnfried“ aus Karlsruhe! Hier nochmals die Links zu den Premierenkritiken auf BR Klassik, aus der F.A.Z. und von der „Deutschen Bühne“.
Tipps und Links vom 26. Juni: Heute mache ich mal hemmungslos Werbung für das Staatstheater Nürnberg, das in seinem Sommerspielplan ebenfalls einiges live zu bieten und flexibel in den kommenden Saisonbeginn geht. Zum gestrigen Stream-Tipp für Sonntag mit der „Wahnfried“-Uraufführung aus Karlsruhe liefere ich gerne noch ein paar Kritiken nach: von BR Klassik, aus der F.A.Z. und von der „Deutschen Bühne“. Wer jetzt noch nicht weiß, was er opernmäßig am 28. Juni um 18 Uhr machen soll, dem ist nicht mehr zu helfen.
Bleibt noch Zeit für eine Wagnersche Beethoven-Sentenz: „Es ist ein bezauberter Zustand, in den wir gerathen, wenn wir bei der Anhörung eines echten Beethoven’schen Tonwerkes in allen den Theilen des Musikstückes, in welchen wir bei nüchternen Sinnen nur eine Art von technischer Zweckmäßigkeit für die Aufstellung der Form erblicken können, jetzt eine geisterhaftige Lebendigkeit, ein bald zartfühlige, bald erschreckende Regsamkeit, ein pulsirendes Schwingen, Freuen, Sehnen, Bangen, Klagen und Entzücktsein wahrnehmen, welches alles wiederum nur aus dem tiefsten Grunde unseres eigenen Inneren sich in Bewegung zu setzen scheint.“ Natürlich meint er damit sich selber sicher auch, oder?
Tipps und Links vom 25. Juni: Heute ist ein Tag, wo die unterschiedlichen Corona-Maßnahmen der einzelnen Länder sich besonders eindrucksvoll darstellen. Auch der BR hat sich ausgiebig mit der befremdlichen Tatsache beschäftigt, dass Abstandsregeln in Flugzeugen außer Kraft gesetzt sind. Und während man in Österreich schon bald auch die Tausender-Regel kippt und ab September, wie der Standard berichtet, richtige Großveranstaltungen möglich sein könnten, breitet sich in den Konzert- und Opernhaussälen in Bayern weiter Trostlosigkeit aus. Am schönsten beschreibt das in seiner Kurzkritik „Was möglich ist“ wieder einmal Egbert Tholl in der Süddeutschen Zeitung, die in der prägnanten Feststellung gipfelt, dass „Bayern über den für die Kunst offenkundig nutzlosesten Kunstminister aller Bundesländer verfügt“. Im SZ-Feuilleton steht außerdem, dass und wie Andrew Lloyd Webber als Londoner Musical-Großunternehmer schon demnächst Aufführungen mit Vollauslastung durchführen will.
Wagner-Freundin Dagmar verdanke ich folgenden Stream-Tipp für Sonntag. Sie schreibt über die „Wahnfried“-Produktion des Badischen Staatstheaters Karlsruhe von 2017: „Wir waren in der Uraufführung und in der Wiederaufnahme-Premiere und fanden die Produktion gerade für Wagnerfreunde sehr interessant. Musikalisch waren zwar nicht alle Sänger auf gleichem Niveau, aber die Inszenierung ist ein MUSS für alle Wagnerfans.“ Das Theater veranstaltet am Sonntag, 28. Juni, ab 18 Uhr im Foyer ein Public Viewing der DVD, gleichzeitig wird die Oper von Avner Dorman unter GMD Justin Brown in der Inszenierung von Keith Warner gestreamt. Entweder auf der Webseite des Staatstheaters, wo es auch ein Einführungsvideo gibt, oder auf dem entsprechenden YouTube-Kanal. Sollte man sich unbedingt vormerken!
Tipps und Links vom 24. Juni: Die Corona-Probleme kann man auch daran ablesen, wie die Bayerische Staatsoper in die neue Saison geht. Immerhin konnte sich Nikolaus Bachler doch noch die verschobene Uraufführung von Marina Abramovićs Opernprojekt „7 Deaths of Maria Callas“ sichern (die ursprünglich zu dieser Zeit schon an der Deutschen Oper Berlin geplant war), die „Elektra“-Neuinszenierung hingegen musste abgesetzt werden, angeblich zu Lasten der Solisten, wie im heutigen Online-Merker beklagt wird. Im Tagesspiegel wird Monika Grütters zur verzweifelten Lage vieler Künstler befragt, während die Feuilletonisten unisono die exklusiven „Don Carlo“-Auftritte von Anna Netrebko an der Semperoper bejubeln – zum Beispiel in der F.A.Z., in der Süddeutschen und in der Neuen Musikzeitung. Übrigens bietet die Deutsche Oper Berlin aktuell im Videostream „Jenufa“ in einer Hörfassung für blinde und sehbehinderte Menschen. Bleibt zum guten Schluss wieder ein Beethoven-Ausspruch Richard Wagners: „Durch die konventionellen Formen der Musik zu ihrem innersten Wesen in der Weise durchgedrungen zu sein, dass er von dieser Seite her das innere Licht des Hellsehenden wieder nach außen zu werfen vermochte, um auch diese Formen nur nach ihrer inneren Bedeutung uns zu zeigen, dies war das Werk unseres großen Beethoven.“
Tipps und Links vom 23. Juni: Über das „Meistersinger“-Projekt auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände berichtet jetzt auch der SWR. Wer noch mehr wissen will, wird beim Online-Merker unter Aktuelles vom 23. Juni fündig. Dort erläutert der Regisseur selbst sein Konzept. Lehrreich ist sicher das Vier-Minuten-Video von Kammersänger und Bayreuth-Legende Bernd Weikl, der anschaulich das Instrument des Opernsängers erklärt und damit sagen will, dass die Atmung von professionellen Sängern auch in Corona-Zeiten keine Gefahr darstellt. Bleibt zum guten Schluss noch ein Beethoven-Ausspruch Wagners: „Er gleicht zu jeder Zeit einem wahrhaft Besessenen; denn von ihm gilt, was Schopenhauer vom Musiker überhaupt sagt: dieser spreche die höchste Weisheit aus, in einer Sprache, die seine Vernunft nicht verstehe.“
Tipps und Links vom 22. Juni: Mein heutiger Tipp kann zwiespältiger gar nicht sein: Einerseits lohnt es sich bestimmt, sich in der Arte-Mediathek das gestern gesendete „Geister-Konzert“ mit Beethovens Neunter aus der Genfer Victoria Hall unter Jonathan Nott zu holen (bis einschließlich 27. Juni). Als Hommage an Ludwig van Beethoven interpretieren das Orchestre de la Suisse Romande, Chöre des Grand Théâtre de Genève und der Zürcher Sing-Akademie sowie die Solisten, verteilt auf der Bühne, im Parkett und in den Logen, eine bisher unveröffentlichte Fassung in einem „originellen szenischen Konzept mit innovativen Visuals“. Andererseits muss dazu gesagt sein, dass die gebuchte Solistenbesetzung für das kurzfristig abgesagte und dann doch am geplanten Termin durchgeführte Konzert ohne Abfindung schnöde ausgebootet wurde. Man darf gespannt sein, wie die Verantwortlichen das erklären. Der coronabedingt umgemodelte Konzertsaal in Genf steht übrigens nicht allein da: Auch die Bayerische Staatsoper hat ihren Orchestergraben modifiziert. Um noch bei Beethoven zu bleiben: Die diversen Einführungen in der Arte-Mediathek sind ein Hit: hier der Link zur Neunten (verfügbar bis 18. September). Und Bayreuth? In seinem Wochen-Kommentar lässt Axel Brüggemann von Crescendo wenigstens die Bratwürste hochleben. Jetzt bleibt nur noch eine schöne Sentenz von Richard Wagner über Beethoven: „Er ist der Held, der das weite uferlose Meer der absoluten Musik bis an seine Grenzen durchschiffte.“
Tipps und Links vom 21. Juni: Das verschobene Jubiläumsjahr-Beethovenfest unter Wagner-Urenkelin Nike Wagner schaut gezielt nach vorne, einen Blick in die nähere Zukunft der Festival- und Opernwelt wirft Manuel Brug in der „Welt“ nach dem Motto Ein bisschen Event geht immer. Wobei er unter anderem auch erwähnt, dass in den U.S.A. praktisch gar nichts mehr geht. In der New York Times kann man konkret nachlesen, wie es den Musikern der Met ergangen ist. Hierzulande, genauer gesagt in Bayern, hat Corona unter anderem auch ein spektakuläres Projekt zur Bewerbung der Stadt Nürnberg als Kulturhauptstadt 2025 stillgelegt: die Inszenierung einer stark bearbeiteten Version von Richard Wagners „Meistersingern“ durch den Regisseur Selcuk Cara im ehemaligen Reichsparteitagsgelände. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat darüber zahlungspflichtig schon am 9. Juni berichtet, im Rundfunk gibt es dazu auf Bayern2 seit gestern ein Interview mit Cara.
YouTube-Link vom 20. Juni: Die Sänger*innen Camilla Nylund, Gabriela Scherer, Barbara Frittoli, Julia Borchert, Marie-Claude Chappuis, Michael Volle, Ian Storey, Günther Groissböck, Massimo Giordano, Stanislas de Barbeyrac und Riccardo Zanellato sowie die Journalistin Elke Heidenreich haben sich zusammengeschlossen, um ihren Appell #bringbacktheculture an Politik und Veranstalter zu senden: Schützt und wahrt die Kunst in all ihren Formen.
Tagestipp und Links vom 19. Juni: „Kein Konzert – Festspielhaus bleibt leer“ titelte gestern gegen Abend Roman Kocholl vom Nordbayerischen Kurier online in seinem Bezahlartikel. Der Redakteur bekam die Auskunft direkt von Heinz-Dieter Sense, dem Geschäftsführer der Festspiel-GmbH, der derzeit die erkrankte Geschäftsführerin Katharina Wagner vertritt. Demnach wird es am 25. Juli, normalerweise Eröffnungstag der Bayreuther Festspiele, keine Veranstaltung im Festspielhaus geben. Was die Stadt Bayreuth als alternatives Kulturprogramm im Sommer bieten will, steht detailliert noch nicht fest.
Und noch eine Nachricht aus dem Pressebüro des Festspielhauses: In der Sitzung des Verwaltungsrats der Bayreuther Festspiele vom 17. Juni wurde Georg Freiherr von Waldenfels zum Vorsitzenden gewählt. Er ist in dieser Funktion Nachfolger von Toni Schmid, über den ich mir seit bald zwanzig Jahren immer wieder die Finger wund geschrieben habe. Von Waldenfels gehört diesem Festspielgremium seit 2008 an. Seit 1999 ist er im Vorstand der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth und seit Juni 2010 deren erster Vorsitzender und Schatzmeister. Der Jurist und CSU-Politiker wurde 1978 zum Staatssekretär im bayerischen Wirtschaftsministerium berufen, 1987 wurde er bayerischer Staatsminister für Bundesangelegenheiten, 1990 Bayerischer Staatsminister der Finanzen. Man darf gespannt sein, was sich durch diese Personalie verändert. Ach, Bayreuth!
Dem kann ich jetzt nur den Rundgang Nacht in Neuschwanstein aus der Süddeutschen Zeitung entgegensetzen. Der ist einfach zu schön, um im Tagesgeschäft unterzugehen.
Tagestipp und Links vom 18. Juni: Ob und was am 25. Juli im Bayreuther Festspielhaus geboten wird, war bis heute mittag natürlich noch nicht raus. Man kann das Abwarten der Festspielverantwortlichen verstehen, denn die jüngsten Hygieneregelungen der Bayerischen Staatsregierung legen eine Veranstaltung mit Publikum immer noch nicht nahe. Und nur für ein Geisterkonzert im Radio Orchestermusiker und Solisten nach Bayreuth holen? Die Münchner Abendzeitung hat sich ausführlich mit den praktischen Auswirkungen der Vorschriften befasst und titelt mit Ex-Kunstminister Wolfgang Heubisch. Der amtierende Kunstminister Bernd Sibler lässt derweil unter anderem seine stellvertretende Pressesprecherin „O Happy Day“ singen, denn ab 22. Juni dürfen in Bayern auch Laienchöre wieder proben – unter Schutz- und Hygienekonzepten, die aktuell noch gar nicht vorliegen. Wie es in Orchestern zugeht, beschreibt die Reportage „Der Spucknapf muss noch umziehen“ auf concerti. Während man allerorten eher kleine Brötchen backt, sind die Bamberger Symphoniker offenbar wild entschlossen, von 29. Juni bis 5. Juli ihren Mahler-Dirigenten-Wettbewerb durchzuführen – mit Teilnehmern und Jury-Mitgliedern aus aller Welt. Wenn man weiß, wie sehr die Bamberger Abonnenten die öffentlichen Wettbewerbsdurchgänge lieben und frequentieren, fragt man sich allerdings, wie groß die Abstriche für sie sein werden. Ein Mahler-Wettbewerb fast ohne Publikum?
Der durch Corona in diesem Sommer in Bayreuth arbeitslos gewordene „Ring“-Regisseur Valentin Schwarz erarbeitet aktuell an der Stuttgarter Oper ein Open-Air-Projekt mit dem Titel „Demo(kratie) – Ein Bühnenfreifestspiel“, beim Nordbayerischen Kurier steht das ausführliche Interview kostenpflichtig im Netz. Kostenlos bietet müpa Budapest ab heute nochmals sieben Wagner-Abende: jeweils ab 18 Uhr der halbszenische komplette „Ring“ unter Adam Fischer (18. bis 21. Juni) mit jeweils unterschiedlichen Interpreten für Wotan (Egils Silins, Johan Reuter und Tomasz Konieczny), Alberich (Martin Winkler, Oskar Hillebrandt, Hartmut Welker), Brünnhilde (Evelyn Herlitzius, Elisabet Strid und Irene Theorin) und Siegfried (Daniel Brenna und Stefan Vinke), danach noch die „Meistersinger“ (24. Juni) mit James Rutherford, Bo Skovhus, Klaus Florian Vogt und Annette Dasch, „Holländer“ (26. Juni) mit James Rutherford und Elisabet Strid sowie „Tannhäuser“ (27. Juni) mit Stephen Gould, Markus Eiche, Sophie Koch und Tünde Szabóki, die dem hiesigen Publikum als Kundry und Leonore in Coburg in guter Erinnerung ist.
Tagestipp und Links vom 17. Juni: Ob die Bayreuther Festspiele bzw. die BF Medien GmbH bis zum 25. Juli ein Streaming-Programm auf die Reihe kriegen? Wenn man den Zustand bzw. die mangelhafte Pflege der hauseigenen Homepage bedenkt, möchte man fast bezweifeln, dass das noch was wird. Die ARD macht hingegen schon mal Nägel mit Köpfen und bietet in ihrem gerade veröffentlichten Radiofestival 2020 unter anderem von 25. bis 28. Juli einen kompletten „Ring“ aus Bayreuth an. Welche Produktion aus welchem Jahr steht noch nicht fest. Womöglich beisst sich der Anfangstermin auch noch mit dem in Planung befindlichen Sonderkonzert (siehe Links vom 16. Juni weiter unten), das laut Crescendo vom BR übertragen werden könnte. Ob das Konzert stattfindet, soll noch heute entschieden werden. Den Link zu einer Corona-Konzertkritik aus dem Online-Merker setze ich aus zwei Gründen: Erstens beschreibt Susanne Kittel-May eingängig, wie sich so ein Arien-Programm im fast leeren Saal anfühlt (wobei ich ihre Anmerkung zu König Ludwig II., der unter anderem einfach nicht ständig von anderen Besuchern angestarrt werden wollte, nicht ganz teile). Und zweitens war einer der Mitwirkenden des Gärtnerplatztheaters, der Bassist Christoph Seidl, 2012 unser Stipendiat.
Tagestipp und Links vom 16. Juni: Was erstmals in meinem Blog vom 12. Juni über Christian Thielemann stand, nämlich dass die Bayreuther Festspiele womöglich um den 25. Juli herum ein paar Konzerttermine mit ihrem Musikdirektor planen, ist inzwischen auch andernorts zu lesen. Axel Brüggemann hat die Sache in seinem Wochenkommentar in Crescendo aufgegriffen, heute mittag folgte der Nordbayerische Kurier in Bayreuth mit dem Hinweis, „dass zur Entscheidungsfindung für oder gegen ein solch ungewöhnliches Event für diesen Mittwoch eine Sitzung anberaumt wurde“. Zum Parkdeck-„Rheingold“ in Berlin reiche ich gerne noch Besprechungen des BR, der F.A.Z. nach sowie einen zusammenfassenden Bericht über die zaghafte Rückkehr der Live-Kultur im Deutschlandfunk Kultur. Zum Abschluss ein kleines Video aus der Reihe Semperoper zuhause mit Camilla Nylund, René Pape und Klaus-Florian Vogt und die etwas längeren Reflections of Hope der Bamberger Symphoniker. Apropos: Heute Abend streamt die Wiener Staatsoper „Die Sache Makropoulos“ unter Jakub Hrůša.
Tagestipp und Links vom 15. Juni: Bin wieder zurück aus Venezia, das ich erstmals in meinem Leben als genuine italienische Stadt empfunden habe, weil endlich einmal die ausländischen Touristen sich sehr weit in Unterzahl befanden und überall fast nur die Landessprache zu hören war. Ganz zu schweigen von der wundersamen Leere und Stille, dem sauberen Lagunenwasser und der klaren Luft … Seit 1976, als Paul Mc Cartney und seine Wings im September zur Rettung der Serenissima auf dem Markusplatz aufspielten, war ich immer wieder dort. Insgesamt 224 Tage habe ich in Venedig verbracht, was aber nicht viel ist, wenn man bedenkt, dass Richard Wagner es bei seinen nur sechs Aufenthalten dort auf 359 Tage gebracht hat (schnell zusammengerechnet, daher ohne Haftung!). Jetzt hat die hiesige Coronawelt mich wieder – Zeit und Muße, für eine Sendung des Deutschlandfunks Kultur: die Wiederholung der Langen Nacht über musikalische Autorität und politische Anpassung mit dem Titel „Allen Gewalten zum Trotz?“ aus dem Jahr 2016 kann man nachhören und nachlesen, mit einigen Wortmeldungen auch von Christian Thielemann. Im aktuelleren Festspielgeschehen leuchtet Helga Rabl-Stadlers Glanz aus Salzburg nach München, wo Susanne Schneider von der Süddeutschen Zeitung überzeugend die Festspielpräsidentin porträtiert, während Reinhard J. Brembeck mit seinem besinnungslosen Programm-Jubel mal wieder ziemlich daneben liegt. Bleibt noch Julia Spinolas „Rheingold“-Kritik aus Berlin, dann ist für heute Schluss.
Tagestipp und Links vom 13. und 14. Juni: Heute etwas spät, denn zumindest die ersten Kritiken zum verkleinerten „Rheingold“ der Deutschen Oper Berlin auf dem Parkdeck mussten abgewartet werden. Ausführliche Besprechungen gibt es u.a. (in alphabetischer Reihenfolge) von Manuel Brug in der Welt, Peter P. Pachl in der Neuen Musikzeitung, Peter Uehling in der Berliner Zeitung und Ingobert Waltenberger im Online-Merker. Eine Fahrt zum kompletten Berliner „Rheingold“ stand auch im Reiseplan des RWV Bamberg und firmiert jetzt unter ABGESAGT. Jetzt wollen wir hoffen, dass es wenigstens mit der „Walküre“ was werden könnte … Etwas Trost, aber leider nur digital, kommt demnächst aus Stuttgart: Ab 3. Juli wird der von vier Regisseuren inszenierte „Ring des Nibelungen“ aus den Jahren 1999/2000 gestreamt: Aufsehenerregend waren die vier Lesarten von Wagners monumentalen Musikdrama von Joachim Schlömer, Christof Nel, Jossi Wielers und Peter Konwitschny mit dem durchgöngig am Pult agierenden Lothar Zagrosek. Sollte man sich vormerken, denn es lohnt sich!
Tagestipp und Links vom 12. Juni: Wie es weiter geht, will jeder wissen, besonders auch die Opernintendanten der großen deutschsprachigen Häuser, die sich mit Monika Grütters besprochen haben. Nikolaus Bachler von der Bayerischen Staatsoper war bestimmt auch dabei und hat eine dezidierte Meinung dazu. Immerhin hat er sich, was in Bayern ja nicht einfach war, erkämpft, die letzten drei Montagskonzerte (am 15., 22. und 29. Juni), darunter das dreizehnte und letzte mit Jonas Kaufmann unter Kirill Petrenko, vor einem fünfzig Personen umfassenden Publikum zu veranstalten. Nur noch heute bis 17 Uhr ist der „Parsifal“ aus Stuttgart zu sehen, danach folgt unmittelbar die Dokumentation über die Arbeit an Calixto Bieitos Neuinszenierung. Und unbesehen empfehle ich ab heute Abend „Moses und Aron“ aus der Komischen Oper Berlin.
Links vom 11. Juni: Wie man oben sieht, bin ich seit gestern in Venezia, wo am späteren Nachmittag ein Gewitter mit richtig viel Hagel runterging. Passend dazu der Link des Tages zur Lage in Salzburg. Zu den Streams kann ich mich in den nächsten Tagen nicht konkret äußern, denn ich gucke jetzt lieber in die Lagune …
Tagestipp und Links vom 9. und 10. Juni: Heute hat Wagner-Urenkelin Nike Wagner einen halbrunden (?) Geburtstag. Auch die Deutsche Welle hat sich ihr ausgiebig gewidmet. Dass die „Geborgenheit in der Festspielfamilie“ ein Qualitätsfaktor sein kann, erläutert Wilhelm Sinkowicz in einem Kommentar in der „Presse“: Ausgehend von der Vertragsverlängerung für Helga Rabl-Stadler in Salzburg streift er weitblickend auch die aktuellen Probleme in Bayreuth. Günter Groissböck, der designierte Bayreuther Wotan, hat am Samstag an der Wiener Staatsoper unter anderem schon mal eine Wotan-Kostprobe gegeben (als erste Zugabe, nach etwa eineinhalb Stunden). Und Andreas Schager, designierter Bayreuth-Siegfried, fordert in einem kostenpflichtigen Interview im Nordbayerischen Kurier Kurzarbeitergeld für freischaffende Künstler und antwortet auf die Frage, ob er eine Ausfallzahlung bekommt: „Ich habe noch nichts gehört, auch von Bayreuth nicht. Aber ich appelliere an alle, anständige und vernünftige Lösungen zu machen.“ Was zumindest insofern von der Oper Leipzig gemeldet wird, als diese an der geplanten „Lohengrin“-Inszenierung Katharina Wagners festhalten will.
P.S. Gestern hatte ich schon wieder vergessen, am Anfang das aktuelle Datum einzufügen. Bitte um Nachsicht! Die Corona-Zeit ist eben ein sonderbar Ding.
Tagestipp und Links vom 8. Juni: Uwe Eric Laufenberg hat am Staatstheater Wiesbaden hierzulande als Erster Aufführungen vor Publikum durchgeführt, am Samstag konnte er als Einspringer sich sogar selbst in einer Vorstellung von Becketts „Warten auf Godot“ einbringen. Wie Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung berichtet, war das Ergebnis für das Publikum eher einschläfernd. Mein geschätzter Kollege Alexander Dick hat in der Samstagsausgabe der Badischen Zeitung ausgeführt, warum Kunst und Kultur ein Publikum brauchen. Was derzeit aber bekanntlich nur unter erheblichen Einschränkungen möglich ist: Man muss nur die schweizerischen Corona-Schutzkonzepte für Freilichtveranstaltungen lesen. Oder die „Hygieneregeln für Ihre Sicherheit“, mit denen die Bayerische Staatsoper ihre neue Kammermusikreihe „Streifzüge am Mittwoch“ garniert. Apropos: Heute werde ich mir endlich den Münchner Staatsopern-„Orfeo“ gönnen. Dem Premierenbesuch 2014 bescherte ein elend langer Stau auf der A9 das vorzeitige Ende, was mir als Gerhaher-Fan sehr weh tat. Insgesamt ist das in meiner jahrzehntelangen Kritikerlaufbahn bisher erfreulicherweise nur drei Mal passiert. Liegt wahrscheinlich auch an dem notwendigerweise immer großzügiger bemessenen Zeitfenster für längere Opernfahrten. Komisch, dass man sich in Corona-Zeiten plötzlich auch an sowas erinnert …
Tagestipp und Links vom 7. Juni: Das nächste Interview zum 75. Geburtstag von Nike Wagner ist im Generalanzeiger Bonn erschienen. Das deutsche Musikleben als Wirtschaftsfaktor beleuchtet Wolfgang Sandner in der F.A.Z., das konkrete Wiedererwachen von eben diesem Musikleben beschreibt Michael Stallknecht in der Süddeutschen als Wunder von Bochum. Genug Sonntagslektüre. Auch wenn er nichts für Zartbesaitete ist: Der Stuttgarter „Parsifal“ ist unbedingt sehenswert – und ist gleichzeitig, weil für die Wiederaufnahme 2018 fast alle Solisten neu in die Produktion kamen und erst einstudiert werden mussten, ein Beleg dafür, dass Valentin Schwarz das Regiehandwerk ausgezeichnet beherrscht. Das weckt Vorfreude auf seinen Bayreuther „Ring“ …
Tagestipp und Links vom 6. Juni: Heute ist der 151. Geburtstag von Siegfried Wagner, von dem, wenn Corona es mit ihm gut meint, im festspiellosen Festspielsommer in Bayreuth zwei Werke, nämlich „Rainulf und Adelasia“ sowie „Sonnenflammen“ im Markgräflichen Opernhaus aufgeführt werden sollen. Zur aktuellen Lage hat sich vor seinem „Geister“-Konzert mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ausführlich Simon Rattle geäußert. Dass es Musikern bei uns noch relativ gut geht, unterstreichen die schlechten Nachrichten aus New York. Was das Streamen betrifft, kann ich nur jedem nochmals dem Amsterdamer „Ring“ (bis einschließlich 7. Juni, 19 Uhr?) empfehlen. Alles andere kann warten.
Tagestipp und Links vom 5. Juni: Am 9. Juni wird Wagner-Urenkelin Nike Wagner 75 Jahre alt. Britta Schultejans von der dpa hat sie porträtiert und interviewt, die Neue Musikzeitung (nmz) hat den Artikel mit „Nochmal Bayreuth? ‚Um Gotteswillen!‘ “ übertitelt. Apropos: Bayreuth sieht im Vergleich mit Salzburg, was die Rückabwicklung der Festspielkarten betrifft, wie ich meine, nicht sonderlich gut aus. Immerhin gibt es finanzielle Lichtstreifen am Horizont. Auch Festivals sollen Unterstützung beim zusätzlichen Hilfsprogramm der Bundesregierung finden: Monika Grütters hat gestern Zahlen und Details präsentiert, wie u.a. der Tagesspiegel berichtet.
Die aktuellen Streaming-Tipps der nmz verlinke ich besonders gerne, denn Joachim Lange empfiehlt ebenfalls den Stuttgarter „Parsifal“. Gezeigt wird nicht die Premierenbesetzung mit Andrew Richards, sondern eine Aufzeichnung von 2018, in der ein Großteil der Partien neu besetzt wurde. Diese Wiederaufnahme wurde szenisch vom designierten Bayreuther „Ring“-Regisseur Valentin Schwarz einstudiert. Ich kann bestätigen, dass er seine Sache sehr gut gemacht hat, denn ich habe die Bieito-Inszenierung zweimal im Premierenjahr 2010 und einmal 2018 erlebt und empfand die spätere Version sogar noch stärker. Was sicher auch mit der unbändigen Spielfreude von Daniel Kirch als Parsifal zu tun hat, der der Titelfigur sängerdarstellerisch tatsächlich ein noch intensiveres Profil zu geben vermochte. Bis 12. Juni 17 Uhr, danach ist eine Woche lang die Dokumentation „Die singende Stadt“ von Filmemacher Vadim Jendreyko zu sehen, der das Werden der Bieito-Neuinszenierung begleitet hat.
Tagestipp und Links vom 4. Juni: Kleinere Konzertformate sprießen jetzt schon überall aus den coronageschädigten Opernhäusern: Die Bayerische Staatsoper hat nach ihren Montagskonzerten (Fortsetzung am 8. Juni um 20.15 Uhr mit Konzert Nr. 10) mit „Fester Samstag – Freier Sonntag“ flugs noch zwei neue Reihen für ein zwar nicht zahlreiches, aber nach aktuell gültigen Hygieneregeln betreutes Publikum aufgelegt. In Frankfurt gibt es regelmäßig Kammermusik auf der Bühne und Liederabende, die Oper Stuttgart bietet ab 6. Juni ein Sommerprogramm in der Liederhalle, 1:1-Konzerte und ab 8. Juni etwa einstündige Spektakel für Besucher in Autos auf dem Cannstatter Wasen, beginnend mit der „Geschichte vom Soldaten“. Im Interview mit Susanne Hermanski in der Süddeutschen Zeitung spricht derweil Geigerin Anne Sophie Mutter Klartext über die wacklige Zukunft des neuen Konzertsaals in München. Meinen Tagestipp von gestern erneuere ich: Schnell noch mal wenigstens Teile aus dem Amsterdamer „Ring“ gucken (bis 7. Juni), denn ab morgen 17 Uhr gibt es Wagner-Konkurrenz aus Stuttgart mit Calixto Bieitos „Parsifal“-Inszenierung von 2010, die ich insgesamt dreimal erlebt habe und die in meiner Bestenliste die Nummer 1 ist, noch vor den Bayreuther Inszenierungen von Christoph Schlingensief und Stefan Herheim.
Tagestipp und Links vom 3. Juni: Kaum habe ich geschrieben, dass Wagneropern mit Chor und Orchester so ziemlich das letzte sein werden, was irgendwann wieder vor versammeltem Publikum aufgeführt werden kann, da prescht die Deutsche Oper Berlin vor mit der Ankündigung einer 90-Minuten-Fassung des „Rheingolds“ auf dem Parkdeck des Hauses ab 12. Juni (mit vier weiteren Vorstellungen). Okay, ein Chor wird nicht gebraucht, und die halbszenische, 1990 in Birmingham uraufgeführte „Ring“-Kammerversion des britischen Komponisten Jonathan Dove sieht hier immerhin 22 Musiker*innen und 12 Sänger*innen vor. Wenn Froh und Mime in der Besetzung nicht vorkommen, kann man sich ausrechnen, welche Szene rabiat zusammengestrichen wurde. Nur, wer hat dann den Ring geschmiedet? Es dirigiert Donald Runnicles, Solisten sind die Protagonisten der wegen Corona noch nicht aufgeführten „Rheingold“-Neuinszenierung von Stefan Herheim. Wenn ich in Berlin wäre, würde ich mir diese Rarität nicht entgehen lassen. Aber so bleibe ich lieber in Franken und empfehle allen Wagnerfreunden mit Entzugserscheinungen, sich unbedingt und gegebenenfalls nochmals den Amsterdamer „Ring“ anzuschauen. Laut Dirigent Hartmut Haenchen haben sich schon über 100 000 (!) Opernliebhaber diese Tetralogie auf ihren Bildschirm geholt, die noch bis 7. Juni kostenlos gestreamt werden kann. Es lohnt sich ganz bestimmt!
Links vom 2. Juni: Wer realistisch ist, der weiß, dass Wagneropern mit Chor und Orchester so ziemlich das letzte sein werden, was irgendwann wieder vor versammeltem Publikum aufgeführt werden kann. Einsicht ist angesagt, und Geduld. Peter Gelb von der New Yorker Met macht sein Haus erst zum Jahreswechsel wieder auf, während die europäischen Konzert- und Opernhäuser vorsichtig versuchen, ihren Vorstellungsbetrieb wieder aufzunehmen. Wie die Münchner Philharmoniker ihren goldenen Weg durch die Krise suchen, beschreibt Robert Braunmüller in der Abendzeitung. Auch das Opernhaus Zürich macht nach München, Wiesbaden und Frankfurt erste Schritte, die Kunstpause zu beenden.
Tagestipps und Links vom 1. Juni: Die Radiogala im Opernhaus Chemnitz dauerte über drei Stunden und war ein eindrucksvolles Lebenszeichen von neunzehn mitteldeutschen Theatern, die nicht nur Solisten und Musiker für die musikalischen Beiträge auf der Bühne des Opernhauses entsandten, sondern für die Interviewblöcke aus dem Foyer mit Ausnahme der Semperoper auch jeweils durch ihre Intendanten präsent waren. Zusammen mit Elisabeth Stöppler, der Regisseurin der Chemnitzer „Götterdämmerung“, wurde auch unser Mitglied Karlheinz Beer zur Situation von freischaffenden bildenden Bühnenkünstlern befragt. Bei den Sängerinnen und Sängern, Musikerinnen und Musikern dieser Radiogala ohne direktes Publikum – zu den fünf bis acht Besuchern mit Applausverbot, die sich im 1. Rang verlieren durften, zählte auch ich – war die Freude, wieder auftreten zu dürfen, nicht zu übersehen. Und doch fehlte den Künstlern etwas – nicht nur der den Operngesang besser tragende Teppich des Orchesterklangs, sondern auch das lebendige Gegenüber, der erwartungsvoll gefüllte Saal, der erst jeden Musiktheaterabend zu einem großen Gemeinschaftserlebnis macht. Ach, Corona! Man darf gar nicht daran denken, wie gefährdet das alles plötzlich ist, auch und gerade in unserem bundesrepublikanischen Opernwunderland. Umso mehr empfehle ich heute „Mea culpa“, Christoph Schlingensiefs Ready-Made-Oper, die das Wiener Burgtheater in seiner Edition Burgtheater am 1. Juni ab 18 Uhr ( bis 2. Juni 18 Uhr) streamt. Sie versammelt Fundstücke aus dem kollektiven kunsthistorischen Gedächtnis, vom Buch Kohelet bis zu Elfriede Jelinek, die Schlingensief zu Ehren den Text Tod-krank.Doc verfasste, von „Parsifal“ über den „Fliegenden Holländer“ bis zum „Tristan“. Dieses Stationendrama ist eine ironische Expedition in die Sphären der Heils- und Heilungsversprechen zwischen Schulmedizin, Ayurveda und Kunstreligion. Und weil Bayreuth da nicht weit ist, hier noch eine späte Reaktion auf das aktuelle Geschehen in der Geschäftsführung im Opernblog von WDR3-Redakteur Richard Lorber, der von 2016 bis 2019 als Dramaturg der „Parsifal“-Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg in Bayreuth, also ein zeitweiliger Insider war.
Tagestipps und Links vom 30. und 31. Mai: Dass und wie sich gerade auch die Kulturwelt verändert, kann man sowohl an dem Interview mit Rob Overman vom kanadischen Musikkonzern Stingray über die Zukunft des Hörens in der F.A.Z. ablesen und – spannender noch – im Beitrag des schweizerischen Rundfunk und Fernsehens (SRF) über die allererste virtuelle Oper „Eight“ des holländischen Komponisten Michel van der Aa. Was das Streaming betrifft, so verweise ich auf die aktuellen Empfehlungen der Neuen Musikzeitung – und bestätige gerne, dass der Farben-, Kostüm- und Klamaukrausch der Hamburger „Così fan tutte“-Inszenierung von Herbert Fritsch einfach sehenswert ist (noch bis 1. Juni 11.59 Uhr). Obwohl das für drei Stunden ein bisschen wenig ist. Lohnt sich aber musikalisch durchaus, wie auch der sehr strenge Jürgen Kesting in seiner Premierenkritik befand. Natürlich ist das virtuose „Zack-Boom-Boing“ à la Fritsch Lichtjahre entfernt vom Gehalt der klassischen Interpretation Patrice Chéreaus in Aix en Provence 2005 oder der letzten dortigen, mir zutiefst unter die Haut gehenden Version von Christophe Honoré von 2016. Aber ist das nicht das Begeisternde an guten Opern, dass unendlich viele Interpretationen möglich sind und jeder neue Einblick einem etwas gibt – und sei er einfach nur gut unterhaltend wie bei der Hamburger Version? Apropos: Heute endet zumnidest meine Opernhaus-Quarantäne (seit 13. März, Generalprobe „Die Walküre“ im Landshuter Theaterzelt) insofern, als ich bei der Radiogala im Opernhaus Chemnitz live dabei sein darf. Gleich geht’s ab nach Chemnitz – und morgen lege ich deshalb einen Pausentag ein.
Links vom 29. Mai: Langsam kommt Bewegung in die Opern- und Theaterlandschaft. Namhafte Intendanten appellieren lauf Frankfurter Rundschau per Brief an die Bundeskanzlerin, dass die Theater wieder öffnen, arbeiten, spielen und für die Stadtgesellschaft da sein dürfen sollen. In der Süddeutschen Zeitung wird von den konkreten Vorbereitungen diverser Münchner Bühnen berichtet, Egbert Tholl hat erneut Christian Gerhaher interviewt (nur für SZ-Plus-Abonnenten), der unter anderem in Hinblick auf das neue Konzerthaus einen Generalintendanten für alle Münchner Konzertspielstätten fordert; dazu passend ein Kommentar von Susanne Hermanski. Peter Jungblut berichtet auf BR24 unter dem Titel „Für Fans wie Methadon“ ausführlich über den ersten öffentlichen Mittwochsstreifzug an der Bayerischen Staatsoper. Dass in Österreich die Uhren etwas anders gehen, lässt sich auch an der staatlichen Unterstützung für Künstler ablesen: Es gibt aus dem neuen Überbrückungsfond zwar ab Juli wie in Bayern auch 1000 Euro pro Monat, allerdings nicht nur drei Mal lang, sondern für ein halbes Jahr. Kein Wunder, dass die bayerischen Künstler Nachbesserungen fordern. Und in der Schweiz arbeitet beispielsweise das Lucerne Festival daran, die schon abgesagte Sommersaison wenigstens teilweise doch noch in der zweiten August-Hälfte stattfinden zu lassen. Genug Lektüre – und morgen kommen ja noch die Pflingstwochenendausgaben … Heute versuche ich übrigens mein Opern-Methadon-Glück mit der Hamburger „Così fan tutte“.
Tagestipp und Links vom 28. Mai: Wie der Zuschauerraum des Berliner Ensembles nach dem Ausbau von Sitzreihen jetzt aussieht, zeigt die Süddeutsche Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe als Aufmacher im Feuilleton. In der Tat ein emblematisches Corona-Krisen-Bild! Dass es in Österreich schon ganz anders zu gehen scheint, kann man im Interview mit Markus Hinterhäuser bei BR Klassik erfahren, allerdings noch ohne konkrete Programminformationen für die Salzburger Festspiele 2020. Und als kleineres Haus zeigt auch schon mal die Oper Graz, was möglich ist. Die kommenden Tage nutze ich die Chance, mir die Aufzeichnung der Frankfurter „Ring“-Inszenierung anzusehen. Wer sich nur mit einem Teil begnügen wollte, sollte die „Götterdämmerung“ nicht verpassen, mit Johannes Martin Kränzle, der Gunther zu einer echten Hauptfigur macht. Eine seit der Premiere im Januar 2012 mir unvergessliche Leistung!
Tagestipp und Links vom 27. Mai: Neben den jüngsten Meldungen und Kommentaren aus Bayreuth stehen heute natürlich auch die halbierten Salzburger Festspiele und deren Präsidentin Helga Rabl-Stadler im Mittelpunkt der Berichterstattung. Was Reinhard J. Brembeck in der Süddeutschen Zeitung zu einem Kommentar veranlasste, der sich gewaschen hat – mit Sätzen wie „Die Maßgaben lesen sich wie eine Bastelanleitung zu einem Ischgl-Inferno II“. Seine Überschrift „Küss mich, wenn du magst“ dürfte inspiriert sein von dem Artikel „Wenig schreien, nicht küssen“ aus der Berner Zeitung/ Thuner Tagblatt, in der Susanne Kübler das schweizerische Schutzkonzept für Kulturveranstaltungen vorgestellt hat. Genug für heute!
Tagestipp und Links vom 26. Mai: Zur jüngsten Bayreuth-Personalie fassen die Stuttgarter Zeitung und der Tagesspiegel die Sachlage ausführlich zusammen, während Jan Brachmann in der F.A.Z. in seinem Kommentar von einem nicht enden wollenden „Schicksalshagelschlag“ schreibt, einige noch nicht veröffentlichte Details weiß und wie folgt endet: „Da stimmt es zumindest hoffnungsfroh, wenn aus dem engsten Umkreis von Katharina Wagner verlautet, ihr Gesundheitszustand habe sich stabilisiert. Wann sie aber ins Amt zurückkehren könne, ob vielleicht noch in diesem Jahr, das sei weiterhin völlig offen.“ Speziell über die nähere Zukunft im Berliner Kulturleben berichtet der Tagesspiegel aus der gestrigen Kulturausschusssitzung, wo der Lockdown bis 31. Juli nach wie vor gilt. In Österreich hingegen kann schon konkreter geplant werden: Es wird im August abgespeckte Salzburger Festspiele geben, mit nur neunzig statt ursprünglich 200 Veranstaltungen – aber immerhin! Nach meinem gestrigen Krimiabend könnte heute wieder eine Oper dran sein, vielleicht „Jenufa“ aus Berlin?
Tagestipp und Links vom 25. Mai: Zumindest die nähere Theaterzukunft sieht nicht rosig aus. Was man aus den ersten Erfahrungen mit Aufführungen in diversen Häusern lernen kann, fasst die Frankfurter Allgemeine Zeitung zusammen, während laut Wiener Zeitung beim Berliner Ensemble schon mal Sitzreihen ausgebaut werden, um wenigstens ein Rumpfprogramm zu ermöglichen. Und was die sogenannte Soforthilfe für freischaffende Künstler in Bayern betrifft, hat Robert Braunmüller in der Münchner Abendzeitung einen kurzen und knackigen Kommentar verfasst.
Noch ein paar Anmerkungen zum Amsterdamer „Ring“, der noch bis Monatsende kostenlos gestreamt werden kann: Stig Andersen war sängerisch auch in der „Götterdämmerung“ ein bis auf wenige Momente ausgesprochen guter Siegfried. Er singt, wo es geht, eher lyrisch, verzichtet auf stimmliche Kraftmeierei – und indem man ihn hört, sieht man plötzlich eben weniger den Haudrauf in dieser Figur, sondern einen im gegebenen Umfeld reichlich verlorenen, aber empathischen Menschen. Unter den weiteren Solisten ist Michaela Schuster als Waltraute herausragend: mit ihr findet Musikdrama in Vollendung statt. Was für mich bei Catherine Fosters Brünnhilde weniger funktioniert. Zweifellos hat sie eine schöne und intakte Stimme, aber – natürlich ist das auch Geschmackssache und sehr subjektiv – sie berührt mich nicht. Als Fehlbesetzung erwies sich Kurt Rydls Hunding und noch mehr als Hagen, der zwar gruselig mit den Augen rollen, aber leider nicht mehr sauber singen kann. Trotzdem ist dieser „Ring“ ein Markstein in der jüngeren Inszenierungsgeschichte, sowohl musikalisch als auch szenisch.
Tagestipp und Links vom 24. Mai: Wo gibt es schon komplette Ideal-Besetzungen, fragte ich in meinem gestrigen Tipp. Und könnte die Frage gleich wieder stellen. Denn beim „Siegfried“ aus Amsterdam – wiederum empfand ich die Inszenierung insgesamt sehr gelungen und auch die musikalische Interpretation bewegte sich auf sehr hohem Niveau – zeigte sich die Krux aller „Siegfried“-Produktionen: Kann man die Titelrolle adäquat besetzen? Geht das überhaupt? Ja, aber nur in Ausnahmefällen. Denn die wenigen Heldentenöre, die die schwere Partie sängerisch auch nur halbwegs meistern können, verfehlen leider aus nahe liegenden Gründen in ihrer Darstellung die Jugendlichkeit der Figur. Siegfried ist nun mal gerade erst dabei, erwachsen zu werden! Während in den Opernhäusern der gegebene Abstand von Publikum und Bühne in dem Punkt sehr hilfreich ist – ja, es gibt auch Abstandsregelungen, die man unzweifelhaft positiv sehen kann –, sind Aufzeichnungen in der Hinsicht gnadenlos. Stig Andersen (vermutlich Jahrgang 1950) beispielsweise konnte 2002 in David Aldens Münchner „Ring“-Inszenierungen von 2002/2003 durchaus noch jung wirken, 2014 in Amsterdam funktionierte das schon nicht mehr so gut. In meiner Bestenliste für jugendliche Siegfriede steht immer noch der stimmlich allerdings leichtgewichtige Richard Berkeley-Steele aus dem ENO-„Ring“ von Phillida Lloyd 2004/2005 einsam an der Spitze, aktuell schafft an seinen sängerisch guten Tagen Daniel Kirch in Chemnitz das eigentlich Unmögliche am besten. Noch anders gesagt: Siegfriede und Brünnhilden haben auch jenseits der Altersproblematik keine guten Karten, wenn ein Mime vom Kaliber eines Wolfgang Ablinger-Sperrhacke auf den Brettern steht. Er ist seit etlichen Jahren unangefochten die Topbesetzung dieser Partie – und in Pierre Audis Inszenierung auch deshalb ein Hingucker, weil er trotz seines Echsenkostüms streckenweise genauso aussieht wie Richard Wagner als Groß-Wesir im Aquarell von Ernst Benedikt Kietz. Zu meinen Favoriten in der Tierwelt im „Ring“ gehört seit gestern unbedingt auch Siegfrieds Wölfing-Rucksack. Man lernt eben nie aus bei Wagner! Genug von der jüngsten Stream-Seherfahrung, hin zu den Links: Gerne empfehle ich auch die Streaming-Tipps der Neuen Musikzeitung und als Einzel-Lektüre aus der Berliner Zeitung den Bericht über das neue Format Mikro-Konzert. Natürlich neben meiner jüngsten Meldung aus Bayreuth.
Tagestipp und Links vom 23. Mai: Aus Egbert Tholls Rezension in der Süddeutschen Zeitung über das erste Kammerkonzert mit Publikum an der Bayerischen Staatsoper kann man vor allem die Freude herauslesen, die sowohl Musiker wie Zuhörer empfunden haben – ach ja! Nicht nur die neue BSO-Konzertreihe „Streifzüge am Mittwoch“ macht Hoffnung. Auch an der Oper Frankfurt gibt es am 29. Mai das erste Live-Konzert mit Publikum; der Vorverkauf zum Liederabend mit Maria Bengtson (Sopran) beginnt am Montag. Noch zwei Artikel von Markus Thiel aus dem Münchner Merkur: ein Interview mit Christian Gerhaher zum Kulturleben in Corona-Zeiten und ein Bericht über die „Wege aus dem Kulturwinter“. Beim Streamen hält mich momentan (und weil ich den Frankfurter „Ring“ schon aus seinen Premieren kenne) der Amsterdamer „Ring“ in Beschlag: eine fesselnde Produktion, bei der ich sehr bedaure, dass ich unter anderem auch die ungewöhnlichen Raumlösungen von George Tsypin nicht selbst erlebt habe. Mit dieser Wagner-Inszenierung punktet nachträglich endlich auch Regisseur Pierre Audi, dessen Münchner „Parsifal“ in der nur selbstreferenziellen und grauenhaft nichtssagenden Ausstattung von Kunstmarktgröße Georg Baselitz zu den Opernerfahrungen gehört, die man trotz der herausragenden musikalischen Interpretation sehr schnell aus der Erinnerung streicht. Natürlich kann man über manche Sängerleistungen in Amsterdam geteilter Meinung sein, aber wo gibt es schon komplette Ideal-Besetzungen? Leider nur im Opernhimmel. Und in sehr seltenen Sternstunden auf Erden.
Tagestipp und Links vom 22. Mai: Heute vor 207 Jahren wurde Richard Wagner in Leipzig geboren; meinen Gratulationsartikel finden Sie hier. Ansonsten ist der Aufreger des Tages wohl der Plagiatsvorwurf an das Architekturbüro Barkow Leibinger, das für das Bühnenbild der Wiener „Fidelio“-Inszenierung von Christoph Waltz verantwortlich zeichnet – übrigens ein nur auf den ersten Blick wirkendes, letztlich sehr beliebiges Bild. Aus Wiesbaden berichtet Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau über das nächste dortige „Opernkonzert“ (mit Klavierbegleitung), wobei zweierlei bemerkenswert erscheint: Dass nämlich erstens auch dieser Selektiv-Abend nicht ausverkauft war und dass zweitens Künstlerpaare wie Michael Volle und Gabriela Scherer jetzt die Nase vorn haben, weil für sie die Abstandsregelung außer kraft ist. Wollen wir wetten, dass Anna Netrebko (die die Corona-Regelungen als dumm bezeichnet hat und sehr sehr russisch allen Ernstes schrieb: „I think, who ever decided that rules has to vanish!“) und Yusif Eyvazov schon in den Startlöchern stehen? Heute Abend steht für mich die Amsterdamer „Walküre“ auf dem Programm, wiederum unter Hartmut Haenchen, übrigens Rekordhalter unter den „Ring“-Dirigenten.
Tagestipp und Links vom 21. Mai: Wer streamt, sollte sich Gedanken über die Digitalisierung in der Kulturwelt machen. Dass Holger Noltze, Journalist, Kritiker, seit 2005 Professor an der TU Dortmund und schon mehrfach zu Gast beim RWV Bamberg, was dazu zu sagen hat, spiegelt das jüngste Interview auf BR Klassik. Am selben Ort präsentiert DirigentinJoana Mallwitz vom Staatstheater Nürnberg einen Videorundgang zu ihrem Expeditionskonzert zu Beethovens 7. Symphonie. Wie es ansonsten weiter geht, klopft der Berliner Tagesspiegel gleich in zwei neuen Beiträgen ab, der Generalsekretär des Deutschen Musikrats Christian Höppner sieht im Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur „düstere Zeiten“ aus uns zukommen. Kann einem in Wagners „Ring“ bekanntlich auch passieren, der aktuell aus Frankfurt (Premieren ab 2010, Aufnahme von 2014) und Amsterdam (Premieren ab 1997, Aufnahme von 2014) gestreamt wird. Hartmut Haenchen war übrigens der erste Dirigent, der auch Quellenmaterial herangezogen hat, das nicht einmal in Bayreuth benutzt wurde. Er hat in langer Detailarbeit ein eigenes Orchestermaterial erstellt hat, das auf den neuesten Ausgaben der Richard-Wagner-Gesamtausgabe basiert und sogar deren Druckfehler korrigiert. Bin sehr gespannt auf seine Interpretation!
Tagestipp und Links vom 20. Mai: Als Journalist darf man in Ausnahmefällen hin und wieder in Generalproben sitzen, ich kenne also das Gefühl des leeren Zuschauerraums. Die „Geisterkonzerte“ in Berlin und München haben mich daran erinnert, der erste Liederabend mit Publikum am Staatstheater Wiesbaden, worüber sogar die New York Times berichtet, hingegen lässt mich – aus der Ferne betrachtet – eher an die Separatvorstellungen König Ludwigs II. denken: Das waren mehr als 200 Schauspiel- und Opernaufführungen, bei denen die Akteure zwar in fast komplett leere Zuschauerräume hineinsangen und spielten, aber immerhin wussten, dass genau derjenige, der dafür bezahlte, auch zuschaute und zuhörte. Mal sehen, wie’s weiter geht! Im Tagesspiegel äußert sich der Pianist Igor Levit ausführlich zu seinen Streams, im Münchner Merkur untersucht Markus Thiel, wie das Corona-Virus auch die Künstleragenturen beutelt. Und ich kann gerne bestätigen, dass es keinerlei technische Probleme beim „Rheingold“-Stream aus Frankfurt gab. Inzwischen stehen auch die kompletten „Ring“-Besetzungen für Amsterdam und Frankfurt in der Auflistung. Und mein Abendprogramm? Die sehr alte „Lohengrin“-Inszenierung von August Everding an der Met aus dem Jahr 1986 hat ihrer Besetzung wegen große Chancen … ach, Peter Hofmann!
Tagestipp und Links vom 19. Mai: Während an den Rumpf-Festspielen in Salzburg noch gebastelt wird, sind zwei weitere Jubiläums-Festspiele abgesagt: Auch die Händel-Festspiele in Göttingen wollten heuer ihr 100-jähriges Bestehen feiern, nicht zu vergessen das Bonner Beethovenfest im großen Beethoven-Jubiläumsjahr, um dessen Verschiebung Intendantin Nike Wagner sich kümmert. Und wer die gestrige Dokumentation im BR Fernsehen über den Ausnahmezustand bei den Passionsspielen in Oberammaergau verpasst hat, findet die Sendung hier. Weniger benutzerfreundlich erwies sich gestern übrigens erneut die Streaming-Plattform der Wiener Staatsoper. Wieder war das Online-Sofortverkauf-Warteschleifen-Feeling an der Tagesordnung, diesmal auch mitten in der Sponsorenwerbung (was ungerechterweise den Grimm der Wartenden auf die Sponsoren lenkt) – und nach etwa einer halben Stunde „Götterdämmerung“ ging dann gar nichts mehr. Bei vier Opern hat es also zweimal nicht geklappt. Immerhin hatte ich die Aufführung schon gesehen, konnte es also besser verschmerzen wie vielleicht andere. Natürlich werde ich heute testen, ob die Oper Frankfurt mit dem Ansturm hungriger Wagnerianer aufs „Rheingold“ (Premiere 2012) technisch besser zurecht kommt.
Tagestipp und Links vom 18. Mai: Langsam, aber sicher darf auch das Kulturleben wieder in die Gänge kommen. Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute aus den verschiedensten Bereichen, Markus Beisel, Intendant des Rhein Neckar Theaters, einer kleinen Bühne in Mannheim, erläutert anschaulich, was die Abstandsvorschriften in der Praxis bedeuten, während Patrick Bahners in der FAZ sich kritisch mit Monika Grütters, der Beauftragten für Kultur und Medien, widmet. Wer diese Kolumne öfter liest, wird ahnen, dass ich heute die Wiener „Götterdämmerung“ streame – eine Aufzeichnung vom 7. Juni 2017 unter Peter Schneider. In der gleichen Besetzung durfte übrigens zwei Tage zuvor eine Reisegruppe des RWV Bamberg diese Repertoirevorstellung erleben. Um nochmals auf Sven-Eric Bechtolf, den Regisseur des Staatsopern-„Rings“, zurückzukommen: Sehr empfehlenswert sowohl für Kenner und Anfänger ist seine Einspielung des kompletten „Ring“-Librettos bei col lgeno, bei der er fesselnd in alle Rollen schlüpft und nur mit seiner Sprechstimme jeder einzelnen Figur jeweils eine unverwechselbare Identität verleiht. Einfach großartig!
Tagestipp und Links vom 17. Mai: Nachrichtlich ein ruhiger Sonntag bisher, nur die Österreichischen Medien arbeiten sich weiter ab an ihren Festspielen – an Salzburgs Optionen einer Teildurchführung und der Auszeit in Bregenz. Was es bedeutet, dass in den bundesdeutschen Theatern ab morgen der Probenbetrieb wieder aufgenommen werden kann und die Restriktionen weniger werden, lässt sich unter anderem am Interview von Wolfram Goertz von der Rheinischen Post mit Christoph Meyer, dem Intendanten der Deutschen Oper am Rhein, ablesen. Ansonsten ist nicht zu übersehen, dass seit gut einem Monat die Kurzarbeit auch in den Medienhäusern Einzug gehalten hat: Dünner sind alle Zeitungen und Magazine geworden, und nicht wenige regionale Blätter hatten und haben zwar nicht ihren Sportteil, aber den Kulturteil leider gleich ganz gestrichen. So viel zum Stellenwert von Kultur. Kurz noch eine Anmerkung zu den Streams der Wiener Staatsoper: Nachdem am „Rheingold“-Tag der Andrang wahrscheinlich einfach zu groß war, durfte ich tags darauf eine mir gänzlich neue Erfahrung machen. Erstmals habe ich, wenn auch nur bequem vom Sofa aus, gleich zwei verschiedene Wagneraufführungen innerhalb von zwölf Stunden erlebt. Ein Experiment, dem allerdings keine weiteren Versuche folgen werden – was wohlgemerkt nicht an der Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf liegt, die wohltuend nichts anderes will, als die Geschichte zu erzählen. Sondern an der eigenen Aufnahme- und Konzentrationsfähigkeit, welche ich mir heute ab sofort für „Siegfried“ unter Simon Rattle aufspare.
Tagestipp und Links vom 16. Mai: Dass die Salzburger Festspiele in ihrem Jubiläumsjahr wenigstens den „Jedermann“ retten wollen, war schon lange klar. Inzwischen sieht es so aus, dass das klappen könnte, wie u.a. Der Standard berichtet. Alexander Kluge, dessen Ausstellung „Oper. Der Tempel der Ernsthaftigkeit“ im Württembergischen Kunstverein am 13. März gerade noch geöffnet werden konnte, um tags darauf geschlossen zu werden, reagierte darauf mit einem vierstündigen Abend, den man auf der Website des Berliner Literaturhauses findet und aus dem man um einiges klüger herausgeht. Wie einer, der klug ist und gleichzeitig Fan von Werder Bremen, mit dem Shutdown und Geisterspielen umgeht, beschreibt der Schauspieler Matthias Brandt im lesenswertenInterview mit dem Tagesspiegel. Die ersten Kulturveranstaltungen „nach Vorschrift“ mit maskiertem Publikum laufen an, der österreichische Online-Merker ist mit Günther Groissböck ins Rennen gegangen, in Wiesbaden soll das Ersatzprogramm am Montag starten. Ob’s vergnüglich wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Da ist mir die jüngste OpertrotzCorona-Beigabe der Staatsoper Stuttgart eigentlich lieber: Richard Wagner meets Gilbert & Sullivan mit Helene Schneiderman, Catriona Smith, Maria-Theresa Ullrich (Gesang). Und weil der Komponistenname mir so nahe liegt, empfehle ich heute Joseph Beers „Polnische Hochzeit“, ein weithin unbekanntes Meisterwerk zwischen Operette und Musical, das die Oper Graz leider nur noch heute streamt.
Tagestipp und Links vom 15. Mai: Der Silberstreif, der sich am Corona-Horizont der Kulturwelt abzeichnet, ist noch ein sehr fragiles Gespinst. So können zwar in Bayern jetzt unter anderem auch freischaffende Künstler*innen und sonstige Kulturarbeiter*innen, die nicht in der Künstlersozialkasse versichert sind, mit Unterstützung rechnen. Die Frage ist nur: wann? Schließlich gibt es bis heute noch nicht einmal das Antragsformular für die versicherten Freischaffenden, für die am 21. April 2020 eine Sofort(!)hilfe von drei mal 1000 Euro angekündigt wurde. Der Bericht der Süddeutschen Zeitung über den erweiterten Kultur-Rettungsschirm hat schon mal passenden Titel, lesenswert vor allem der Kommentar dazu von Susanne Hermanski.
Etwas weniger direkt ist Katharina Wagners Journalistenfreund Manuel Brug in der Welt. So sehr man ihm zustimmen mag, dass die Festspielleiterin ein „Recht auf Kranksein“ habe, so sehr fällt in seiner Abrechnung mit der Gerüchteküche, in der er sonst selbst gerne mitmischt, auf, dass er es mit den Quellen und ihrer Namensnennung nicht genau genug nimmt. Dass es beispielsweise die Bild-Zeitung war, die sich in dem Zusammenhang die größten Geschmacklosigkeiten geleistet hat, ist bei ihm nicht zu erfahren. Na klar, ist derselbe Medien-Konzern, bei dem auch Brug beschäftigt ist! Immerhin nimmt er sich die Freiheit heraus, Christian Thielemann, der mit Springer-Chef Matthias Döpfner befreundet ist, „die Fake News von der guten Erholung Katharina Wagners“ um die Ohren zu hauen. Und verdient ein Sonderlob für den Nebensatz, dass Thielemanns „Interviewäußerungen auch bisher immer auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen waren“. Punkt.
Wer sich gegebenenfalls in der Warteschleife beim Staatsopern-„Ring“ in Wien plötzlich vorkommt wie beim Online-Sofortverkauf der Bayreuther Festspiele kann sein Wagner-Glück ab heute 14 Uhr in der Semperoper versuchen und anhand der „Lohengrin“-Elsa überprüfen, ob Anna Netrebko und die deutsche Sprache ein Glück ohne Reu‘ sind. Vorschau: von 19. bis 24. bzw. von 21. bis 24. Mai gibt es komplette „Ring“-Streams aus Frankfurt und Amsterdam. Wird schwierig, wenn man bedenkt, dass es unter anderem auch noch „Wozzeck“ aus Zürich mit Christian Gerhaher und „Die Soldaten“ aus Stuttgart in der Inszenierung von Harry Kupfer gibt.
Tagestipp und Links vom 14. Mai: Dass mir Wort Corona in einem eindeutig positiven Zusammenhang und fast schon persönlich entgegenkommt, hätte ich nicht gedacht. „Alles für den Beerenhunger“ sind in der jüngsten Gartenbroschüre von Manufactum die Angebote von diversen Erdbeerpflanzen übertitelt, darunter Korona – eine „mittelfrühe Sorte mit dunkelroten, großen, auch innen ausgefärbten Früchten mit reichem Aroma, das von süßen und fruchtigen Komponenten geprät ist.“ Was die ungestillte Lust auf Musiktheater sehr vieler Menschen betrifft, so lässt das Gespräch, das der Deutschlandfunk mit Axel Kober, dem GMD an der Deutschen Oper am Rhein, geführt hat, den Silberstreif am Horizont erkennen. Letzterer ist auch an der heutigen Pressekonferenz von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zu den Perspektiven der Kulturszene abzulesen. Und heute Abend? Nochmals sei gerne darauf verwiesen, dass die Wiener Staatsoper ab heute 19 Uhr die „Ring“-Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf streamt, vier Abende unter vier verschiedenen Dirigenten, darunter zum Auftakt mit dem „Rheingold“ Axel Kober.
Links vom 13. Mai: Wer das Wort Corona in einem anderen Zusammenhang kennen lernen möchte, wird unter anderem bei der katholischen Tagespost fündig. Von Würzburg und der Heiligen geht’s übergangslos weiter nach Wiesbaden und zu Uwe Eric Laufenberg, der schon ab 18. Mai ein Ersatzprogramm für die Maifestspiele durchziehen will, während die ARD gerade ihren renommierten Wettbewerb abgesagt hat. Na ja, Arienabende mit einigen Sängergrößen und Klavierbegleitung lassen sich sicher eher hinkriegen, als ein internationaler Wettbewerb mit Teilnehmern aus aller Welt. Aber mal ehrlich: Die Erfahrung in einem fast leeren und dadurch plötzlich sehr großen Zuschauerraum zu sitzen, möchte man eigentlich nur einmal machen.
Tagestipp und Links für 12. Mai: Wie und wann die „Ring“-Neuinszenierung von Sefan Herheim an der Deutschen Oper losgehen kann, lässt sich zwar nicht mit Gewissheit sagen, aber immerhin laufen, wie der Tagesspiegel berichtet, die Planungen in mehrere Richtungen. Und in derselben Zeitung ist auch zu lesen, dass von Sängern das größere Infektionsrisiko ausgeht. Tenor Andreas Schager widerspricht dem mit einer praktischen Demonstration. (Weitere Links zu aktuellen Themen bietet täglich ausführlich der Online-Merker.) Für Musik- und Konzertfreunde ein Muss ist Kirill Petrenkos Playlist auf der Homepage der Berliner Philharmoniker. Und heute Abend? Streame ich wahlweise „Boris“ aus Stuttgart oder eine der Aufführungen aus Brüssel, denn am 14. und 15. Mai ist erstmal Wagner dran, mit den ersten beiden „Ring“-Teilen aus der Wiener Staatsoper, die im Mai den Bechtolf-„Ring“ unter vier verschiedenen Dirigenten streamt.
Tagestipp und Links für 11. Mai: Es scheint Bewegung zu kommen in die Abstandsregelungen für Bühnen und Konzertpodien, wenn man Jan Brachmann in der FAZ glaubt. Und der Hoffnungsstreif am Horizont für Opernfreunde lässt sich erahnen, wenn man liest, was Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau zum Saisonprogramm der Oper Frankfurt schreibt. Und die Ludwigsburger Schlossfestspiele freuen sich, die geplante Festspieleröffnung einem breiten Publikum trotz Absage zugänglich machen zu können: Seit 7. Mai, dem eigentlichen Festivalbeginn, ist in der ARTE-Mediathek die Filmversion der choreographischen Oper „Dido and Aeneas“ von Henry Purcell aus dem Jahr 2005 mit der Akademie für Alte Musik Berlin, Vocalconsort Berlin und Sasha Waltz & Guests für 30 Tage als Video-on-Demand in abrufbar.
Tagestipp und Links für 10. Mai: Natürlich beame ich mich heute Abend in die Berliner Staatsoper Unter den Linden: Alban Bergs „Wozzeck“ in der Inszenierung des unvergessenen Patrice Chéreau mit Franz Grundheber und Waltraud Meier. Es ist übrigens ein toller Service, dass die Staatsoper auch die Programmhefte zum Download anbietet – selbst wenn sie, wie in diesem Fall, von der Nachfolgeproduktion stammen. Mein gestriger Versuch, durch die Rundfunkaufzeichnung auf BR Klassik die Chance zu nutzen und endlich „Halka“ von Stanisław Moniuszko kennenzulernen, ist übrigens gescheitert: Eine Oper in einer Sprache, die man nicht versteht, erschließt sich ohne jegliche Vorkenntnisse und Mitlesemöglichkeit eben nicht so leicht. Ich bin dann doch lieber ins Fernsehen übergewechselt und habe auf SWR zum zweiten und bestimmt nicht zum letzten Mal den faszinierend gelungenen und vor allem bei den männlichen Figuren exzellent besetzten Dreigroschenfilm von 2018 angeschaut, der bis 9. Juni in der ARD-Mediathek frei verfügbar ist. Man wünschte sich, dass Drehbuchautor und Regisseur Joachim A. Lang sich mit ähnlich großer Kompetenz, Kennerschaft und Kunstfertigkeit Richard Wagner widmen würde. Zurück in Corona-Zeiten lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf zwei Künstler*innen, die ganz unterschiedlich auf die jetzige Krise reagieren: auf die wunderbare Sängerin Elisabeth Kulmann und den Orgelvirtuosen Cameron Carpenter.
Tagestipp und Links für 9. Mai: Am 6. Mai habe ich in meinem Blog-Beitrag „Journalistische Reflexe“ die Frage gestellt, warum von Christian Thielemann noch kein Wort zur Lage in Bayreuth zu hören war, am 8. Mai hat er sich bei Heinz Sichrovsky der österreichischen News-Mediengruppe gemeldet und zu Protokoll gegeben, dass Katharina Wagner auf dem Weg der Besserung ist und er selbst im Sommer in Bayreuth Urlaub machen, im leeren Orchestergraben sitzen und über seinen Beruf nachdenken wird. Auch das Beethovenfest im Jubiläumsjahr mitsamt Bayreuth-Gastspiel musste verschoben werden. Der Bonner General-Anzeiger hat Intendantin Nike Wagner dazu interviewt. Unter welchen Maßgaben derzeit auf den Bühnen mit Abstandsflächen gerechnet wird, lasst sich ablesen an einer bühnenspezifischen Handreichung der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), etwas besser lesbar hat das Michael Stallknecht in seinem Artikel Händchenhalten auf Abstand in der NZZ formuliert. Der Trailer zum heute Abend auf 3sat angebotenen Erlebnis Bühne LIVE hat mich ehrlich gesagt abgeschreckt. Da lass ich das Gucken mal sein und höre mir lieber um 19 Uhr auf BR-Klassik die Oper „Halka“ von Stanisław Moniuszko mit PiotrBeczała an (Aufnahme vom15. Dezember 2019 im Theater an der Wien).
Tagestipp und Links für 8. Mai: Die Nachrichtenlage ist so reichhaltig, dass die Auswahl schwer fällt. Am besten, ich fange vor Ort an mit den Bamberger Symphonikern, die in punkto Bläser-Aerosole eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt haben. Auch zwei Bayreuth-Protagonisten haben für Schlagzeilen gesorgt: der langjährige Chordirektor Norbert Balatsch, der im Alter von 92 Jahren gestorben ist, und „Parsifal“-Regisseur Uwe-Eric Laufenberg mit seinen „Solo-Diskursen“ zur Corona-Krise. Dass streamende Klassik-Portale jetzt richtig gut ins Geschäft kommen, vermeldet der Deutschlandfunk. Mein heutiger Tipp funktioniert auch ohne Internet: Um 21.45 Uhr sendet 3sat das Gedenkkonzert zum Kriegsende vor 75 Jahren unter Daniel Barenboim mit Wagners „Siegfried-Idyll“ und Mozarts „Kleiner Nachtmusik“. Im Live-Stream gibt’s die Aufführung auf der Homepage der aus der Berliner Staatsoper.
Tagestipp und Links für 7. Mai: Holger Noltze, der schon zweimal in unserem Verband als Referent zu Gast war, hat sich kritisch mit der Vermittlung von Kultur im Internet befasst – ein Muss für alle Streamer! Das Buch „World Wide Wunderkammer“ erscheint nächste Woche in der Edition Körber, hier schon mal ein Vorbericht aus der NZZ. Apropos Presse: Aus aktuellem Anlass habe ich mich mit den Journalistischen Reflexen auf die offenbar schwere Erkrankung von Katharina Wagner befasst und dabei die Erkenntnis gewonnen, dass die Unterschiede zwischen einer angesehenen seriösen Zeitung und einem Boulevardblatt leider gar nicht mehr groß sind. Bild hin, Süddeutsche her: Wer trotzdem Sehnsucht nach donnerndem Theaterleben hat, der sollte heute den Stream der Münchner Kammerspiele nicht versäumen: Nur in der Zeit von 18 bis 24 Uhr ist die Dokumentation „Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien“ von Bettina Böhler verfügbar.
Tagestipp und Links für 6. Mai:Während peu à peu in sehr kleinen Schritten etwas mehr „Normalität“ zurückkommt, müssen zumindest Opern- und Konzertfreunde sich darauf einstimmen, dass es groß besetzte Aufführungen wie in den Zeiten vor Corona wohl ziemlich lange nicht mehr geben wird. Der Tagesspiegelkündigt an, dass bald auch für festangestellte Berliner Orchestermusiker Kurzarbeit ansteht. Nur noch bis 8. Mai streamt dieStaatsoper Stuttgartihre aus Paris übernommene Gluck-Produktion der „Iphigénie en Tauride“, eine musikalisch beeindruckende Interpretation unter Stefano Montanari, mit überzeugenden Sängern, in einer spannenden Inszenierung von Krzysztof Warlikowski, die den Zuschauern manch lohnendes Rätsel aufgibt.
Tagestipp und Links für 5. Mai: Wie Plan B, C, D, E und F für Orchester aussehen könnten, hat für BR Klassik
Tagestipp und Links für 4. Mai: Die heutige Pflichtlektüre ist das Interview mit Barrie Kosky aus der Berliner Zeitung. Und abends bleibt bei mir die Opernküche kalt – nicht ganz, aber fast. Denn der Liederabend, den Christian Gerhaher und Gerold Huber heute um 20.15 Uhr in der Reihe der Montagskonzerte der Bayerischen Staatsoper mit Werken von Antonín Dvořák, Hugo Wolf und Franz Schubertgeben, ist live und bestimmt großartig.
Tagestipp und Links für 3. Mai: Die Dirigentin Oksana Lyniv, die dem Bamberger Symphoniker-Publikum vielleicht noch als dritte Preisträgerin des Mahler-Dirigenten-Wettbewerb 2004 in Erinnerung sein wird und anschließend schnell international Karriere gemacht hat und unter anderem zuletzt auch den Judith-Abend an der Bayerischen Staatsoper musikalisch leitete, äußert sich im Interview mit der Deutschen Welle ausführlich über die Folgen der Corona-Krise. Das Rigoletto-Sängerfest aus Dresden bleibt weiterhin auf Youtube verfügbar, aber wenn die Semperoper die Produktion (leider nur noch heute bis 23 Uhr) streamt, ist es ganz einfach schöner, weil man den Raum vor sich sieht und sich an einschlägige Opernbesuche dort erinnert …
Tagestipp und Links für 2. Mai: Eine der schönsten aktuellen Meldungen kommt aus Luzern: Das Schweizerische Bundesgericht hat in letzter Instanz entschieden, dass Hunde im Bereich des Richard-Wagner-Museums in Tribschen künftig wieder ohne Leine laufen dürfen – eine Entscheidung, die sicher auch bei Hundeliebhaber Richard Wagner Beifall gefunden hätte. Ansonsten ist das ausführliche Interview mit Dirigent Hartmut Haenchen auf der Musikplattform Klassik begeistert zu empfehlen. Neu in der Übersicht sind Streamingangebote aus Italien und außergewöhnliche Aufzeichnungen von kleineren deutschen Theatern wie der Oper Halle und dem Theater Hagen.
Tagestipp und Links für 30. April und 1. Mai: Ob und wie es in der Musikwelt trotz Corona weitergehen kann, hat Manuel Brug für die Welt recherchiert. Es lohnt sich, den Bericht zu lesen, bevor man das Europakonzert der Berliner Philharmoniker im Ersten einschaltet. Einen schönen Einblick gibt im Interview auch der Geschäftsführende DirektorTobias Ehinger vom Theater Dortmund in der WDR3-Resonanzen-Sendung (bei 4:10 Min.) vom 28. April. Die Tatsache, dass die Komische Oper Berlin ihr Streaming-Angebot ausgeweitet hat, erleichtert mir die Auswahl: Am 1. Mai um 19 Uhr lasse ich mir Barrie Koskys Eugen Onegin- Inszenierung mit Asmik Gregorian als Tatjana und Ainars Rubikis am Pult nicht entgehen.
Tagestipp und Links für 29. April: Zur Erkrankung Katharina Wagners sind weitere Artikel erschienen, darunter bei der Deutschen Welle, im Tagesspiegel, in der Welt und in der Süddeutschen Zeitung mit dem bemerkenswerten Schlusssatz: „Und derzeit weiß niemand, ob die Festspiele 2021 überhaupt stattfinden.“ Das ist reichlich mutig, wenn man bedenkt, dass derselbe Autor vor nur fünf Tagen eine Absageorgie konstatiert und das noch praktizierte Prinzip Hoffnung bei den Salzburger Festspielen gut geheißen hat. Meine heutige Opernempfehlung: Franz Schrekers „Der ferne Klang“ in einer Inszenierung von Christof Loy aus Stockholm mit Agneta Eichenholtz, Dirigent Stefan Blunier.
Tagestipp und Links für 28. April: In welch ver-rückten Zeiten wir leben, hat unter anderem die gestrige Nachrichtenlage offenbart. Während die Bayreuther Festspiele wegen der Erkrankung Katharina Wagners zumindest vorübergehend erstmals seit ihrer Gründung nicht von Mitgliedern der Familie Wagner geleitet werden, denken die Intendanten der großen Opernhäuser längst darüber nach, was zu tun wäre, wenn die Schließung der Theater deutlich länger andauert. So hat Georges Delnon in Hamburg den Vorverkauf für die nächste Saison vorsichtshalber schon mal von Anfang Mai auf Anfang August verschoben. Auch Bogdan Roščić, der designierte neue Intendant der Wiener Staatsoper, weiß, dass es in absehbarer Zeit kein „business as usual“ geben kann. Opernfreunde in aller Welt werden wohl weiter auf Konserven zurückgreifen müssen.
Tagestipp für 27. April: Matthias Goerne, einer der prominenten Wortführer für brotlos gewordene freischaffende Künstler in Corona-Zeiten, hat in einem Interview mit dem Münchner Merkur nachgelegt. Schön wäre es, wenn die regelmäßigen Leser dieser Service-Kolumne das zum Anlass nähmen, etwas für die beiden nicht subventionierten Bamberger Bühnen zu spenden. Statt konkret auf eine Opern-Produktion aufmerksam zu machen, beschränke ich mich heute darauf, dass in der Stream-Liste einige italienische Opernhäuser wie Bologna, Palermon und Venedig hinzugekommen sind, auf die mich dankenswerter Weise Matthias Kasper hingewiesen hat.
Tagestipp für 26. April: Wer es noch nicht nach Aix en Provence geschafft hat, konnte dank der Übertragungen auf arte schon seit etlichen Jahren nachvollziehen, dass dort der Prozentsatz an großartig gelungenen und innovativen Inszenierungen auffallend hoch ist. Hat man je Mozarts „Così fan tutte“ und Bizets „Carmen“ aufwühlender erlebt als in den Produktionen aus dem Théâtre de l’Archevêché von 2016 und 2017? Auf „Ariadne auf Naxos“ von 2018 sei hier als erstes ausführlicher hingewiesen: Denn erstens ist die musikalische Besetzung mit Marc Albrecht im Graben, Lise Davidsen als Ariadne, Sabine Devielhe als Zerbinetta, Angela Brower als Komponist und den weiteren Solisten schlichtweg sensationell. Und zweitens wagt Regisseurin Katie Mitchell eine Interpretation (mit zusätzlichen Dialogen von Martin Crimp), die eine andere Sicht vor allem auf die Frauen-, aber auch die Männerfiguren eröffnet, und die Situation des Theaters im Theater so abbildet, wie sie heute real stattfinden könnte - beim nicht nur reichsten, sondern auch in den Geschlechterollen flexiblen Mann Wiens (oder sonstwo in der Welt) samt ebenso flexiblen Gattin. Es lohnt sich garantiert, einige Überraschungen inklusive!
Tagestipp für 25. April: Zunächst sei um Nachsicht gebeten: Mein gestriger Tipp kam leider zu spät. Ist auch kein Wunder, bei der doch unübersichtlichen Menge! Aber womöglich bietet die Staatsoper Hamburg ihren „Parsifal“ nochmals an, denn die Corona-Schließzeit für Theater und vor allem für Opernhäuser dürfte noch länger dauern … Was das konkret für Künstler bedeutet, haben Autoren der „Zeit“ in ihrem aktuellen Beitrag „Ausgespielt“ ausführlich vorgelegt. Apropos Hamburg: Die Studioproduktion von Beethovens „Fidelio“ aus dem Jahr 1968 (noch bis 4. Mai) ist nicht nur was für Nostalgiker, die die junge und überzeugend jungenhafte Anja Silja als Florestan und weitere namhafte Sänger von damals erleben wollen. Die Fernsehinszenierung offenbart zwar, dass nicht alle Solisten mit dem ungewohnten Playbacksingen zurecht kamen, ist aber ein Musterbeispiel dafür, dass man eine Opernhandlung, gute Sängerdarsteller vorausgesetzt, mit ganz einfachen Mitteln spannend erzählen kann. Und sogar ganz ohne die üblichen Operngesten und -posen! (TV-Regie: Joachim Hess).
Tagestipp für 24. April: Auch wenn der spezifische Zauber der kunstvollen Inszenierungen Achim Freyers sich in einer Aufzeichnung zwangsläufig nur eingeschränkt zeigt, sei nochmals auf seinen „Parsifal“ in Hamburg verwiesen. Lesenswerte Gedanken zur aktuellen Lage für alle Theater- und Konzerthäuser hat die Wiener Zeitung in einem Interview mit Markus Hinterhäuser, dem Intendanten der Salzburger Festspiele, zu Papier gebracht. Besonderns schön reagiert er unter anderem auf die Frage, ob er die digitalen Ersatzangebote sinnvoll findet und definiert echte Aufführungen als „vergleichslose Kostbarkeit“. Noch ein Satz zu dem schon mehrfach empfohlenen Schauspiel-Stream Böhm aus Graz (bis 2. Mai 18 Uhr): Wem der Dirigent Fritz Busch, der in dem unbedingt sehenswerten Stück ebenfalls vorkommt, nicht so viel sagt, kann die Bildungslücke mit einem 2013 erschienenen Buch füllen.
Tagestipp für 23. April: Heute vielleicht nochmal die Bayerische Staatsoper, denn Sir Peter Jonas, unvergessener Intendant von 1993 bis 2006, ist gestern Abend seinem langjährigen Krebsleiden erlegen: Zumindest Kennern des Werks kann man„Die Frau ohne Schatten“ fast uneingeschränkt empfehlen (noch bis 25. April, allerdings nur mit französischen Untertiteln). Ausnahmsweise sei heute nochmals auf einen Schauspiel-Stream hingewiesen, der Opern- und Wagnerfreunde interessieren muss: Böhm heißt das außergewöhnliche Stück von Paulus Hochgatterer über den Dirigenten Karl Böhm (und dessen Verwicklungen mit dem NS-Regime), das in der Regie und mit dem Puppenspieler Nikolaus Habjan 2018 am Schauspielhaus Graz uraufgeführt und auch bei den Bregenzer Festspielen von Publikum und Kritikern einhellig bejubelt wurde (bis 2. Mai 18 Uhr). Mein Dank gilt Dagmar Behr für diesen Tipp!
Tagestipp für 21. April: Welchen besonderen Reiz Opernaufzeichnungen aus der finnischen Nationaloper haben, konnte ich gestern mit Christof Loys klassischer und erstklassiger „Tosca“-Inszenierung ausprobieren: Es lohnt sich, die finnischen Untertitel mitlaufen zu lassen. Hat aber noch Zeit, die „Elektra“ aus der Met dürfte heute für viele Vorrang haben.
Tagestipp für 20. April: Knapp zu spät, aber dennoch eine schöne Hommage: Zum 80. Geburtstag von Anja Silja streamt die Staatsoper Hamburg bis 4. Mai ihre historische „Fidelio“-Studio-Produktion aus dem Jahr 1968 mit Anja Silja als Leonore. Mit den aktuellen Nöte von Bühnenkünstlern befasst sich der offene Briefvon Matthias Goerne und weiteren prominenten Unterzeichnern wie René Pape und Christian Thielemann aus der Tageszeitung Die Welt, dem unter anderem zu entnehmen ist, dass zu den nur sechs Theatern, die sich freiberuflichen Künstlern gegenüber solidarisch gezeigt haben, das Theater Hof und das Landestheater Niederbayern zählen.
Tagestipp für 19. April: Einfach schnell 3sat einschalten, dann hat der Sonntag schon am Morgen sein Highlight!
Tagestipp für 18. April: Da das attraktive Angebot aus Brüssel mit einer Ausnahme vorerst nur bis 19. April gegeben ist, darf es den Vorrang vor den noch attraktiveren Streams aus Aix en Provence haben. Und für alle Bayreuth-Sehnsüchtigen hier ein kurzes Eintauchen in die Vergangenheit.
Tagestipp für 17. April: Zwei mal zeitgenössische Oper aus Berlin: „Oedipus“ von Wolfgang Rihm aus der Deutschen Oper Berlin und „Violetter Schnee“ von Beat Furrer aus der Staatsoper Unter den Linden. Und für alle die kurz und pfiffig den Frühling genießen wollen, hier noch eine wunderbare Mozart-Adaption, auf die eine Wagnerfreundin aus der Südpfalz aufmerksam gemacht hat.
Tagestipp für 16. April: Schwierige Entscheidung heute, denn die „Rondine“ aus der Met konkurriert gleich mit zwei „Rosenkavalier“-Inszenierungen aus österreichischer Regiehand: von der Wiener Staatsoper die alte Schenk-Produktion mit Renée Fleming als Marschallin und aus der Berliner Staatsoper die neue von André Heller mit einem umwerfenden Günther Groissböck als Ochs und einer fast ebensolchen Camilla Nylund als Marschallin, die man gut und gerne öfter anschauen kann. Kleiner Nachsatz zum „Fidelio“ aus dem Theater an der Wien, der auf arte bis 2. Mai gestreamt wird: Die österreichische Hand bewährt sich da nur am Dirigentenpult mit Manfred Honeck. Bei der Inszenierung von Chrisoph Waltz weiß man nicht so recht, was er uns sagen will. Seine Regie wirkt fast so beliebig wie das nur auf den ersten Blick eindruckende Treppenszenarium des hauptberuflichen Architekten Barkow Leibinger – ein Raum, in dem man vermutlich alles spielen kann, sich aber dann auch jede Menge einfallen lassen müsste, damit das Publikum nicht einschläft.
Tagestipp für 15. April: Um zu verstehen, was warum aktuell in den Opernhäusern passiert und was nicht, lohnt es sich, das Interview mit Intendant Bernd Loebevon Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau zu lesen. Heute Abend keine Oper, sondern der ARD-Film „Die Getriebenen“ über die Flüchtlingskrise 2015. Der Regisseur heißt nicht umsonst Stephan Wagner, denn er hat sogar einen Festspielbesuch der Kanzlerin in Bayreuth mit eingebaut. Bei allen, die meinem Tipp vom 11. April gefolgt sind und sich den „Parsifal“ aus Palermo angeschaut haben, muss ich flehentlich um Nachsicht bitten: Ich kannte die Neuproduktion (Premiere am 26. Januar 2020) noch nicht, sonst hätte ich eher eine dringende Warnung vor dieser Hackschnitzelpressspan-Version abgegeben. Sieht man vom spannenden Dirigat Omer Meir Welbers (mit drei Stunden 44 Minuten Gesamtdauer ist er fast so schnell wie Pierre Boulez in Bayreuth) und von John Relyea als Gurnemanz ab, erlebt man nicht wenige Solisten, die definitiv nicht professionell singen sollten, und eine möchtergernkritische Inszenierung von Graham Vick, die es schafft, den sehr abwegigen letzten Bayreuther „Parsifal“ noch zu toppen. Wer jetzt immer noch Lust hat auf Männer in heruntergelassenen Hosen: auf arte jederzeit bis 9. Juli.
Tagestipp für 14. April: Selten gespielte Opern haben jetzt mehr Chancen als sonst: Prokofjews „Der Spieler“ aus der Staatsoper unter den Linden beispielsweise. Wer noch mit dem „Parsifal“ der Osterfestspiele liebäugelt, dem sei als Vorwarnung ein Link zu meiner Kritik der TV-Übertragung aus dem Premierenjahr 2013 gegeben.
Tagestipp für 13. April: Heute ist das Abendessen deutlich früher dran, was ja gesund sein soll, denn ausnahmsweise wird nicht gestreamt, sondern TV geglotzt: Auf ONE um 18.10 Uhr der hochkarätig besetzte Spielfilm „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ (vorab gibt es um 17.40 Uhr schon eine Dokumentation dazu). Und um 20.15 Uhr umschalten auf arte zur „Fidelio“-Inszenierung von meinem Lieblingsschurken Christoph Waltz. Wer bei den „Parsifal“-Streams die Übersicht verliert, sollte sich zumindest nicht grämen, dass die Münchner Produktion für absehbare Zeit nur noch heute kostenlos zu haben ist. Denn wie beim gestrigen „Tannhäuser“ gilt: Der musikalische Hochglanz – wofür Kirill Petrenko und großartige Solisten stehen – ist nur die halbe Miete. Die vor allem wegen Ausstatter Georg Baselitzt gehypte Inszenierung von Pierre Audi ist ein bedauerlicher Reinfall. Das Bühnenbild ist nichts anderes als aufgeblähte Flachware, die Blumenmädchen schaffen es (wie Castelluccis Venusbergszene) spielend in die ewige Bestenliste der abträglichsten, absurdesten und scheußlichsten Kostüme je. Ach, Kunscht!
Tagestipp für 12. April: Heute nur noch bis 15 Uhr ein Blick ins Opernmuseum mit dem legendären „Don Giovanni“ zur Eröffnung der Deutschen Oper Berlin 1961 und abends „Falstaff“ aus Hamburg, eine Aufführung, die in unserer Reisegruppe am 8. Februar gute Laune verbreitete, obwohl Sturm Sabine uns für den nächsten Morgen die vorzeitige Abreise auferlegt hatte. Ja, der „Tannhäuser“ aus München auf ARDαlpha ist musikalisch einfach großartig und lohnt deshalb in jedem Fall, aber man muss etwas übrig haben für den bildnerischen Castellucci-Kitsch, der meistens nur so tut, als wäre was dahinter. Ästhetische, sehr unästhetische und verrätselnde Bilder allein machen leider noch lange keine gute Wagner-Inszenierung. Dank Hagen aus dem Festspiele-Forum hier noch ein Link mit Überlegungen zum „Erweiterten Hasenbegriff“ und Material zu Christoph Schlingensiefs Bayreuther „Parsifal“-Inszenierung.
Tagestipp für 11. April: „Parsifal“ aus Hamburg, aus Antwerpen (auf OperaVision) oder aus Palermo (in der arte-Mediathek)
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